Die Internetpräsenz der Tagesschau will attraktiv sein und geht daher mit dem Trend, indem sie auf den Zug der Internetblogs aufgesprungen ist. Schons seit einiger Zeit können wir daher auf der Website einen Reiter mit der Aufschrift „Blog“ bewundern.
Wer die Tagesschau kennt, der wundert sich angesichts dessen vielleicht etwas. Bei dem Titel der Nachrichtensendung klingelt höchstens der allbekannte Eröffnungsjingle im Ohr, nicht aber die Assoziation mit Blogs.
Die Tagesschau ist die älteste Nachrichtensendung Deutschlands und wurde gestern von immerhin 3,55 Mio. Deutschen verfolgt. Sie gilt als seriös und wird im Vergleich zu den Nachrichten der Privatsender als etwas steif beschrieben.
Vielleicht ist es genau dieses etwas konservative Image, dem durch den Interblog entgegengewirkt werden soll. Aber genug der Spekulation über die Martketingstrategie der ARD.
Die Blogeinträge werden von den Auslandskorrespondenten der Tagesschau geschrieben. Es gibt auch eine Vlogversion, die im Vergleich zu vielen im Internet zur Verfügung stehenden Vlogs nicht nur eine Person vor krisseligem Hintergrund zeigt, sondern professionell gedreht und geschnitten ist. Man merkt also, dass das Projekt der Tagesschauredaktion durchaus wichtig ist und an finanziellen Mitteln nicht gespart wird.
Was die Themenauswahl angeht, so findet man diverse Bereiche wieder.
Hier einen Bericht über Deutsche Fahrzeuge in Afghanistan, dort über einen Gitarrenhersteller in Polen. Die Sprache der Korrespondenten passt sich sowohl in den Vlogs als auch in der schriftlichen Ausgabe dem jeweiligen Thema an.
Im Blog „Paris, c’est la vie“ beschreibt Michael Strempel klar und nüchtern die Wahl des französischen Präsidenten, während sein Kollege aus New Delhi seine Geschichte vom gebrochenen Arm locker zum Besten gibt:
„Am nächsten Tag ins Krankenhaus. Moderner als in Deutschland. Die Notaufnahme bestand aus vielen Betten, durch Vorhänge getrennt. Vielleicht fünf Ärtze bestaunten meine Hand, bis der Orthopäde kam. Ein Gips, dann nochmal röntgen. Den bereitstehenden Rollstuhl lehnte ich ab. Was niemand verstehen konnte.“
Deutlich wird an diesem Beispiel: so subjektiv geschrieben der Text auch ist, er schafft es die Distanz zwischen New Delhi und Trier kleiner wirken zu lassen.
Durch das lockere Geschreibsel des Korrespondenten über sein (nach Nachrichtenfaktoren als unbedeutend einzustufendes) persönliches Indienereignis erfährt man ein Stück vom Alltag des Landes, was zum besseren Kulturverständnis nie schaden kann.
Klar dabei sollte aber eben sein, dass ein Blog keine ausschließlich auf Information ausgerichtete Nachrichtensendung ist und daher die Perspektive des Autor beim oft lustigen Geplauder noch mehr zum Tragen kommt als bei der herkömmlichen Fernsehtagesschau.
Für mich sind die Korrespondentenblogs ein schönes, gut aufgemachtes Extra, das zwar etwas aus dem Rahmen der Internetpräsenz der Tagesschau fällt, aber nicht minder interessant ist.
Wer einmal hereinschauen will, der sollte also im Klaren sein, dass es sich speziell bei den Vlogs eher um Entertainment als Nachrichten handelt.
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Strempel, Michael: Wenn aus Merkozy Merkollande würde … (18.04.2012): http://www.tagesschau.de/videoblog/paris_cest_la_vie/videoblogparis168.html (abgerufen am 20.04.2012)
Halász, Gábor: Unfall, Gips und was ich über Indien lernte (11.01.2012): http://blog.tagesschau.de/author/halasz/ (abgerufen am 20.04.2012)
Quoten der ARD: http://www.daserste.de/programm/quoten.asp (abgerufen am 20.04.2012)