Gamer sind männlich, riesen Nerds, haben wenig soziale Kontakte und von Frauen auch keine Ahnung, beziehungsweise interessieren sich auch nicht wirklich für sie, außer sie kommen in ihren Spielen vor.
Sieht so aus als hätte da mal wieder jemand tief in die Klischeekiste gegriffen, oder?
Natürlich ist diese Darstellung mehr als nur übertrieben. Natürlich hat jemand, auch wenn er sich als Gamer bezeichnet, Freunde und geht duschen. Doch sieht man sich die momentane Diskussion an, welche auf diversen Plattformen unter dem Hashtag #GamerGate läuft, kann man schnell auf den Gedanken kommen, dass diese Klischees irgendwie doch eines wahren Ursprungs entspringen.
Bekannteste Opfer der #GamerGate-Debatte sind Zoe Quinn, Brianna Wu (beides Spiele-Entwicklerinnen) und die Feministin und Medienkritikerin Anita Sarkeesian. Diese wurden (und werden immer noch) von vielen aus der Gaming-Community auf das Schwerste beschimpft und sogar bedroht. Privatadressen wurden öffentlich gemacht und mittlerweile stehen sie sogar unter Polizeischutz. Doch was hat dieses extreme Verhalten ausgelöst?
Zunächst einmal ein Blogeintrag eines betrogenen Freundes. Dieser beschuldigte seine damalige Freundin Zoe Quinn darin, um gute Kritiken für eines ihrer Spiele zu bekommen, eine Affäre mit einem Spielejournalisten eingegangen zu sein. Auch wenn sich diese Annahme als falsch heraus stellte, zogen diese Anschuldigungen natürlich die übliche Entrüstung nach sich und wie man es so aus dem Internet kennt, waren auch verbale Entgleisungen unter all den Kommentaren dabei. Dennoch wurde durch diesen Zwischenfall etwas – oder besser – jemand stellvertretend für einige, wenn auch nicht viele in das Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt: Zoe Quinn beziehungsweise Frauen in der Spieleindustrie.
Ins Rollen kam der große #GamerGate Skandal dann durch die Erscheinung des neuesten Videos von Anita Sarkeesian, welche auf ihrem Youtube-Kanal die Darstellung von weiblichen Charakteren in Spielen beleuchtet. Einer ihrer Grundaussagen ist, dass weibliche Figuren meist nur den hübschen Rahmen für die männlichen Hauptfiguren bilden. Durch diese Äußerungen hatte sie einen empfindlichen Nerv in der Gaming-Community getroffen. Sie und Zoe Quinn rückten somit immer mehr in den Focus von ‚Kritikern‘, welche eigentlich keine sind. Zusammen mit Brianna Wu, welche sich auch kritisch zu Sexismus in Spielen äußerte, stehen die drei nun im Mittelpunkt von Anfeindungen, Drohungen und Beschimpfungen. Trauriger Höhepunkt war die Absage eines Vortrages von Anita Sarkeesian aufgrund von der Androhung eines Anschlages am Veranstaltungsort.
Reaktionen gab es viele. Unter anderem einen offenen Brief an die Gaming Community von Entwicklern, in dem sich dafür eingesetzt wird, dass jeder spielen darf, egal welches Geschlecht oder sexuelle Ausrichtung er hat. Dennoch hat sich die gesamte Situation zu einem undurchdringlichen wirren Durcheinander von Meinungen, Drohungen und Vermischung der unterschiedlichsten Themen entwickelt. Festzuhalten ist, dass es um Sexismus in Spielen und gegenüber Frauen in der Spieleindustrie, sowie die Glaubwürdigkeit von Spielejournalisten, geht.
Nachdem dies schon vor ungefähr 3 Monaten im englisch sprachigen Raum ein viel diskutiertes Thema war, wird dies von den deutschen Medien erst jetzt aufgegriffen. Neben einer Vielzahl von Gaming-Portalen (u.a. Playnation.de oder auch Giga-Games),die allerdings seit einem längeren Zeitraum davon berichten, werden jetzt auch etablierte Medien wie zum Beispiel die Tagesschau, oder auch die FAZ auf dieses doch brisante Thema aufmerksam.
Bei letzterem ist jedoch folgendes anzumerken um wieder auf die am Anfang erwähnten Klischees einzugehen: Das im ersten Abschnitt des Artikels erläuterte ‚Utopia‘ ist bei weitem noch nicht erreicht. Natürlich gibt es wie in dem Artikel beschrieben neben den Spielen nun auch viele andere Medien, die diese aufgreifen, wie Bücher oder ähnliches. Doch ist dies lediglich Merchandise. Die Gruppe derer, die Spiele als Kulturgut ansehen ist weiterhin sehr gering und jemand der es geschafft hat eine beachtliche Summe von ca. 300 Stunden in Skyrim zu verbringen, bekommt wohl immer noch gesagt, dass er doch seine Zeit auch besser nutzen könnte.
Die Entwicklung, dass nicht jeder gleich als potenzieller Amokläufer gilt, wenn er einen Ego-Shooter spielt, steht selbst noch in den Kinderschuhen, wenn man die Diskussionen um Gewalt in Spielen verfolgt. Gewaltdarstellungen werden immer noch in den verschiedenen Gattungen Film und Spiel unterschiedlich gewertet, egal wie cineastisch ein Spiel inszeniert wurde.
In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung wird im Zuge der #GamerGate Affäre eine spannender Punkt aufgegriffen, der hier noch nicht im Mittelpunkt stand: Der Spieler – also Gamer – an sich mit seiner Identität; derjenige auf den die Klischees aufgedrückt werden. Halten wir kurz an dieser Stelle fest, dass in diesem Artikel der generische Maskulinum genutzt wird. Laut einer Studie der Entertainment Software Association aus diesem Jahr sind mittlerweile ungefähr die Hälfte aller Spieler weiblich.
Wer bin ich wenn ich spiele? Ich für meinen Teil: weiblich, 22 jährig, GTA V spielend mit vielen sozialen Kontakten, da ich mich aktiv an der Arbeit in einer Fachschaft beteilige. Passend wird in dem Artikel vom „Ende der Gamer-Identität“ gesprochen. Durch dieses ‚Ende‘, das Aufkommen von Frauen in der ‚Szene‘, die Kritik an der Darstellung von Frauen, seien die Reaktionen die im #GamerGate auftauchen fast eine logische Konsequenz. Leider trifft dieser Punkt nur auf einen kleinen Teil der Community zu, nämlich auf jenen in dem die Drohungen und Anfeindungen entstanden sind. Dieser kleine Teil ist aber auch im Rest der Gesellschaft zu finden und fühlt sich durch jedes kleinere aufkommen von feministischen Inhalten angegriffen ( vgl. hierzu zum Beispiel die Diskussion um das Video „10 Hours of Walking in NYC as a Woman“)
Der größere Teil findet es schön, dass nun auch die Damen der Schöpfung die Welt der Spiele für sich entdeckt hat. Es wird auch nicht kritisiert, dass kritisiert wird, sondern es wird auf das alte Thema aufmerksam gemacht, dass Pauschalisierungen immer schwierig sind. Zum Schluss bleibt nur noch kurz etwas Kritisches zu hinterfragen: Ja es wird diskutiert – und das ist auch gut so – aber kommen diejenigen, über die diskutiert wird, eigentlich auch zu Wort oder ist es wieder eine fremdbestimmte Diskussion?