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Der Fall Relotius: Ausnahme oder Strukturproblem?

Wie der „Spiegel“ am 22.12.2018 mitteilte, hat der Journalist Claas Relotius über einen längeren Zeitraum Reportagen gefälscht und Sachverhalte manipuliert. Individuelles Versagen oder ernstzunehmendes Strukturproblem des Journalismus?

Der beim „Spiegel“ fest angestellte Claas Relotius schrieb bevorzugt Reportagen. Sie beruhen auf persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen, die selbst der Spiegel mit einer der größten Faktencheckabteilungen Europas nur sehr schwer nachprüfen kann (vgl.Heute+).

Reportagen haben das Ziel, „die Leser/innen emotional zu erreichen und sie das Geschehen miterleben zu lassen“ (Hochschule Freiburg). Die Redaktionen wünschen sich daher perfekte atmosphärische Dichte, was wiederum den Druck auf Journalisten erhöht und die Manipulationen wahrscheinlicher macht.

„Halb zog er uns, halb sanken wir hin“ (Spiegel Nr.52), sagte Elsa Köster in „Der Freitag“ zur Mitschuld der Redaktionen.

Ullrich Fichtner, Vize-Chefredakteur des Spiegels, räumte ebenfalls eine Mitschuld ein:

„Als Ressortleiter, der solche Texte frisch bekommt, spürt man zuerst nicht Zweifeln nach, […]. Es geht um eine Beurteilung nach handwerklichen Kriterien, um Dramaturgie, um stimmige Sprachbilder, es geht nicht um die Frage: Stimmt das alles überhaupt?

Zeit Online

Zu Zeiten der fake news sind Enthüllungen dieser Art besonders brisant und es wird enorm schwer werden, das Image des Spiegels beziehungsweise des gesamten Journalismus aufzubessern. Das möglicherweise größte Problem ist, dass nun alle Journalisten, auch die die verantwortungsbewusst und sauber arbeiten unter Generalverdacht fallen. Somit ist es an den Blättern, die Kontrollmechanismen anzupassen, um in Zukunft solche Manipulationen so unwahrscheinlich wie möglich zu machen.

Mögliche Lösungen für diese Strukturprobleme können darin bestehen, verstärkt auf Teamrecherchen zu setzen, bei denen sich die Journalisten gegenseitig kontrollieren, wie auch dieser Fall durch Juan Moreno aufgedeckt wurde, der zusammen mit Relotius recherchieren sollte (vgl. Heute+). Die „Geo“ verlangt von ihren Redakteuren unter anderem Telefonnummern oder Anschriften zur Überprüfung, ob beispielsweise Interview-Partner wirklich existieren (vgl. Spiegel Nr.52).

Claas Relotius und eine von ihm manipulierte Reportage

Thomas Tuma, stellvertretender Chefredakteur des „Handelsblatts“, äußert mit seiner Aussage, wir dürften

„Keine Angst vor der Wahrheit.“

Spiegel Nr.52

haben, zutreffende Kritik an aktuellen Entwicklungen im Journalismus. Weg vom Informationsmedium, hin zum Unterhaltungsmedium. Der Leistungsdruck von Außen, der bei freien Journalisten wesentlich höher ist, dürfte bei Relotius kaum aufgekommen sein. (Heute+) Die freien Journalisten müssen möglichst gute Produkte vorlegen, damit ihre Artikel gekauft werden. Daher kann man davon ausgehen, dass dieser Vorfall nicht der einzige dieser Art ist und auch nicht bleiben wird. Der Fall Relotius zeigt strukturelle Probleme, die Journalisten dazu drängen die Wahrheit zu vernachlässigen, um eine perfekte Story liefern zu können. Zumal die Kontrollsysteme nicht verhindern können, dass Fälschungen und Manipulationen wiederholt den Weg in den Druck finden.

Quellen

Interview von Heute+ vom 20.12.2018 : https://www.youtube.com/watch?v=Q7PBSRkKkdA

„Der Spiegel“, Ausgabe 52 vom 22.12.2018

Zeit Online: https://www.zeit.de/2019/01/journalismus-reportagen-wirklichkeit-aufklaerung-claas-relotius

Pädagogische Hochschule Freiburg: https://www.ph-freiburg.de/fileadmin/dateien/zentral/schreibzentrum/typo3content/journalistische_Werkstatt/A5_Broschuere_Reportage.pdf

Bildquellen

https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/spiegel-skandal-die-chefs-drohten-enthueller-mit-rauswurf-59177208.bild.html

Der Spiegel und sein Edel-Faker: Zwei Bewohner einer US-Kleinstadt zeigen, wie dreist Relotius Reportagen fälschte

Die Macht der Öffentlich-Rechtlichen – Gefahr für die Vielfalt der Presse?

Der Rundfunkstaatsvertrag, in dem zwischen allen 16 Bundesländern die Regeln für den Rundfunk aufgestellt und vereinheitlicht werden, ist ein Dokument, das seit Jahren regelmäßig überarbeitet wird. Genau solch eine Überarbeitung hatten die Öffentlich-Rechtlichen (also ARD, ZDF, Deutschlandradio) im Sinn, als sie am 29.09.2017 drei Berichte bei der Rundfunkkommission einreichten. In diesen Berichten sollte es um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehen, um Einsparungen, die Zusammenarbeit von ARD und ZDF und Programmausweitungen. Gerade diese Programmausweitungen sorgen für viel Unmut und Kritik in der Medienwelt.

 

Wünsche und Vorstellungen der Öffentlich-Rechtlichen

Es geht im Grunde um eine „crossmediale“ Aufstellung der Sender. Das bedeutet laut des Berichts der ARD, dass man die Rezipienten „frei zugänglich auf allen relevanten Wegen mit einem publizistischen Gesamtangebot“ versorgen muss. Dazu gehört auch mehr Freiheit im Internet, ein Medium, das heutzutage gerade bei den jüngeren Zielgruppen sehr viel mehr genutzt wird als zum Beispiel das Fernsehen. Das Internet ist bis jetzt durch Dinge wie die „Sieben-Tage-Regelung“ (Sendungen der Öffentlich-Rechtlichen dürfen höchstens sieben Tage im Netz verfügbar sein), das Verbot presseähnliche Inhalte zu publizieren und dessen Prüfung, durch den „Drei-Stufen-Test“ des Rundfunkrats, jedoch nicht so zugänglich für die Öffentlich-Rechtlichen. Denn: „bislang dürfen die Sender längere Texte nur online veröffentlichen, wenn diese einen direkten Bezug zu einer Sendung“ aufweisen. Gewünscht ist eine Lockerung dieser Untersagung.


„Wir stehen vor einem tiefgreifenden Umbau der ARD. Die Sender sind dabei, sich crossmedialer aufzustellen. Hörfunk, Fernsehen und Online müssen unter ein Dach.“
– Karola Wille, ARD-Vorsitzende


Kritik

Schon lange wird Kritik an der „Macht“ der öffentlich-rechtlichen Sender geübt. Vor allem die Gebührenfinanzierung steht im Fokus.
In der 41. jährlichen Ausgabe des „Spiegel“ (07.10.2017), die den Titel „Die unheimliche Macht“ trägt, findet man viel Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen. Die schon erwähnte „Reform des Rundfunks“, die sich ARD, ZDF und Deutschlandradio durch ihre Berichte erhoffen, wird hier getadelt.

Auch Stimmen anderer privater Zeitungsverleger werden laut: ARD und ZDF sind im Internet immer präsenter. Die Befürchtung ist, dass die Öffentlich-Rechtlichen nun auch beginnen Textjournalismus zu betreiben. Da auch diese journalistischen Aktivitäten im Internet dann durch die Gebührenfinanzierung enorm gefördert werden würden, könnten sich Nachteile für die privaten Anbieter entwickeln. Laut mancher Verleger heißt es sogar, dass ARD schon seit langem, trotz des Verbotes durch Kooperationen (z.B. Rechercheverbund NRD, WDR, „Süddeutsche Zeitung) Einfluss auf den Textjournalismus hat.
Gerade zu einer Zeit, in der die Presse sich durch zurückgehende Zeitungsverkäufe in einer Krise befindet, könnte dies eine große Bedrohung darstellen.


„Die Angebote von ARD und ZDF sind ja kostenlos. Und wenn da umfangreiche Textangebote im Netz zu finden sind, dann tun wir uns eben schwer, bezahlte Angebote angemessen zu vermarkten.“
– Helmut Heinen (ehem. Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger)


Fazit

Wie sich das Internet und die Rolle der Öffentlich-Rechtlichen in Zukunft entwickeln, kann man nur mutmaßen. Wichtig für die Diversität der Medien und die generelle Freiheit der Presse ist es, weiterhin zu gewährleisten, dass die Presse nicht vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk verdrängt oder gar ersetzt wird, während dieser den Rundfunkauftrag (nach §11 des Rundfunkstaatsvertrags) ausführt. Auf dem Weg dorthin scheinen wir zu sein: die Regierungschefin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, setzte bei der Jahreskonferenz der Ministerpräsidenten der Länder mit den Worten: „Also das Verbot der Presseähnlichkeit bleibt selbst verständlich erhalten“ ein „Signal an die Verleger“.

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Facebook Verknüpfung bei spiegel.de

Heute morgen war es noch Thema im Seminar Userbeteiligung im Journalismus: Gelebte Demokratie oder Gemotze? und jetzt sehe ich es bei Spiegel online. Facebook Verknüpfung zur Einbindung der Leser. Meine These, dass die Kommentatoren sich auch kritisch mit dem Medium selbst befassen sehe ich dadurch bestätigt. ^^

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Medienpreis des Deutschen Bundestages für Spiegel-Redakteure

Dirk Kurbjuweit und Christoph Schwennicke sind gestern mit dem Medienpreis Politik des Deutschen Bundestages ausgezeichnet worden. Das teilt der Deutsche Bundestag auf seiner Homepage mit. Die Journalisten erhielten den Preis für ihren Beitrag „Gefährliche Trägheit“ (Spiegel Nr. 20, 10.05.2008).

Die Spiegel-Redakteure konnten sich gegen 49 Mitbewerber durchsetzen. Kurbjuweit und Schwennicke gehen in ihrem Beitrag der Politikverdrossenheit in Deutschland nach. Mit „Gefährliche Trägheit“ hätten die Journalisten Maßstäbe gesetzt, „an denen sich jüngere Kollegen orientieren können“, so Jurymitglied Klaus Rost laut bundestag.de.

Vergeben wird der Medienpreis des Deutschen Bundestages von einer Jury, in der ausschließlich JournalistInnen über Wohl und Wehe der eingereichten Beiträge entscheiden. Der Jury gehören unter anderem Dr. Peter Frey, Tissy Bruns und Ulrich Deppendorf an. Die eingesendeten publizistischen Arbeiten beschränken sich dabei nicht allein auf überregionale Presseerzeugnisse, auch Fernseh-, Hörfunkbeiträge seien in diesem Jahr eingereicht worden. Auch die Regionalpresse habe sich mit Beiträgen beteiligt. Die Anzahl der Einsendungen habe sich laut bundestag.de übrigens im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.