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Im Reich der Schatten. Leben und Lieben im römischen Trier – ein mediales Raumtheater

Gaius Albinius Asper, ein reicher römischer Kaufmann, trauert um seine verstorbene Frau Secundia, als Merkur der Götterbote erscheint und ihm anbietet, seine Geliebte im Reich der Toten zu suchen. Der Protagonist zögert nicht lange und so beginnt für den Sterblichen eine Odyssee, bei der ihn der schelmische Gott begleitet und allerlei Dinge geschehen. Soweit die Rahmenhandlung, in der laut Flyer ‚berühmte Fundstücke des Landesmuseums die Hauptrolle‘[1] spielen sollen. Das mediale Raumtheater im Rheinischen Landesmuseum Trier will seinen Besuchern ‚Leben und Lieben im römischen Reich‘ näherbringen.

Zweifelsohne wurden bei der Umsetzung des Konzepts keine Kosten gescheut. Aufwendige Laserprojektionen lassen die steinernen Reliefs der Exponate lebendig erscheinen, abgebrochene Stücke, z.B. in den Gesichtern der Reliefs werden durch Licht und Schatten scheinbar wiederhergestellt und die verwitterte Farbe, der ursprünglich bunten Grabmonumente wird wieder sichtbar. In diesem Punkt kann die Installation wirklich überzeugen. Wäre da nicht die Stimme von Christoph Maria Herbst zu hören, der Merkur seine Stimme leiht. Es mag mir einfach nicht gelingen sie von Stromberg, dem nervigen Bürohengst aus der gleichnamigen Serie zu trennen, mit der Herbst zuletzt seine größten Erfolge feierte. Eine klare Fehlbesetzung. Aber es ist nicht nur die Stimme von Merkur, dem Götterboten, sondern auch sein Text. Der Dialog des reichen Kaufmanns, gesprochen von Peter Striebeck und Merkur, mit dem das Raumtheater beginnt, könnte flacher nicht geschrieben sein: ‚Ach ihr Menschen, versucht dies und das, um dem Tod zu entfliehen‘ und so weiter und so weiter hört man den Gott lamentieren, wie man es schon hunderte Male in billigen Sandalenfilmen gehört hat, die bevorzugt Sonntagsnachmittags auf drittklassigen privaten Fernsehsendern laufen. Das dümmliche Geschwätz bedient so ziemlich alle Klischees, erzeugt Null Spannung und verdirbt einem gänzlich den optischen Genuss, den die intelligente Beleuchtung zu bieten weiß. Mehr als einmal, musste ich mich dazu zwingen, die Vorstellung bis zum Ende zu verfolgen, weil die banale Dramaturgie einfach nur nervte. Dabei wurde extra eine Agentur (SchillerWendt[2]) aus Berlin bemüht, die laut eigener Homepage ‚Text für Ton und Bild‘ anbietet und bereits mehrere Preise gewonnen hat. Nur leider ist weder der prominente Firmensitz, noch diverse Preise ein Äquivalent von Qualität, geschwiege denn von Innovation. Das gleich zweimal verwendete Zitat „Nicht den Tod soll man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird, zu leben“ offenbart gleichsam eine gewisse Hilflosigkeit der Texter.

Die Geschichte vom trauernden Ehemann führt den Besucher über mehrere Stationen durch einen schlauchförmigen, halbrunden Museumsraum. Die Rahmenhandlung sollte getrost vernachlässigt werden, weil sie ohne hin nur das Gefährt darstellt, mit dessen Hilfe die Besucher von Monument zu Monument, quasi von Akt zu Akt geführt werden. Hier werden verschiedene Stationen des antiken Lebens in Trier visualisiert. In den teils kolossalen, teils kleineren Grabsteinen sind Szenen aus dem Alltag reicher Bürger eingemeißelt, die dank modernster Lasertechnik in längst vergangenen Glanz gehüllt werden und sich sogar zu bewegen scheinen. So sieht man z.B. eine Schulszene, darf die Frisur einer Wohlhabenden Frau beobachten und erfährt nebenbei, dass aus in Wein eingelegten, bereits verwesenden Blutegeln schwarze Farbe gewonnen wurde, mit der sich reiche Damen damals die Haare färbten. Bei einem Trinkgelage werden dem Zuschauer die verschiedenen Arten des antiken  Weinpanschens erklärt und quasi nebenbei die Götter- und Glaubenswelt der Trierer Bürger vor rund 1800 Jahren vermittelt. Ob es sich dabei um historische Tatsache handelt oder nur die Phantasie der Texter, kann ich als Laie nicht beantworten. Die Grabmonumente, wie auf dem Flyer angekündigt, stehen allerdings nicht wirklich im Mittelpunkt sondern sind die Lichteffekte die eigentlichen Stars der Inszenierung. Z.B. werden in der Höhe des gesamten Raumes in einem Winkel von 360° publikumswirksam Schlangen projiziert, als Medusa zum Leben erwacht und gegen Ende wird auf gleiche Weise eine schemenhaft dargestellte Orgie visualisiert, die durch hypnotisches Stöhnen akustisch unterlegt ist. Auch hier wird wieder kräftig in die die Klischeeschublade gegriffen. Dass sich Sex verkauft ist keine Neuigkeit, was das allerdings mit Geschichtsvermittlung  zu tun hat ist mir schleierhaft. Die eigentliche Hauptrolle spielen eindeutig die Laserprojektionen, die zugegebener Maßen als state of the art bezeichnet werden können. Ich persönlich hätte gerne etwas mehr Zeit gehabt, die Bemalung, v.a. die Farbgebung der Exponate in Ruhe zu betrachten. Auf die flache Story allerdings hätte ich gerne verzichtet. Die Veranstaltung ist eine Show. Oberflächlich und leicht verdaulich. Im Vordergrund stehen die Effekte, die Attraktion. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, schließlich muss Geschichte nicht zwangsläufig langweilig und farblos  sein. Dass bei den Besuchern, vor allem den jüngeren, allerdings ein Verständnis der kulturellen, architektonischen, handwerklichen, philosophisch und politischen Größe des römischen Reiches entsteht, auf dessen Fundament schließlich unsere heutige Kultur fußt, wage ich mehr als zu bezweifeln. Statt in einem Museum wähnt man sich in einem Freizeitpark.

Zur Betreuung durch die beiden Museumsmitarbeiter, die die Zuschauer während der Vorstellung begleiteten ist leider wenig Gutes zu berichten. Sie wiesen anfangs darauf hin, man solle einfach den Bildern und der Musik folgen. Das war jedoch aufgrund der Raumgröße gar nicht so einfach. Anstelle die Besucher auf ihrer Theatertour an die Hand zu nehmen und kleine Hinweise zu geben, wo denn die nächste Projektion zu erwarten sei, trotteten die beiden Herren stillschweigend der kleinen Gruppe hinterher und sagten kein einziges Wort. Eine angeleitete Rezeption, so wie es zu Zeiten des Stummfilms der Filmvorführer ermöglichte, wäre wirklich eine Wohltat gewesen und hätte die ganze Vorstellung um einiges angenehmer gemacht. Stattdessen wurde auf fragende Blicke der Zuschauer nicht reagiert und die ständige Unsicherheit, wohin die Aufmerksam denn nun zu richten sei, wurde auf die Dauer zur echten Geduldsprobe. Am Ende der Vorführung antwortete einer der beiden Herren allerdings bereitwillig auf meine Frage, wie viel denn diese Sache gekostet habe: „1,8 Millionen Euro. Davon hat das Land Rheinland-Pfalz die Hälfte übernommen und die andere Hälfte kommt von der EU.“ Ein stolzer Preis für 45 Minuten Unterhaltung, wenn man sich überlegt, dass z.B. in Sachen Bildung im Normalfall von leeren Kassen die Rede ist.