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True Fruits: Wo der Kunde (kein) König ist

Durch soziale Netzwerke ist die Kommunikation zwischen Kunde und Hersteller einfacher, schneller und persönlicher geworden.

Ein Posting auf der Facebook-Seite ist schnell hochgeladen und genau so schnell kommentiert. Das birgt Konfliktpotenzial. Alleine dieses Jahr musste sich Gucci Rassismusvorwürfen, Lidl Sexismusvorwürfen und McFit Homophobievorwürfen stellen. Die Strategie mit Empörung, die in genannten Fällen auch sehr schnell zu sogenannten „Shitstorms“ ausarten können, umzugehen ist meist dieselbe. Marketingexperten empfehlen: Entschuldigen, Verständnis zeigen und Besserung versprechen. Und jetzt kommt True Fruits und macht alles falsch?

True Fruits steht unter fortlaufender Kritik für ihre Marketingkampagnen. Auf Instagram und Facebook bewerben sie ihre Smoothies mit derben Sprüchen. Dabei spielen sie oft mit Doppeldeutigkeit. So wurde zum Beispiel eine wiederverwendbare Flasche mit Trinkaufsatz mit dem Slogan „abgefüllt und mitgenommen“ beworben. Andere Säfte, die Chia-Samen enthalten mit Slogans wie „besamt & befruchtet“, oder „bei Samenstau schütteln“. Dafür wurden sie heftig kritisiert – Förderung von „Rape Culutre“ und Sexismus war der Vorwurf.  

An einem weiteren Beispiel ist gut zu erkennen, wie schnell Kommunikation im Internet schief gehen kann. Eine Kampagne in Österreich, die laut True Fruits Kritik an der rechten Flüchtlingspolitik Österreichs war, wurde von vielen als Rassismus aufgefasst, einzelne Motive wurden aus dem Zusammenhang gerissen und mehrfach auf Sozialen Netzwerken geteilt.

Die Reaktion von True Fruits – in die Offensive gehen. In einem auf Facebook veröffentlichten Statement bezeichnen sie die Empörten als „Dumme“, die ihrer Art der Kommunikation missverstehen. Anstatt zurückzurudern und einen versöhnlichen Diskurs anzustoßen versenden sie ein „kräftiges Fuck You!“ an alle die „Hetze“ gegen sie Betreiben.

True Fruits spaltet das Internet. Viele Befürworter finden es gut, dass sie sich treu bleiben. Kritiker beschweren sich über Uneinsichtigkeit und werfen dem Unternehmen vor auf Kosten von Minderheiten Aufmerksamkeit zu generieren.  

Die Reaktion spiegelt das Bild wieder, was das 27-köpfige True Fruits Team von sich selbst hat und auch nach außen trägt. Sie wollen kein gesichtsloses Unternehmen sein. Authentizität ist ihnen sehr wichtig und dabei wollen sie sich eine gewisse Unprofessionalität wahren. Sie stehen hinter all ihren Slogans, Motiven und Kommentaren im Internet. Eine externe Marketingabteilung gibt es nicht. 

„Everybody’s Darling is everybody’s Arschloch!“

Nicolas Lecloux

True Fruits will es nicht jedem Recht machen. Sie haben ein großes Vertrauen in ihre Kunden. Diese „Freundschaft“, wie die Gründer es bezeichnen, lässt sich nur schwer erschüttern. Sie haben eine Zielgruppe und dieser wird zugetraut den verwendeten Humor zu verstehen. Dass sie dabei vielen Leuten auf den Schlips treten, welche die klassische Erwartungshaltung „der Kunde ist König“, oder „der Kunde hat immer recht“, für sich verinnerlicht haben, interessiert sie wenig. Der steigende Umsatz, der 2017 bei 43 Mio. Euro lag, zeigt, dass sie mit dieser Strategie bisher großen Erfolg haben.

Was die Zukunft bringt wird sich zeigen. Aufmerksamkeit haben sie zurzeit zur Genüge. Es gibt viele die sich solidarisieren, aber eben auch viele die fest entschlossen sind True Fruits einen Strich durch die Rechnung zu machen. Eine Petition, die den Verkauf von True Fruits in Supermärkten stoppen will und zum Boykott aufruft, hat zur Zeit mehr als 31.000 Unterstützer.

Quellen

Missverständnis oder Fremdenfeindlichkeit?

Frankreich-  Der Bürgermeister  Christian Lecler von der Gemeinde Champlan verweigerte einem Roma-Baby die Beerdigung in  der Gemeinde.

Das zwei Monate alte Mädchen Maria Francesca starb am 26. Dezember 2014 am plötzlichen Kindstod, in einem Krankenhaus bei Champlan. Der Antrag, den die Familie zur Beerdigung stellte, wurde ohne Begründung von Bürgermeister Lecler abgelehnt. Ablehnungen einer Beerdigung sei laut Bestatter „sehr selten“.  Ein Verein zur Unterstützung der Roma bezeichnete Leclers Antargs-Ablehnung als „Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Stigmatisierung“. Später wurde publiziert, dass die Ablehnung daher zu begründen sei, dass es an Platzmangel hersche und man daher Antragsteller bevorzuge die Steuern zahlen.  Lecler weißt die Anschuldigungen von sich und erklärt es handele sich um ein Missverständniss. Das Thema führte in Frankreich zu großer Aufruhr.

Handelt es sich nun um ein Missverständniss oder um Fremdenfeindlichkeit?

„Zu keinem Zeitpunkt habe ich mich dieser Bestattung widersetzt, die ganze Sache wurde aufgebauscht“ erklärte Lecler, nach dem ihm Rassismus vorgeworfen wurde. Er sagt, es könne zu einem Missverständniss zwischen ihm und der Verwaltung der Gemeinde gekommen sein. Es gab zwei Möglickeiten für den Standort der Beerdigung und er habe sein Einverständniss für eine Möglichkeit gegeben. Eine SMS sei möglicherweise falsch verstanden worden. Hierbei wirft sich mir die Frage auf, wieso man solch eine Angelegenheit per SMS klärt. Meiner Meinung nach eine Unmöglichkeit.

Zudem sagte Leclers zu seiner Aussage bezüglicher der  Antragsteller die Steuern zahlen, wäre aus dem Zusammenhang gerissen und die Verbindung mit dem Journalisten wäre undeutlich gewesen. Handelt es sich also um einen Journalisten der einen Skandal provozieren möchte? Meiner Meinung nach ein kläglicher Versuch von Lecler sein Image zu retten. Die problematische Situation der Roma in Frankreich ist bekannt und da hätte ihm klar sein müssen eine besondere Sorgfalt an den Tag zulegen. Gerade wenn die Verbindung schlecht gewesen sein sollte hätte er doch nachhaken müssen. Lecler sollte sich eigentlich im Umgang mit Journalisten auskennen und zu präsentieren wissen, ein solcher Skandal als Missverständniss abzutun, für mich etwas undurchsichtig. Zudem kommt noch hinzu, dass Lecler politisch rechts eingestellt sei.

Für mich sieht es nicht wie ein Missverständniss aus sondern definitiv nach einem Fehlverhalten Leclers. Seine Aussagen wirken ausweichend und nicht überzeugend. Lecler sollte auf jeden Fall seine Arbeit als Bügermeister sorgfältiger nachgehen, damit es erst gar nicht zu solchen Problemen kommt, sowie ein Feingefühl an den Tag legen.

Das Kind wurde in der Nachbargemeinde Wissous begraben, die ohne viel Aufsehen eingesprungen ist.
Lecler hat seine Einstellung durch sein Verhalten und späteres Taktieren bewiesen, die eigene Stärke im Umfeld überschätzt. Durch sein zudem ungeschicktes Verhalten wird er sich politisch wohl kaum von den Vorwürfen erholen und die Quittung erhalten.

Quellenangaben:

1) n-tv: „Politiker verbietet Beerdigung für Roma-Baby“

2) Stern: „Bürgermeister verweigert Beerdigung von Roma-Baby“

3) Handelsblatt: „Bürgermeister verweigertRoma-Baby die Beerdigung“

4) SRF: „Beerdigung von Roma-Baby verweigert- Bürgermeister wiederspricht“

5) Süddeutsche.de : „Rechter Bürgermeister spricht von einem Missverständniss“

6) derStandard.at: „Verweigerte Bestattung eines Roma-Babys: Bürgerweister weist Vorwürfe zurück“

 

Der letzte Zukunftsmarkt für schlecht informierte Journalisten

Beim Lesen der Wochenzeitung DIE ZEIT kann man manchmal erschrecken. Marcus Rohwetter schreibt über das westafrikanische Land Ghana und macht dabei entscheidende Fehler.

Das Thema des Artikels ist unterstützenswert. Es geht um die Modernisierung der Abläufe in der Landwirtschaft, wie sie der Softwarekonzern SAP in Ghana voran treibt. Dabei ist gut, dass Rohwetter nicht so penetrant Mitleid erzeugen will wie das an vielen anderen Artikeln über Afrika beobachtet werden kann.

Die Umrechnung von Bauer Darris Jahresumsatz auf „Pro-Kopf-Tagessatz“ deutet jedoch eine Mitleidsnummer an. Nur fünfzig Cent am Tag. Die Armen.

Rassismus ist im Artikel kaum zu spüren.

Nur, dass der Paramount Chief „Häuptling“ genannt wird…

„Häuptling“. Da denkt man gleich an „Stamm“. Oder von mir aus „Neger“. (vgl. Arndt)

Der Artikel versucht keine großen Ausführungen über die ghanaische Kultur. Vielmehr wird eine leichte Ignoranz gegenüber derselben in folgender Aufzählung deutlich:

„Uhr, Mütze, Cola, Telefon. Das sind die Statussymbole von John Darri.“

Ein Handy hat fast jede_r in Ghana. Auf dem Bild trägt der Bauer Darri ein traditionelles Chief-Oberteil, das aus Kente gefertigt wurde. Das ist ein Statussymbol. (vgl. Andanquah)

Wie ein Geist erscheint mir der letzte Satz des Infokastens am Rande des Artikels:

„Vor allem die Region südlich der Sahara dürfte auch weiterhin stark wachsen.“

Was heißt hier Region? Dutzende Staaten, hunderte Millionen von Menschen.

Herr Rohwetter hat eben Ahnung von Wirtschaft und Technik. Er erklärt ein System, mit dem SAP den Handel optimiert. Ghana dient nur als Hintergrund. Schade eigentlich.

Vielleicht muss jemand ja auch gar nicht so genau wissen, wie es da ist, in Afrika, um darüber zu schreiben.

Nein, im Ernst. In China essen sie Hunde. Und bei DER ZEIT, da schreiben sie Texte.

 

Quellen:

Rohwetter, Marcus (2011): Der letzte Zukunftsmarkt; in: DIE ZEIT, Nr. 45, [http://www.zeit.de/2011/45/Ghana-SAP] 07/11/2011

Arndt, Susan (2004): Kolonialismus, Rassismus und Sprache, [http://www.bpb.de/themen/2IQNTS,0,0,Kolonialismus_Rassismus_und_Sprache.html] 07/11/2011

Anquandah, James (2006): Splendour of Traditional Art, S. 2f, [http://www.ghanaculture.gov.gh/modules/mod_pdf.php?sectionid=506] 07/11/2011

Wenn ich von Rassismus spreche gehe ich von der Definition von Memmi aus: „Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.“ Albert Memmi (1994), Rassismus, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg, S. 103 u. 164