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Die Macht der Öffentlich-Rechtlichen – Gefahr für die Vielfalt der Presse?

Der Rundfunkstaatsvertrag, in dem zwischen allen 16 Bundesländern die Regeln für den Rundfunk aufgestellt und vereinheitlicht werden, ist ein Dokument, das seit Jahren regelmäßig überarbeitet wird. Genau solch eine Überarbeitung hatten die Öffentlich-Rechtlichen (also ARD, ZDF, Deutschlandradio) im Sinn, als sie am 29.09.2017 drei Berichte bei der Rundfunkkommission einreichten. In diesen Berichten sollte es um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehen, um Einsparungen, die Zusammenarbeit von ARD und ZDF und Programmausweitungen. Gerade diese Programmausweitungen sorgen für viel Unmut und Kritik in der Medienwelt.

 

Wünsche und Vorstellungen der Öffentlich-Rechtlichen

Es geht im Grunde um eine „crossmediale“ Aufstellung der Sender. Das bedeutet laut des Berichts der ARD, dass man die Rezipienten „frei zugänglich auf allen relevanten Wegen mit einem publizistischen Gesamtangebot“ versorgen muss. Dazu gehört auch mehr Freiheit im Internet, ein Medium, das heutzutage gerade bei den jüngeren Zielgruppen sehr viel mehr genutzt wird als zum Beispiel das Fernsehen. Das Internet ist bis jetzt durch Dinge wie die „Sieben-Tage-Regelung“ (Sendungen der Öffentlich-Rechtlichen dürfen höchstens sieben Tage im Netz verfügbar sein), das Verbot presseähnliche Inhalte zu publizieren und dessen Prüfung, durch den „Drei-Stufen-Test“ des Rundfunkrats, jedoch nicht so zugänglich für die Öffentlich-Rechtlichen. Denn: „bislang dürfen die Sender längere Texte nur online veröffentlichen, wenn diese einen direkten Bezug zu einer Sendung“ aufweisen. Gewünscht ist eine Lockerung dieser Untersagung.


„Wir stehen vor einem tiefgreifenden Umbau der ARD. Die Sender sind dabei, sich crossmedialer aufzustellen. Hörfunk, Fernsehen und Online müssen unter ein Dach.“
– Karola Wille, ARD-Vorsitzende


Kritik

Schon lange wird Kritik an der „Macht“ der öffentlich-rechtlichen Sender geübt. Vor allem die Gebührenfinanzierung steht im Fokus.
In der 41. jährlichen Ausgabe des „Spiegel“ (07.10.2017), die den Titel „Die unheimliche Macht“ trägt, findet man viel Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen. Die schon erwähnte „Reform des Rundfunks“, die sich ARD, ZDF und Deutschlandradio durch ihre Berichte erhoffen, wird hier getadelt.

Auch Stimmen anderer privater Zeitungsverleger werden laut: ARD und ZDF sind im Internet immer präsenter. Die Befürchtung ist, dass die Öffentlich-Rechtlichen nun auch beginnen Textjournalismus zu betreiben. Da auch diese journalistischen Aktivitäten im Internet dann durch die Gebührenfinanzierung enorm gefördert werden würden, könnten sich Nachteile für die privaten Anbieter entwickeln. Laut mancher Verleger heißt es sogar, dass ARD schon seit langem, trotz des Verbotes durch Kooperationen (z.B. Rechercheverbund NRD, WDR, „Süddeutsche Zeitung) Einfluss auf den Textjournalismus hat.
Gerade zu einer Zeit, in der die Presse sich durch zurückgehende Zeitungsverkäufe in einer Krise befindet, könnte dies eine große Bedrohung darstellen.


„Die Angebote von ARD und ZDF sind ja kostenlos. Und wenn da umfangreiche Textangebote im Netz zu finden sind, dann tun wir uns eben schwer, bezahlte Angebote angemessen zu vermarkten.“
– Helmut Heinen (ehem. Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger)


Fazit

Wie sich das Internet und die Rolle der Öffentlich-Rechtlichen in Zukunft entwickeln, kann man nur mutmaßen. Wichtig für die Diversität der Medien und die generelle Freiheit der Presse ist es, weiterhin zu gewährleisten, dass die Presse nicht vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk verdrängt oder gar ersetzt wird, während dieser den Rundfunkauftrag (nach §11 des Rundfunkstaatsvertrags) ausführt. Auf dem Weg dorthin scheinen wir zu sein: die Regierungschefin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, setzte bei der Jahreskonferenz der Ministerpräsidenten der Länder mit den Worten: „Also das Verbot der Presseähnlichkeit bleibt selbst verständlich erhalten“ ein „Signal an die Verleger“.

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Polen verabschiedet umstrittenes Mediengesetz

Ein Kampf um die Meinungsvielfalt in den öffentlich-rechtlichen Medien und die Zukunft der kommerziellen Medien

Seit der Parlamentswahl im Oktober 2015 verfügt die  nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (“PiS”) über die absolute Mehrheit im Warschauer Parlament und verabschiedet seitdem im Eiltempo eine Reihe umstrittener Gesetze, die den polnischen Staat reformieren sollen.

Die neue nationalkonservative Regierung Polens: Ministerpräsidentin Beata Szydlo,  PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und sein Vize Ryszard Terlecki    © dpa

Mitte Dezember wurde zunächst das alte Verfassungsgericht als Hüterin der Demokratie entmachtet. Die Arbeit der Verfassungshüter wird damit neu geregelt und erheblich erschwert. Die Regierung bestimmte bereits fünf neue Verfassungsrichter und löste damit eine Welle der Kritik von Opposition,  Medien und ausländischen Politikern aus.

Zum Jahreswechsel wurde im Eilverfahren ein neues Mediengesetz verabschiedet, dass die Säuberung der öffentlich-rechtlichen Medien und des Beamtenapparats erleichtern soll. So wird es der rechtskonservativen Regierung nun möglich sein, Direktoren der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender zu berufen, die Zahl der Kontrollratsmitglieder der Stationen zu begrenzen und die Mandate der derzeitigen Amtsträger zu beenden.

Außenminister Waszczykowski: „Wir wollen lediglich unseren Staat von einigen Krankheiten heilen, damit er wieder genesen kann.” © REUTERS

„Wir wollen lediglich unseren Staat von einigen Krankheiten heilen, damit er wieder genesen kann“,  sagte Polens Außenminister Witold Waszczykowski der “Bild“-Zeitung. Bei den Medien sei unter der Vorgänger-Regierung ein bestimmtes linkes Politik-Konzept verfolgt worden. „Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen – zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energie setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen.” Das habe mit traditionellen polnischen Werten nichts zu tun, so Waszcykowski.

Kurz nach Verabschiedung des Gesetzes folgte eine Rücktrittswelle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Direktoren von vier Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsender TVP reichten ihren Rücktritt ein. Damit wollten sie offenbar ihrer Entlassung zuvorkommen, die sie durch das neue Mediengesetz befürchteten.

Nicht nur internationale Journalisten- und Medienorganisationen hatten das Gesetz scharf kritisiert. Auch EU-Kommissar Günther Oettinger sieht in Polens neuem Mediengesetz Gefahren für die Pressefreiheit.

Günther Oettinger: „Ein Intendant darf nicht ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Das wäre Willkür.“ © dpa

Eine EU-Kommission beschäftigt sich am 13.Januar bei ihrer 1. Sitzung im neuen Jahr über die Lage in Polen. Sie sieht durch die Eingriffsmöglichkeiten der Regierung die Unabhängigkeit der Medien bedroht. Die geplante Beratung ist die Vorstufe zu einem  Prüfverfahren, das die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit durch die Mitgliedstaaten überwachen soll.

„Es spricht viel dafür, dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau unter Aufsicht stellen“, sagte der für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Der Rechtsstaatsmechanismus der EU wurde 2014 eingeführt und sieht einen verstärkten Dialog mit einem Mitgliedsland vor, wenn die EU-Kommission Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit befürchtet. Wenn das Mitglied nicht auf Änderungswünsche der Kommission reagiert, droht ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen europäische Grundwerte. Bei „schwerwiegender und anhaltender Verletzung“ der im EU-Vertrag verankerten Werte kann in letzter Konsequenz das Stimmrecht des Landes bei Ministerräten und EU-Gipfeln entzogen werden. Weil diese Sanktion so hart ist, kam sie bislang nicht zum Einsatz. Diplomaten sprechen von einer „Atombombe“.

Tagesschau vom 03.01.2016 20:15 Uhr: EU Kommission droht Polen wegen Mediengesetz mit Aufsicht

 

Quellen:

http://www.tagesschau.de/thema/mediengesetz/

http://www.welt.de/politik/article150505395/Parlament-verabschiedet-umstrittenes-Mediengesetz.html

http://www.tagesspiegel.de/politik/polen-das-mediengesetz-und-die-eu-polens-aussenminister-gegen-welt-aus-radfahrern-und-vegetariern/12784944.html

http://www.tagesspiegel.de/politik/protest-gegen-mediengesetz-ruecktrittswelle-im-polnischen-rundfunk/12783122.html

http://www.welt.de/politik/ausland/article150570603/Ist-Polen-fuer-euch-nur-Lieferant-billiger-Arbeiter.html