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brand eins – Ab durch die Mitte

Das will die neue Gesellschaft

„Die bewegte Mitte“ heißt die Schwerpunktkategorie in der Märzausgabe des ‚brand eins‘ Wirtschaftsmagazins. Insgesamt 15 Artikel auf  beschäftigen sich auf 91 Seiten mit dem Thema rund um innovative mittelständische Unternehmen, Trends in der Arbeitswelt, Burn Out, Lifestyle, Stadtplanung,  u.s.w.. Eingeleitet wird der Schwerpunkt durch einen ‚Prolog‘: „Mehr Durchschnitt braucht kein Mensch“. Auf der Seite 41 werden für den lockeren Einstieg einige Mittelwerte für Deutschland tabellarisch präsentiert, z.B. die durchschnittlichen Ausgaben für eine Hochzeit (14.800 €), für eine Scheidung (2.100 €) und eine Beerdigung (7.000 €). Woher die Daten stammen erfährt man nicht, was allerdings auch nicht weiter tragisch ist. Es ist unterhaltsam.

Besonders interessant für diesen Blog war ein Artikel über eine neue Frauenzeitschrift namens: „Missy Magazin„. Die Zeitschrift mir einer Auflage von 20.000 Exemplaren hat eine Leserschaft gefunden, von denen ( laut brand eins) die Marktforschung nichts weiß: „unverheiratete Frauen zwischen 20 und 40, die Kreativjobs machen, in Großstädten leben wollen, spät Kinder kriegen, besser ausgebildet sind als ihre Mütter und ihre ganz eigenen Bedürfnisse haben“. Die Zeitschrift versucht, anders als z.B. Brigitte ein breites Rollenangebot zu liefern. So verwundert es nicht, dass die drei Chefredakteurinnen (alle Anfang 30) in irgend einer Form Kulturwissenschaften studierten und sich ausgiebig mit der Gendertheorie beschäftigt haben. Frauen die Computer-Nerds sind gehören demnach genauso zum Zielpublikum wie die Heimwerkerin. Als reine Medienkritik kann man den Artikel mit der Überschrift „Für freche Gören“ allerdings nicht verstehen, eher als Mixtur aus Portrait und Kritik, weil die Herausgeberinnen insgesamt die größere Rolle spielen.

Apropos Portrait: Aus der „neuen, bewegten Mitte“ werden außerdem ein Kunsthandwerker (Maler), zwei Internetfirmen Gründer, eine Gestalterin, die kürzlich ein 3000 Seiten dickes „Lesikon der visuellen Kommunikation“ veröffentlichte und ein junger Mann, der bereits mit 15 sein erstes Unternehmen gegründet hat vorgestellt. Letzterer hat auch eine neue App für das Magazin programmiert. „Gefunden“ wurde der junge Mann übrigens, weil er brand eins Artikel veröffentlichte und von einem Redakteur auf die Urheberrechtsverletzung aufmerksam gemacht wurde. Wie der Zufall so spielt…

Neben diesen hippen Erfolgsmenschen kommen allerdings auch die Kritiker der „neuen Mitte“ zu Wort, wie z.B. der Soziologe Hartmut Rosa, der übrigens schon an der Uni Trier einen Vortrage über die gesellschaftliche Beschleunigung gehalten hat: „Nicht die Gier regiert die Welt die Welt, sondern die Angst“ und weiter heißt es nach Rosa: „Es gibt kein Ziel, das man erreichen kann. Man kommt nirgendwo hin, sondern muss immer schneller werden, um seinen Platz zu halten.“

Alles in allem ist die Märzausgabe der brand eins ein anregender Lektürestoff, der das Thema der „neuen Mitte“, anders als man es von einem Wirtschaftsmagazin vielleicht erwartet, durchaus differenziert betrachtet und mit einigen interessanten Beispielen zu illustrieren weiß. Bei einem Preis von 7,60 € pro Ausgabe, kann man das allerdings auch erwarten. Die Strategie des Magazins um die Chefredakteurin Gabriele Fischer, scheint jedenfalls aufzugehen, wie man den sehr schön aufgearbeiteten Grafiken entnehmen kann.