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Sprachschützer küren „Schlagzeile des Jahres“ … so what?

Der Verein Deutsche Sprache e.V. (VDS) hat die Schlagzeile des Jahres gekürt. Die Jury, bestehend aus dem Vereinsvorsitzenden Walter Krämer, sowie Journalisten und Sprachwissenschaftlern, wählte aus 96 eingegangenen Vorschlägen, die Schlagzeile „Politik. Macht. Einsam“ aus dem Stern (Ausgabe 43/2012) zu ihrer Nummer 1. Die Schlagzeile leitete einen Bericht über Linken-Politiker Gregor Gysi ein und fasse laut Jury „besser als mancher langer Text zusammen warum Politik tatsächlich einsam macht.“

Laut VDS-Homepage gibt es scheinbar nur zwei Kriterien für ihre persönlichen Schlagzeilen des Jahres: „Einmal dafür, dass sie das Wesentliche eines Beitrags in wenigen Worten zusammenfassen, und zweitens für ihre kreative Nutzung des wortspielerischen Reichtums, über den die deutsche Sprache nicht weniger als andere verfügt.“ Leider funktionieren diese Kriterien allerdings nur zusammen, wenn man sich auf die unterhaltenden Darstellungsformen des Journalismus beschränkt.

Sprachliche Kreativität ist im Geschäft der harten Nachrichten nicht wirklich gefragt, sondern zuverlässige und präzise Informationen für das Publikum. Und so haben es auch nur Schlagzeilen in die Liste geschafft, die mal mehr und mal weniger kreativ mit Sprache spielen, das aber auch tun können, weil der inhaltliche Schwerpunkt entweder z.b. mehr auf bunten Themen lag oder es sich dabei um Kommentare handelte. Wie auch immer, in jedem Fall konnten die Erzeuger der Schlagzeile nur kreativ werden, weil es Inhalt, Darstellungsform, das Image und die Eigenschaften des jeweiligen Mediums (darunter auch BILD, Deutsche Bahn mobil [???], test-Zeitschrift) erlaubte.

Die Kritik gilt hier nicht den Schlagzeilen-Erzeugern sondern der undifferenzierten Wahl zur Schlagzeile des Jahres daselbst. Hier wäre wenigstens eine Einordnung in Kategorien wünschenswert. Zudem kann eine Schlagzeile auch nicht entkoppelt vom zugehörigen Text und ohne Betrachtung seiner Qualität bewertet werden. Was bringt mir denn eine kreative Schlagzeile wenn der Beitrag an sich nicht lesenswert ist.

Aber bei der Wahl zur Schlagzeile des Jahres geht es ja anscheinend weniger um journalistische Qualität. Es geht um das Hauptziel des VDS, die deutsche Sprache, die ja „[…| nicht weniger zur Nutzung ihres wortspielerischen Reichtums als andere Sprachen geeignet ist […], vom Einfluss der angloamerikanischen Sprache (sie schwächt laut Leitlinie des VDS die sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit der europäischen Länder) zu beschützen. Um dieses Ziel zu erreichen veranstaltet der VDS also eine Wahl zur Schlagzeile des Jahres deren einziges und wichtigstes Kriterium die Emanzipation der deutschen Sprachkultur von der englischen Sprache zu sein scheint.

Bemerkenswert ist zudem, dass die Schlagzeile „Kampf dem organisierten Versprechen: Ein deutscher Professor tadelt die Sprachpanscher“ aus dem Hamburger Abendblatt auf Platz 6 landet. Besagter Professor, der in dem Beitrag die Sprachpanscher tadelt ist nämlich, wer hätte es gedacht: Walter Krämer, der Vorsitzende des VDS.

Die taz beschwerte sich zudem in ihrem Hausblog, dass die Schlagzeile auf Platz 2 des VDS-Rankings „Biosprit: Essen auf Rädern“, der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung zugeschrieben wird. Die taz hätte sie schon einen Tag vorher auf Seite 1 gehabt. Schlecht recherchiert? Egal, um Journalismus geht es bei der Wahl ja nicht. Sie dient dem VDS nur als Vehikel für eine Pressemitteilung um mediale Aufmerksamkeit zu generieren und ist somit reiner Selbstzweck und nicht ernst zu nehmen.

 

Soziale Medien: Respektloser Umgangston bei weiblichen Jugendlichen?

Die sozialen Medien oder auch „Social Media“ sind im heutigen Alltag allgegenwärtig. Das Angebot erstreckt sich von Weblogs über Soziale Netzwerke bis hin zu Wikis und Podcasts. Jeder kann und soll an den Angeboten der neuen Medien partizipieren, was zwangsläufig eine direktere Form der Kommunikation bedingt und fördert.

Die Vereinigung Plain English Campaign spricht sich seit 1979 in Großbritannien für einen korrekten Sprachgebrauch, sowohl im inhaltlichen als auch formalen Sinn, und gegen politische Desinformation aus. Eine Vertreterin der Vereinigung äußerte nun gegenüber der Daily Mail, die durch Facebook, Twitter und Co. geforderte Kürze würde einen direkten, unhöflichen und respektlosen Kommunikationston bei Jugendlichen fördern. Insbesondere betroffen von dieser Entwicklung seien weibliche Personen, da sie allgemein mehr kommunizieren würden.

Dieser Ansicht widerspricht die Universität Zürich. In einem Forschungsprojekt kam man zu dem Ergebnis, dass neue Medien keinen Einfluss auf den Schreibstil hätten. Des Weiteren sei ein Trend zu Verkürzung und Informalität in der mündlichen Kommunikation bereits seit den 70er Jahren zu beobachten. Eine Verstärkung dieses Trends durch die Massenmedien liegt zwar im Bereich des Möglichen, Gründe und Ursachen des Sprachwandels sind allerdings vielfältig und nicht immer eindeutig benennbar.

Der Einfluss der Interdependenz zwischen Sprachentwicklung und Medienkonsum findet sich in der Jugendsprache im  vermehrten Gebrauch von Abkürzungen wie „LOL“ wieder, für einen aggressiveren Sprachton gibt es wiederrum keine Beweise. Auch die These Mädchen würden, aufgrund ihrer erhöhten Kommunikationsfreude, verstärkt zu direkteren Formulierungen greifen, ist nicht belegbar. Zwar weisen Mädchen schon in der Pubertät eine erhöhte Experimentierfreudigkeit im Bezug auf sprachliche Formulierungen auf, allerdings gibt es Hinweise, dass Frauen im späteren Verlauf sprachlich normkonformer agieren als ihre männlichen Gesprächspartner. Eine Entwicklung hin zu mehr Direktheit könnte demnach also sogar von Vorteil für das weibliche Geschlecht sein, wenn es die denn gäbe…

 

 

Quellen:

http://www.pressetext.com/news/20120703002 (04.07.2012, 0:30 Uhr)

http://www.plainenglish.co.uk/ (04.07.2012, 1:00 Uhr)

http://www.ds.uzh.ch/ (04.07.2012, 1:00 Uhr)

Geschlechterdarstellung in den Medien

Heute  um 15 Uhr haben die letzten 2.800 Schlecker-Filialen in Deutschland ihre Türen geschlossen. Damit verlieren rund 14.000 Mitarbeiter Ihren Job.

Doch wer sind diese Mitarbeiter?

In den Medien ist fast ausschließlich der Begriff „Schlecker-Frauen“ zu finden. Doch ist dieser Begriff korrekt? Unterdrückt er nicht etwa die Minderheit der männlichen Mitarbeiter? Auch wenn ein Großteil der Schlecker-Mitarbeiter weiblich ist, sollten nicht auch die männlichen Mitarbeiter erwähnt werden?

Mit einer solchen Darstellung wird beispielsweise das Klischee des Einzelhandels als Frauendomäne nur verfestigt.

Hier die Fakten:

95 Prozent der Schlecker-Mitarbeiterschaft waren/sind Frauen.

Doch was ist mit den restlichen 5 Prozent? Diese bleiben in den Medien gänzlich unerwähnt.

Ich möchte diese Tatsache mit der Bundeswehr vergleichen:

Derzeit gibt es bei der Bundeswehr 197.272 aktive Soldatinnen und Soldaten. Die Zahl der Soldatinnen beläuft sich auf gerade einmal 18.064. Das sind 9%.

Spätestens seit dem Unfall auf der Gorch Fock ist das Thema Frauen bei der Bundeswehr trotz der zu vernachlässigenden 9% aktuell und es wird auf eine gleichberechtigte Darstellung gepocht. Frauen werden immer wieder im Zusammenhang mit der Bundeswehr erwähnt. Beim Besuch des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg in Afghanistan und dessen Interview mit Johannes B. Kerner waren überdurchschnittlich viele Soldatinnen im Studio. Eine Öffnung der Bundeswehr für Frauen sollte so suggeriert werden. Auch die Bundeswehr selbst setzt spätestens seit dem Aussetzen der Wehrpflicht auf eine gleichberechtigte Darstellung von Mann und Frau in den Medien. So wird auf dem Karriere-Portal der Bundeswehr für jeden Bereich je ein Mann und eine Frau dargestellt. Nach Jörg Keller werden Soldatinnen in dem Medien allerdings noch immer fast nur im Sanitätsdienst, fern von Kampfhandlungen und im Vergleich zu männlichen »Kameraden« in passiveren und untergebenen Rollen und Funktionen gezeigt.

Frau Dr. Marion Gierden-Jülich sagte 2010 auf dem internationalen Frauentag in Köln: „Medien tragen maßgeblich zur Meinungsbildung bei und bestimmen somit das Tempo der Gleichberechtigung in entscheiden­dem Maße mit“.

Durch die Darstellungsweisen von Soldatinnen in den Medien und dem begriff „Schlecker-Frauen“ wird die Gleichberechtigung allerdings nicht wirklich vorangetrieben.

Die Medien sollten, meiner Meinung nach und im Hinblick auf die Gleichberechtigungsdebatte, etwas mehr Feingefühl bei der Wort-/Begriffswahl zeigen und den Begriff der „Schlecker-Frauen“ korrigieren.

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Quellen:

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/schlecker360.html (Letzter Abruf: 27.06.2012)

http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/schlecker-frauen-anschlussbeschaeftigt-als-opfer-a-840500.html (Letzter Abruf: 27.06.2012)

http://www.han-online.de/Harburg-Land/article91116/Eine-letzte-Wuerdigung-fuer-die-Schlecker-Frauen.html (Letzter Abruf: 27.06.2012)

http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/streitkraefte/grundlagen/staerke/ (Letzter Abruf: 27.06.2012)

http://www.wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?artikelID=1718 (Letzter Abruf: 27.06.2012)

http://www.frauennrw.de/nachrichtenarchiv/j2010/m03/pm10-03-10B.php (Letzter Abruf: 27.06.2012)