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„Herr Guardiola“ zieht blank

Er gilt als der beste Trainer der Fußballbranche weltweit, hat bei seinem Ex-Klub in Barcelona alles zu Erreichende erreicht und setzt seine Mission nun beim FC Bayern in München fort: Josep, genannt Pep Guardiola. Seine taktischen Kniffe sind berüchtigt, die Besessenheit in punkto Fußball ebenso. Ein Mann, der sein Leben dem Sport und vor allem dem idealen Spiel widmet, der dabei jahrelang fast schon pedantisch darauf geachtet hat, seine Gedanken und Ideen für sich zu behalten. Der die Presse für gewöhnlich nicht am Training teilhaben lässt, nur in den seltensten Fällen aufschlussreiche Interviews gibt. Das alles ist Pep Guardiola. Der selbe Pep, der sein erstes Arbeitsjahr beim FC Bayern komplett von einem einzelnen Journalisten begleiten ließ.

Viele dachten, sie sehen nicht recht, als sie im Spätsommer 2014 einen Blick in das gerade erschienene Buch „Herr Guardiola“ von Martí Perarnau warfen. Der sonst so auf Geheimniskrämerei versessene Guardiola lässt einen Journalisten ein ganzes Jahr lang jeden Tag bei allem dabei sein? In der Trainerkabine? In der Spielerkabine? Bei der Taktikschulung, im Physioraum, ja sogar in seiner Privatwohnung? Details aus all diesen Bereichen enthüllt das Buch nämlich. Und dabei hatte der Autor nur eine Einschränkung: Tagesaktuelle Details sollte er nicht an die Presse verkaufen, nur in seinem Buch durfte er alles Erfahrene veröffentlichen.

Dabei bekamen auch einige Spieler ihr Fett weg, die sich äußerst verschwiegen zeigen, wenn sie auf das Buch angesprochen werden. Reaktionen sind bisher keine bekannt, ob die Veröffentlichung ihr Verhältnis zu Guardiola allerdings verbessert hat, ist zumindest fraglich. So bezichtigt er beispielsweise Franck Ribéry einer langsamen Auffassungsgabe, Jerome Boateng habe er das Abwehrspiel von Grund auf erklären müssen und Javi Martínez erlebte eine komplette Gehirnwäsche unter seinem spanischen Landsmann. Demgegenüber stehen Spieler wie Philipp Lahm, dessen Genialität ausdrücklich gewürdigt wird, und Rafinha, explizit als „wichtigster Spieler auf dem Feld“ bezeichnet.

Bis heute sind im deutschen Fußball Eindrücke aus der Kabine, mannschaftsinterne Angelegenheiten und Gespräche eigentlich absolutes Tabu für die Presse. Interna bleiben Interna, das musste auch der Kicker über das gesamte erste Jahr Guardiolas erfahren. Viel Information bekam man aus dem neuen, so glamourös erscheinenden Mann nicht heraus. Auch deshalb äußert man sich in seiner Titelstory vom 22.09.2014 eher kritisch zu den Inhalten des Buches.

Besonders brisant ist in diesem Zusammenhang ein Vorfall Ende November 2013: Guardiola beschwert sich ganz offen über einen scheinbaren Maulwurf im Team, droht mit Rauswurf, sollte er den Verantwortlichen ausfindig machen. Zeitgleich sitzt ein Journalist mit in der Kabine und hört all die taktischen Anweisungen, die nun über den angesprochenen Maulwurf nach außen gelangt sein sollen, mit an. Ein Zeichen einerseits, wie sehr Guardiola Perarnau in dessen Arbeit vertraut. Ein Zeichen andererseits, dass er zu diesem Zeitpunkt einigen Akteuren des Münchner Kaders deutlich misstraute.

Nicht nur für die Presse, auch für Spieler und sogar die Pressestelle der Bayern war der Spanier, der auf einmal und ohne Erklärung auf dem Trainingsplatz auftauchte und sich meist im Hintergrund hielt, ein Rätsel. Die große Mehrzahl der Mitarbeiter an der Säbener Straße war überhaupt nicht eingeweiht in die Pläne des Trainers, seine Arbeit dokumentieren zu lassen. Auch hier stellt sich wieder die Frage nach der grundsätzlichen Vertrauensbasis innerhalb des Vereins.

Fest steht, dass diese Episode der bisherigen Amtszeit Guardiolas dessen Machtanspruch und tatsächlichen Machtbereich eindrucksvoll kennzeichnet. Er hat vieles umgekrempelt in München und dazu freies Geleit bekommen. Guardiola ist der alles bestimmende Zampano rund um die Allianz Arena. Dass es aber auch Grenzen gibt in der (All-)Macht des Trainers, zeigt folgendes Beispiel aus dem Sommer 2014: Im Zuge der Verletzung des Mittelfeldspielers Tiago Alcantara will Guardiola in medizinische Belange eingreifen und schickt den am Knie verletzten Spieler zu einem Arzt nach Barcelona, wo er mit Kortison behandelt wird. Das verschlimmert die Verletzung allerdings, bis heute stand das große Talent nicht mehr auf dem Platz. Daraufhin sprachen die Bayernbosse ein Machtwort, medizinische Angelegenheiten sind kein Einflussbereich des Trainers. Den Machtkampf gegen die Institution Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in München hat der Trainer damit verloren.