Babo und YOLO danken ab… Ich bin grad im Hayvan-Modus, du bist grad im Hayvan-Modus, alle grad im Hayvan-Modus?
Nur Swag im Kopf?
Das Jugendwort des Jahres 2014 ist
„Läuft bei dir“
Wer ist eigentlich dieser Hayvan? Ist das wirklich Jugendsprache? Und warum sich auch Trolle und Rapper einmischen…Mit dem Ziel die sich ständig wandelnde Jugendsprache festzuhalten, wird jährlich seit 2008 das „Jugendwort des Jahres“ unter der Leitung des Münchner Langenscheidt Verlages gekürt. Dieses Mal ist es aber kein Wort, sondern ein kurzer Satz; „Läuft bei dir“ schafft es auf Platz eins. Es gilt als Synonym für cool oder krass und ist laut Verlagssprecher unter Jugendlichen weit verbreitet. Auf dem zweiten Platz landete „Gönn dir!“, als Ausdruck für „Viel Spaß dabei“. Gefolgt vom „Hayvan“ auf Platz 3: Das türkische Wort für Tier könne je nach Situation sowohl positiv als auch negativ verwendet werden –sei es als Synonym für „Muskelpaket“ sowie „treuer Freund“ oder für jemand „ohne Denkvermögen“. Das berühmt-berüchtigte „Selfie“ schaffte es nur auf Platz vier – gefolgt von „Senfautomat“, eine Bezeichnung für jemanden, der „immer seinen Senf dazugeben muss“, also stets alles kommentiert.
Besser als der „Babo“
Alljährlich wird die Wahl des „Jugendwortes“ von Sprachwissenschaftlern kritisiert; der Begriff sei alltagsfremd und habe mit der tatsächlichen Sprache der Jugendlichen nichts am Hut. Dieses Jahr scheint es für den Langenscheidt-Verlag zunächst zu „laufen“, denn viele Jugendliche und Experten loben die Wahl, die kurze Phrase sei authentischer und zudem alltags-gebräuchlicher als der Gewinner des Vorjahres „Babo“. ( Ausdruck für „Chef“; durch den Rapper „Haftbefehl“ bekannt) Nichts da. Dieses Jahr macht die problematische Online-Abstimmung Schlagzeilen.
Von „Troll-Aktionen“ und Selbstbefriedigung
Auf der Internetplattform www.jugendwort.de werden Jugendliche jährlich dazu aufgerufen ihr Lieblingswort einzureichen, zu diskutieren und abzustimmen. (Natürlich winkt ein schickes Ipad als Gewinn, alles andere wäre ja reizlos…) Danach bestimmt eine Jury (bestehend aus Jugendlichen, Sprachwissenschaftlern und Journalisten) unter denjenigen Wörtern, die in der Internetabstimmung unter die Top 15 gekommen sind, das Jugendwort des Jahres, sowie die Plätze 2-5. Bei der diesjährigen Vorabstimmung im Internet wurden die Ergebnisse jedoch durch sogenannte „Internet-Trolle“ manipuliert:
Schuld dafür war ein Aufruf auf dem amerikanischen, allgemein als geschmacklos geltenden Webforum 4chan; alle User sollten für das Wort„fappieren“ (abgeleitet von dem englischen Verb „to fap“ ), was ein jugendlicher Ausdruck für Selbstbefriedigung bei Jungen sein soll) anstelle des türkischen Wortes „Hayvan“ abstimmen. Dies führte dazu, dass der „Schmuddelbegriff“ „fappieren“ mit knapp 50% der Stimmen auf Platz 1 der Online-Wahl schnellte.Mit der Begründung „ die Abstimmung im Internet sei (sowieso) immer manipulierbar“, ignorierte die Jury letzten Endes das Ergebnis der Online-Abstimmung, griff nicht gegen die „Online-Trolle“ ein, eliminierte den Online-Spitzenreiter „fappieren“ und kürte schließlich „ Läuft bei dir“ zum Sieger. Wozu dann das Online-Ranking, fragt man sich, wenn es gleichgültig scheint, welcher Begriff nach dem Internet-Voting an erster Stelle steht und die 14-köpfige Jury abermals „das letzte Wort“ hat.
Auch Rapper mobilisieren ihre Fans für das Voting
Nicht nur für „fappieren“, auch für „Hayvan“ und den Gewinner „Läuft bei dir“ wurde ordentlich die Werbetrommel gerührt. Dieses Mal nicht von Online-Trollen, sondern von den Rappern Fler und KC Rebell , denen es durch Video-Aufrufe an die jeweilige Fangemeinde in Facebook, sowie Posts auf Twitter mit Erfolg gelang, ihre Fans zu mobilisieren und somit die beiden Begriffe im Ranking maßgeblich zu pushen.
Kritisiert wird die Wahl von vielen, zu Recht wie ich finde. Der Spiegel texturiert in seiner Online Ausgabe, die Suche nach dem „coolsten“ Ausdruck sei willkürlich, FAZ spricht gar von einer Farce. Bemängelt wird nicht nur, dass die Abstimmung im Internet von Manipulation und Werbeversuchen bestimmt ist, sondern auch das Wahlverfahren per se. Laut Langenscheidt-Verlag kann jeder Nutzer anonym gleich mehrfach abstimmen, wodurch die Chance ein möglichst repräsentatives Ergebnis, also ein möglichst weit verbreitetes und gebräuchliches Jugendwort zum Gewinner zu küren, zusätzlich getrübt wird. Mal ganz abgesehen davon, dass nur ein geringer Anteil an Jugendlichen überhaupt am Voting teilnimmt…
Echte Sozialforschung oder doch nur Verlagsmarketing?
Auch Wolfgang Gaiser vom Deutschen Jugendinstitut stellt der Initiative des Münchner Verlags kein gutes Zeugnis aus. Die Wahl des Jugendwortes sei „eher spielerisches Verlagsmarketing , als Sozialforschung und der eigentliche Zweck sei der, möglichst viel Aufmerksamkeit für Produkte zu bekommen“, so Gaiser. Tatsächlich stößt man auf der Voting-Plattform www.jugendwort.de bereits auf der Startseite auf Werbung für Langenscheidts‘ Buch „100% Jugendsprache“, in welchem auch eine Auswahl an Wörtern aufgenommen wird. Zugegeben, eine clevere Marketing-Strategie!
Wahl verzerrt das Bild der Jugendlichen von heute
Gaiser betont außerdem und hier stimme ich ihm zu, dass bei der Wahl lediglich Spaßformulierungen herausgehoben würden, die aber mit dem Sprach-und Denkniveau eines Großteils der Jugend von heute nichts zu tun haben. Solch verallgemeinerte, undifferenzierte Darstellungsweise verzerrt meiner Meinung nach das Bild der Jugendlichen von heute. Viele Jugendliche verwenden die Wörter, die in den Top 5 aufgelistet sind, überhaupt nicht. Nicht wenigen (7 von 10 meiner Befragten) ist mindestens ein Begriff, der es unter die Top 5 geschafft hat, sogar völlig fremd. Mir geht es dabei genauso.
Darf man überhaupt von DER Jugendsprache sprechen, wo es doch so bedeutende regionale- und soziale Unterschiede gibt und sogar jeder Freundeskreis, jede Gruppe oder Gang seine eigene, sich stets wandelnde Sprache kreiert? Vielen sind die „Jugendwörter“ noch nicht einmal geläufig und mal angenommen dies wäre der Fall, kann man doch daraus nicht automatisch auf alltäglichen Gebrauch dieser Wörter schließen!
Läuft also garnix?
Wenn nun die Wahl des „Jugendwortes“ von Manipulation der Abstimmung und Wahlwerbung gesteuert wird, „Online-Trolle“ und Rapper und nicht Jugendliche sich die Begriffe ausdenken, Verlagsmarketing das eigentliche Ziel ist und das „Sieger-Wort“ zudem noch alltags-und jugendfremd ist, ist dann nicht die ganze Wahl völlig sinnlos?
Jein. Immerhin führt die Abstimmung dazu, dass sich mehr Menschen mit (Jugend)-sprache und ihrem Gebrauch auseinandersetzen.
Allenfalls sollte man im Hinblick auf die kommenden Jahre das Konzept der Wahl grundlegend überdenken und vor allem die Regelungen der (Online)-Abstimmung ändern, wenn die Initiative wirklich Ernst genommen werden möchte…
Auch wenn ihr jetzt immer noch nichts mit „Hayvan“, „Senfautomat“ und Co. anfangen könnt… ..Gönnt euch trotzdem!
Quellen: -Trierischer Volkfreund, Dienstag, 25.11.14, Seite 32 -N24 -http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/langenscheidt-laeuft-bei-dir-ist-jugendwort-des-jahres-a-1004562.html -http://www.spiegel.de/schulspiegel/jugendwort-des-jahres-online-trolle-kapern-slang-abstimmung-a-1000010.html -http://www.faz.net -http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article134653128/Laeuft-bei-Dir-ist-das-Jugendwort-des-Jahres-2014.html -http://www.jugendwort.de