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Die Tribute von Panem – Wie viel Realität steckt im Film?

„Wenn dieser Film wirklich ein Überraschungserfolg aufgrund der guten Nachfrage bei den jungen Menschen unseres Planeten ist, dann ist nichts verloren, die Jugend ist ganz in Ordnung trotz IPhones und Twitter.“

So lautet eines von vielen Kommentaren zum derzeitigen Kinohit „Die Tribute von Panem“.

Der aus vier Teilen bestehende US-amerikanische Science-Fiction Film basiert auf der gleichnamigen Romantrilogie von Suzanne Collins und legte mit dem dritten Teil „Mockingjay 1“ den erfolgreichsten Kinostart 2014 hin. Schon der erste Teil „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“ kam im Jahre 2012 auf ca. 2.125.312  Besucher in Deutschland, während der zweite Teil „Catching Fire“ es auf stolze 3.741.820 Besucher schaffte.
Allein in den USA spielte der erste Teil des dritten Films der „Tribute-von-Panem“-Reihe an seinem ersten Wochenende satte 123 Millionen Dollar ein. Zum Vergleich: Die nächsten 35 Filme zusammengenommen spielten nur die Hälfte davon ein.

Worum geht es?

Die Handlung des Films spielt im von Naturkatastrophen und Kriegen zerstörten Nordamerika in naher Zukunft. Das aus den Trümmern entstandene neue Land „Panem“ besteht aus einem Regierungssitz, dem Kapitol,  und den zwölf Randgebieten, den Distrikten. Seitdem sich die Distrikte in einem blutig niedergeschlagenen Aufstand gegen das Kapitol erhoben haben, verlangt der siegreiche Präsident Snow als Wiedergutmachung und Mahnung einen Tribut: Jedes Jahr werden aus jedem Distrikt ein Junge und ein Mädchen zwischen zwölf und 18 Jahren ausgewählt, die dann im Rahmen der als Medienspektakel inszenierten Hungerspiele gegeneinander antreten. Unter freiem Himmel, in der sogenannten „Arena“, müssen sich die jugendlichen Tribute solange bekämpfen, bis nur noch einer von ihnen lebt, der dann als ruhmreicher Sieger in seinen Distrikt zurückkehren darf.
Begleitet wird das ganze Spektakel von Kameras und einer TV Show, um den wohlhabenden Bewohner des Kapitols Unterhaltung darzubieten.

Bloß Sciencefiction oder Anlehnung an die Realität?

„Die Handlung, leider so wie in der realen Welt, erklärt: Die Reichen können für Geld alles kaufen. Es ist traurig mit ansehen zu müssen, dass es der alleinigen Unterhaltung dient, wenn „Menschen sich gegenseitig abschlachten müssen“ damit irgendwelche Reichen ein Unterhaltungsprogramm zu sehen bekommen.“

Die Vorstellung, dass Jugendliche brutal gegeneinander kämpfen, morden und  ihr Überleben sichern müssen, und es Menschen gibt, die dem aus Zwecken der Unterhaltung in Form einer Reality Show zusehen, klingt unvorstellbar grausam und irreal.
Auf den ersten Blick sind also keinerlei Parallelen zur heutigen Gesellschaft zu ziehen. Doch denkt man einmal tiefer darüber nach, wird schnell klar: So unwahrscheinlich ist dies gar nicht.
Schon von etwa 200 vor Christus bis Anfang des fünften Jahrhunderts nach Christus konnten Schaulustige während der Gladiatorenkämpfe im römischen Reich zusehen, wie Sklaven und Gladiatoren solange gegeneinander kämpften, bis einer von beiden starb. Und auch heute noch sind Schadenfreude und der Wille nach Unterhaltung fester Bestandteil des Fernsehpublikums. Zu sehen ist dies zum Beispiel an der Sendung „Big Brother“, in der Z-Promis sich rund um die Uhr von Kameras beobachten lassen, Challanges bewältigen müssen und versuchen,  ihren Platz im Big Brother Haus durch Zuschaueranrufe zu sichern.  Ähnlich läuft es in der umstrittenen RTL Serie „Das Dschungelcamp“. Auch hier werden nicht  ganz so prominente Promis von Kameras begleitet, während sie unter grenzwertigen Bedingungen im Dschungel mit dem Hunger kämpfen und ekelerregende Prüfungen ablegen müssen, in denen sie zum Beispiel jegliches Dschungelgeziefer oder andere tierische Körperanhänge verzehren müssen. Alles zur Unterhaltung der Zuschauer, die dann am Ende der Show für ihren Liebling anrufen, um seinen Verbleib im Camp zu sichern. Auch  im Film „Die Tribute von Panem“ haben die Tribute die Möglichkeit vor den Hungerspielen, auch in Form einer TV Show, Sponsoren für sich zu gewinnen.
Der Film soll jedoch nicht nur auf Unterhaltungsmedien aufmerksam machen, sondern auch auf gesellschaftliche Verhältnisse hinweisen.
„Was soll man von der Tatsache halten, dass einige Menschen ihre nächste Mahlzeit für selbstverständlich nehmen, während so viele andere Menschen in der Welt hungern müssen?“ äußerte Suzanne Collins in einem Interview gegenüber der New York Times. Präsident Snow lässt die Menschen in den Distrikten harte körperliche Arbeit leisten, um dem Kapitol so Bodenschätze und andere Ressourcen zukommen zu lassen. Im Gegenzug hierfür erhalten die Bewohner der zwölf Distrikte die angebliche Sicherheit und den angeblichen Frieden. Leistet jemand Widerstand, wird er erschossen. Auch Hauptdarsteller Jennifer Lawrence und Josh Hutcherson erkennen Parallelen zwischen Film und Gesellschaft: „Ich komme mir vor wie in der heutigen Welt. Es gibt die 99 Prozent und das eine Prozent und zwischen beiden klafft solch ein Graben. Darum geht es in den Tributen von Panem. Du hast diese Leute, die darum kämpfen, Essen auf den Tisch zu bekommen und dann hast du das Kapitol, das diese Welt absolut nicht wahrnimmt.“

Deutlich wird also, dass es sehr wohl Parallelen zwischen Film und Realität gibt, wenn auch in milderer und abgeschwächter Form. Man kann die Verfilmung der Buchreihe mögen oder auch nicht, doch klar ist: Der als Sciencefiction bezeichnete Film beinhaltet vielleicht gar nicht so viel Sciencefiction und Fantasy, wie auf den ersten Blick angenommen.

Filmkritik: Hallam Foe – This is my story

Andere Menschen beobachten, dass ist, nach dem Tod seiner Mutter, die wichtigste Beschäftigung des 17-jährigen Hallam Foe (Jamie Bell). Als könne er mit seinem eigenen Leben nichts mehr anfangen, saugt er das Leben der Menschen in seiner Umgebung aus und notiert seine Beobachtungen in seinen Tagebüchern. Opfer seiner Wahl ist meistens seine verhasste Stiefmutter Verity (Claire Forlani), einst Sekretärin seines Vaters Julius (Ciarán Hinds), der er jetzt den Mord an seiner Mutter vor wirft. Sie gibt sich allerdings auch alle Mühe als böse Stiefmutter dazu stehen, indem sie Hallam mit ihrem Mann zusammen versucht in Arbeit und aus dem Haus zu bekommen, seine Tagebücher ließt und als sie ihn zur Rede stellen will, ihren traumatisierten Stiefsohn ?verführt?, um das ihrem Mann als peinliche Annährungsversuche seines Sohnes zu verkaufen. Eine echte Sympathin also der Kategorie ?Aschenputtel?, wenn auch ein Wenig subtiler.

Nach dem Auszug seiner Schwester und der Verführung durch die Stiefmutter hält es Hallam zu Hause nicht mehr aus und haut ab nach Edinburgh. Bald nimmt er dort eine Stelle als Küchenhilfe in einem Hotel an, da er in der attraktiven Kate (Sophia Myles) glaubt seine Mutter wieder zu erkennen und fortan ihre Nähe sucht, in Hallam typischer Weise als Spanner. Es entspinnt sich eine Entwicklungsroman ähnliche Handlung zwischen Aufstieg zum Hotelportier und der Beziehung zu Kate, die letztlich zum notwendigen totalen Zusammenbruch Hallams führt.

Hallam Foe hätte ein sehr starker Film werden können, wenn sich Regisseur David Mackenzie (Stellas Versuchung) etwas mehr Zeit für seine Figuren genommen hätte, die zwar keine zu platten Klischeecharaktere sind, aber eben der komplexen (psychischen) Situation in der sich jede Figur befindet nicht gerecht werden. Die Nebenfiguren, wie die zwei Kollegen Hallams in Küche und Rezeption, kommen über ihre amüsanten und komischen Dialoge selten hinaus. Verity bleibt in ihrer bösen Stiefmutterrolle, der man den Mord, auch wenn sie es nicht wahr, durchaus zutrauen würde, obwohl diese Rolle die ein oder andere Charakterschicht mehr hätte verkraften können, genau wie Vater Julius, der zwar von Ciarán Hinds (Road to Perdition, München) überzeugend gespielt wird, aber nur in wenigen Szenen wirklich auftaucht.

Überzeugen kann Sophia Myles (From Hell, Tristan & Isolde) als die Doppelgängerin Kate, die im Beruf zielstrebig und strukturiert auftritt, sich im Privaten aber von einer Affäre zur nächsten hangelt und nicht viel reifer ist als Hallam und es entwickelt sich die Beziehung der beiden zu einem komplexen Gefüge aus Mutterersatz, Cheffin und Freundin. So eilt sie Hallam z.B. bei Ankunft seiner Eltern im Hotelzur Seite, lässt sich dann aber doch ohne Murren von Verity verjagen.
Auch die Hauptfigur Jamie Bell (Billy Elliot – I Will Dance, Flags of Our Fathers) vermag ihr Potential nicht voll auszuschöpfen und man hat schon eindrucksvoller traumatisierte Jugendliche erlebt als Hallam. Das Trauma drückt sich hauptsächlich durch Hallams psychotische Eigenarten aus, wenn er endwender Menschen beobachtet oder über diese mit Kriegsbemalung und passendem Outfit überfällt. Das der Charakter noch mehr zu bieten hat beweist Regisseur David Mackenzie beim eindrucksvollen völligen Zusammenbruch Hallams.

Trotz aller Kritik entwickelt der Film eine komplexe Geschichte über Schuld und Verantwortung, in der niemand ohne Schuld bleibt nicht Kate, die unter anderem eine Affäre mit ihrem verheirateten Kollegen hat, noch der Vater Julius und weil sich alle dies ganze Schuld in dem Film teilen ist auch Varity zum Schluss nicht nur die Täterin. In schöne, gerne auch unschönen und etwas unscharfen, zu den unklaren Verhältnissen passenden Bildern ist der Film inszeniert und wird von einem mit mit silbernen Bären ausgezeichneten Soundtrack begleitet. Ein guter Film, ohne Frage, aber er schöpft sein Potential nicht voll aus.

Hallam Foe – This is my story – Großbritannien 2007 – Regie: David Mackenzie; Buch: Ed Whitmore, David Mackenzie; Kamera: Giles Nuttgens; Schnitt: Colin Monie; Mit: Jamie Bell, Sophia Myles, Ciarán Hinds, Claire Forlani, Jamie Sives?