Für Hollywood ist es zu einer nicht selten genutzten Notfallstrategie geworden, ursprünglich für das Kino geplante Produktionen in letzter Sekunde an Netflix zu verkaufen. Der Grund: die Filme erscheinen den Studiobossen als nicht lukrativ oder schlichtweg nicht relevant genug für einen weltweiten Kinostart. Paramount fuhr diese Taktik mit seinem mehrfach verschobenen Science-Fiction-Film „The Cloverfield Paradox“, Warner Bros. mit „Mogli: Legende des Dschungels“ und auch zuletzt Constantin Film mit ihrer Comic-Adaption „Polar“. Alle drei Filme haben eine Gemeinsamkeit: Sie kamen nach ihrer Netflix-Veröffentlichung nur schwach an, sowohl bei Kritikern, als auch beim Publikum.
Selbst für Netflix zu schlecht!
„Holmes & Watson“ war selbst Netflix zu schlecht
Auch Sony Pictures hoffte, einen sich ankündigenden Misserfolg zu Netflix abschieben zu können: Die Komödie „Holmes & Watson“ mit Will Ferrell und John C. Reilly in den Hauptrollen. Doch Netflix lehnte ab. „Holmes & Watson“ ist bei Testvorführungen derart durchgefallen, dass selbst Netflix ihn nicht wollte.
Keine Chance im Kino? Komm zu Netflix!
Netflix „klaut“ den Kinos die Filme, um sie stattdessen
direkt auf der eigenen Streamingplattform zu vermarkten, ist die Befürchtung
vieler Kinobetreiber. Dabei sind es doch so oft die Filme, die im Kino nur zu
den unmöglichsten Zeiten im kleinsten verfügbaren Saal laufen würden, die
letztendlich bei Netflix landen. Und das hat nicht immer etwas mit der Qualität
des Films zu tun.
So bemängelten nicht zuletzt Regisseure, dass in Hollywood nur noch Platz für Blockbuster-Fortsetzungen und Superhelden-Franchises ist. „Auslöschung“ galt als zu komplex für die Leinwand und sollte komplett umgeschrieben werden, bis Netflix zuschlug und sich die Veröffentlichungsrechte sicherte. Während man sich auf der einen Seite ärgern könnte, „Auslöschung“ nicht im Kino sehen zu können, muss man letztlich einfach froh sein, den Film überhaupt schauen zu können.
“My question to you is, how many theaters did you think that a Mexican film in black and white, in Spanish and Mixteco, that is a drama without stars — how big did you think it would be as a conventional theatrical release?”
„Roma“-Regisseur Alfonso Cuarón sieht die Streamingportale als Möglichkeit, sein Werk einem Publikum zugängig zu machen, das es sonst vermutlich ignorieren würde: Denn ein Film wie „Roma“, der ausschließlich auf Spanisch mit Untertiteln zu sehen ist, würde es schwer haben im Kino, überall. Sein Schwarz-Weiß-Drama brachte ihm zehn Oscar-Nominierungen ein. Auf Netflix haben 139 Millionen Nutzer die Möglichkeit von zu Hause sein Werk zu beurteilen.
„Roma“ brachte Netflix und Alfonso Cuarón zahlreiche Preise, der Film ist für 10 Oscars nominiert
Quantität und Qualität. In einer idealen Welt geht beides. So nimmt Netflix nicht nur den unvermeidlichen Flop unter seine Fittiche, sondern bietet auch Filmen eine Plattform, die im Blockbuster-Tumult der Kinos untergehen würden. Was man sich letztendlich anschaut und wo man dies tut, bleibt jedem selbst überlassen.
Mit 2015 ist vor nunmehr fast einer Woche ein in jedem Falle ergiebiges, spannendes und vor allem abwechslungsreiches Kinojahr zu Ende gegangen. Auf der großen Leinwand sahen wir die Rückkehr des härtesten britischen Agenten aller Zeiten, hörten auch nach Paul Walkers Tod endlich wieder das Quietschen von heißgelaufenen Gummireifen vor exotischen Kulissen und verfielen kurzzeitig in Schnappatmung, als ein kaum gealterter Harrison Ford zusammen mit einem übergroßen Wookie wieder nach Hause fand. Fällt Ihnen etwas auf? Vielleicht ja der kleine und dennoch wichtige Fakt, dass bei dieser in keinem Falle Anspruch auf Vollständigkeit erhebenden Kurzzusammenfassung des vergangenen Leinwandjahres und dessen Highlights von keiner einzigen Frau die Rede ist. Natürlich finden wir bei genauerem Nachdenken schnell einen Gegenbeweis, und zwar in dem in 2015 weltweit kommerziell neunt-erfolgreichsten Film, dem vierten Teil der „Tribute von Panem„-Saga – also genau jenem Film, in dessen Hauptrolle Jennifer Lawrence als Freiheitskämpferin Katniss Everdeen brilliert. Lawrence war es nämlich, die wohl für den größten Skandal, die größte öffentliche Debatte im Filmbusiness des vergangenen Jahres sorgte, als sie als Reaktion auf den Hackerangriff auf Sony Pictures im Sommer und die Veröffentlichung geheimer Vertragsdokumente offen über die ungleiche Gagen-Verteilung von Schauspielerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen sprach (die New York Times berichtete im Oktober).
Mehr als nur Staffage – Weibliche Präsenz in „Mad Max: Fury Road“
Mehr als nur geschminkte Kleiderstangen?
Nun liegt die Vermutung oder gar der Vorwurf nahe, das weltoffene und dynamische Hollywood sei auch im fünfzehnten Jahr des neuen Jahrtausends alles andere als liberal was die Gleichberechtigung der Geschlechter angeht. Ein Einwand, der schon seit Jahrzehnten von verschiedenen Verbänden, Aktivisten, Bloggern und kritischen Privatleuten geäußert wird; Frauen im großen Blockbuster seien Platzhalter, Sexobjekte, letztlich oft nichts weiter als hübsche Kulisse. Eine der lautesten Kritikerinnen dieses vermeintlichen Skandals ist die US-amerikanische Comic-Autorin und Journalistin Allison Bechdel. Ihre ganz eigene und in der Vergangenheit bereits vereinzelt in Medien und Popkultur aufgegriffene Theorie bzw. Methode um herauszufinden, ob ein Film denn nun Frauen als Menschen oder nur als Kleiderstange darstellt – der sogenannte „Bechdel-Test“ – besteht aus drei essentiellen Fragen an den Film selbst. Diese lauten, denkbar einfach, wie folgt:
1.) Hat der Film mindestens zwei (namentlich genannte) tragende weibliche Figuren?
2.) Führen die weiblichen Figuren eine Unterhaltung miteinander?
3. ) Dreht sich besagte Unterhaltung um etwas anderes als einen Mann?
Bechdel selbst betont immer wieder, dass ein Bestehen oder Nicht-Bestehen des Tests keine Aussage über die Qualität oder den feministischen Gehalt eines Films bedeutet. Viel mehr soll die mit dem Test verbundene Fragestellung und die mit den Jahren daraus erwachsene Datenbank auf ihrer Website Aufschluss darüber geben, ob überhaupt weibliche Präsenz vorhanden ist, sprich Frauen in irgendeiner Form eine zumindest annähernd mehrdimensionale Rolle einnehmen.
2015 verspricht Besserung – besonders an der Spitze
Nun gestaltet sich der Blick auf das vergangene, mit Blockbustern wie „Jurassic World“ oder dem zweiten Teil von Marvels „The Avengers“ an den Kassen überdurchschnittlich erfolgreiche, Jahr besonders spannend, wendet man diese drei Fragen einmal auf dessen große und vor allem erfolgreiche Streifen an. Dabei zeigt sich relativ schnell: Das Ergebnis bleibt wie in den Jahren zuvor ausbaufähig. Wie die Journalistin Kelsey McKinney im US-Onlinemagazin Fusion darstellte, bestehen mit circa 54% nur knapp die Hälfte der hundert Top-Produktionen 2015 den Test; darunter für manche sicher überraschend auch erst einmal wenig auf Geschlechtergerechtigkeit bedachte Werke wie „Mad Max: Fury Road“, dessen oft in Trailern oder sonstigen Zusammenstellungen etwa im TV hervorgehobene leicht bekleidete Darstellerinnen trotz der deutlich fehlenden Dialoglastigkeit des Werkes weibliche Präsenz weit über ihre Körperlichkeit heraus zeigen.
Dem gegenüber stehen zwei sehr erfolgreiche und mit einer umso größeren Fangemeinde ausgestattete Filme, welche ihre seit Jahren als Erfolgsgarant geltenden Franchises auch im vergangenen Jahr fortzusetzen wussten; zum einen der neueste Teil der „Mission Impossible“-Reihe (‚Rogue Nation‘), zum anderen mit „Spectre“ der lang erwartete und in der Kritik hochgelobte aktuelle James Bond-Film. Stellt man hier Bechdels Fragen an das Drehbuch, so erfüllen diese nur ein (Spectre zeigt mehr als eine tragende weibliche Figur), beziehungsweise gar kein oben aufgestelltes Kriterium. Somit sind jene Produktionen die einzigen der Top 10-Filme 2015, welche den Test nicht bestehen – 2014 und in den Jahren zuvor waren es immerhin noch mindestens doppelt so viele.
Nur einer von drei Bechdel-Punkten: Léa Seydoux in „Spectre“
Lässt sich Emanzipation so messen?
So interessant dieser Befund auch sein mag, gerade im Bezug auf die Unterschiede zwischen den Genres und eine Wandlung in der geschlechtsbezogenen Figurenkonstellation im Popcorn-Kino; wissenschaftlich haltbar dürften weder Bechdels sehr simple und bei dem klassischen, stringenten Filmverlauf entgegengehenden Filmen wie „Gravity“ (2013) nur eingeschränkt anwendbare Theorie, noch die darauf fußende und in erster Linie von Usern generierte, kaum ernsthaft administrativ geprüfte Film-Datenbank sein. Doch das bedeutet wiederum bei weitem nicht, dass der Bechdel-Test sinnlos sei; im Gegenteil. Er lenkt Aufmerksamkeit auf eine durchaus problematische Entwicklung in der Drehbuchentwicklung und Filmrealisierung, nämlich in der Tat die Degradierung der Frau zum sexuellen oder schlicht unmündigen Objekt in bestimmten Hollywood-Genres wie primär an Männer gerichteten Action-Produktionen. So regt er zum Reden, zum Diskutieren an- und selbstverständlich zum Blick in die Zukunft.
So haben immerhin bereits zwei der mit Hochspannung erwarteten Blockbuster des neuen Jahres den Test durchlaufen dürfen: Zum einen Leonardo DiCaprios mysteriöse amerikanische Folklore „The Revenant“ und zum anderen der zweite Western aus der Feder des selbsternannten Frauenverehrers Quentin Tarantino, „The Hateful Eight“. Wer möchte, darf als Kinogänger also auch 2016 weiterhin mit Bechdels essentiellen drei Fragen den Popcorn-Beutel konzentriert bei Seite stellen – und zwar nicht bloß als weiblicher.
Filme – es gibt sie in den unterschiedlichsten Facetten. Egal ob Schwarz-Weiß, Zeichentrick, Drama, Komödie, Liebesschnulze oder Horror-Thriller. Und wir schauen sie an. Egal ob zu Hause, im Kino, alleine, mit der Familie oder Freunden. Sie begleiten uns von klein auf und sie verändern uns, ob wir wollen oder nicht.
Unsere Kindheit ist geprägt von Disney-Filmen. Von klein auf bestaunen wir Filme über schöne Prinzessinnen, tapfere Ritter und mutige Rehe. Wir merken nicht, dass die Filmindustrie uns manipuliert. In unseren Köpfen entstehen Vorstellungen von der Natur, dem Leben und der Liebe, ob diese der Realität entsprechen sei dahin gestellt.
Filme können uns aber auch inspirieren. Manchmal sind es unsere Lieblings-Schauspieler, die uns durch ihre Filme motivieren. Sie geben uns den nötigen Input unser Leben in die Hand zu nehmen und mehr daraus zu machen. Manchmal sind sie es aber auch, die uns Gewalt veranschaulichen und einige von uns sogar dazu motivieren Kriminalität auszuüben.
Doch Filme können noch viel mehr. Sie vermitteln uns Wissen, Kriegsfilme zum Beispiel. Sie berichten uns von großen Schlachten, die unsere Vorfahren geführt haben. Sie geben uns die Möglichkeit Geschehnisse der damaligen Zeit zu verstehen und nachzuvollziehen. Es gibt Filme, welche uns fremde Kulturen näher bringen. Sie geben uns die Chance Einblicke in andere Länder zu gewinnen, ohne jemals dort gewesen zu sein Die Tatsache, dass Filme die Geschehnisse oft dramatisieren oder kürzen, sowie die übermäßige Verwendung von Vorurteilen und Stereotypen lassen wir dabei meist außer Acht.
Wir beschweren uns über minutenlange Werbepausen, aber Product-Placement während des gesamten Filmes fällt uns meist gar nicht auf. Unternehmen zahlen erhebliche Summen um ihre Produkte in Filmen präsentieren zu dürfen. Wir als Zuschauer nehmen diese Art von Werbung oft nur unterbewusst wahr und werden in unserem Kaufverhalten manipuliert, ohne es überhaupt zu merken.
Die Filmindustrie beeinflusst uns, so viel steht fest. Aber ob dieser Einfluss positiv oder negativ ausfällt, hängt von uns selbst ab. Wenn wir Filme nicht als die absolute Wahrheit annehmen, sondern hin und wieder kritisch hinterfragen, können wir in der Regel selbst beeinflussen welche Filme uns in welche Richtung verändern.