Dass soziale Netzwerke wie Facebook vermehrt benutzt werden, um Werbe-Kampagnen auch online an den Kunden zu bringen, dürfte den meisten Nutzern aufgefallen sein. Doch viele der Mitglieder sind genervt von der Allgegenwärtigkeit der Werbung, seien es offizielle Fansites zu kommerziellen Produkten oder gar persönliche Nachrichten, die durch Beitritte in bestimmte Gruppen oder Netzwerke automatisch verteilt werden und zu Werbe-Aktionen einladen.
Eine dieser Kampagnen stellt der kürzlich abgeschlossene OTTO-Modelcontest dar: Unter dem Motto „Werde das neue Geischt der OTTO-Fanpage!“ durfte jeder 16-jährige Nutzer ein Bild hochladen, mit dem er sich für das Event bewerben wollte.
Gewinner sollte sein, wer die größte Anzahl an „Gefällt mir“-Klicks ansammeln konnte – es galt also, fleißig Freunde und Bekannte zu mobilisieren und für sich stimmen zu lassen, denn der meist Bewertetste sollte für zwei Wochen das repräsentierende Gesicht der OTTO-Facebookseite werden und zudem noch ein Fotoshooting gewinnen. Außerdem gab es dreistellige Warengutscheine für die ersten drei Plätze. Und damit man auch den „Wählern“ einen profitablen Anreiz bieten konnte, rührte OTTO weiter die Werbetrommel und versprach, unter allen Teilnehmern (unter Vorraussetzung, dass sie auch Fan der offiziellen OTTO-Fansite in Facebook sind) 25 Warengutscheine im Wert von 25€ zu verlosen.
Mit dieser Werbekampagne kombinierte OTTO geschickt den Selbstdarstellungsdrang vieler Facebook-Mitglieder mit Castingwünschen und Glücksspielelementen – und nutzte damit ein Marketing-Potential, das viele deutsche Unternehmen im Gegensatz zu denen Amerikas bisher nicht ausgeschöpft haben. Resultat: Auf der Fanpage spricht OTTO von „48.490 Teilnehmern und ca. 1.200.000 Votes“ – ziemlich erfolgreich für den wettbewerblichen Zeitrahmen von nur drei Tagen.
Womit das Unternehmen jedoch nicht gerechnet hat, ist die antikommerzielle Einstellung der meisten deutschen Facebook-Nutzer. Von ständigen Wettbewerbs-Einladungen und der offensichtlichen Werbestrategie genervt, entscheidet sich auch Sascha Mörs, ein 22-jähriger BWL-Student aus Koblenz, an dem Contest teilzunehmen. Anders als seine Konkurrenten wählt er jedoch eine ganz besondere Aufnahme: ein Faschingsfoto, auf dem er als provokative Frau verkleidet auf der Couch posiert.
Dass „der Brigitte“, wie er sich selbst nennt, mit rund 24.000 Votings als Gewinner des Wettbewerbs hervorgeht, hatte nichtmal er selbst erwartet. In einem Interview mit Kathrin Breer von Spiegel Online sagte er: „Am Anfang war alles ein Spaß, ich habe nur mit ein paar hundert Stimmen gerechnet. Ziemlich schnell ist der Link dann auf Fanpages von Kneipen gelandet und hat sich sogar unter Studenten im Ausland verteilt“ – im Zeitalter des Internets nichts Ungewöhnliches.
Die Facebook-Gemeinde reagiert indes gemischt auf „die Siegerin“- von verständnisvollen Solidaritäts- und Sympathieverkündungen bis zu eifersüchtigen Nachrichten von Mitbewerber/innen, die in der Aktion ihre Chance auf eine Modelkarriere gesehen haben, ist alles dabei.
Der Pressesprecher des Unternehmens, Thomas Voigt, versuche die Gegenbewegung übrigens mit Humor zu nehmen, schließlich verbuchte die Kampagne trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) einen Riesenerfolg. Und da die Bewerbung „der Brigitte“ den Teilnahmebedingungen entsprach, bleibt ihm wohl auch nichts Anderes übrig- weswegen er konsequent verlauten ließ „@Brigtitte: Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus. Einladung folgt.“
Wie nun weiter mit der Situation umgegangen wird, werden wir wohl in den nächsten Tagen erfahren; dass sich die Online-Community mit dieser Aktion aber gegen eine weitere Kommerzialisierung des sozialen Netzwerkes ausgesprochen hat, dürfte allerdings klar geworden sein. Ob diese kleine Revolte nun auch Früchte trägt und zu weiteren „Anti-Werbung“ oder „Anti-Datenklau“ Bewegungen führt oder ob die monopol-ähnliche Plattform weiterhin jeglichen Protest-Aktionen strotzt, bleibt wohl vorerst offen.
Quellen:
OTTO-Contest: (24.11.2010)
Breer, Kathrin (2010): Facebook-Hype: Der Brigitte? Find‘ ich gut!“, in: Unispiegel, (24.11.2010)