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„Köhler von Blogger zu Fall gebracht?“

Seit gut einer Woche beherrschen der Rücktritt unseres Bundespräsidenten und die Wahl seines Nachfolgers das öffentliche Interesse. Es wird wild analysiert, kontrovers diskutiert und in alle Richtungen spekuliert. Was steckt hinter dem plötzlichen Entschluss des sonst so soliden und gefestigten Köhlers?

Nicht nur der Rücktritt selbst ist äußerst brisant, auch der Weg dorthin schreibt seine eigene Geschichte. Die weitgefächerte Beachtung dessen setzte ungewöhnlich zeitversetzt ein. Erst die Leserbriefe aufmerksamer Deutschlandradiohörer führten dazu, dass die Redaktion entschloß, das Interview noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Auch Spiegel Online reagierte erst nach zahlreichen Leserbriefen auf das Interview und entschloß, eine Geschichte daraus zu machen. Ab da begannen sich die medialen Mühlen zu drehen. Was das „heute journal“ sich jedoch am vergangen Mittwoch erlaubte, war fast schon anmaßend. In der Sendung wurde der Frage nachgegangen, wer oder was den Präsidenten zu Fall gebracht hätte und der Bezug richtete sich in dem Beitrag dann direkt an den 20 jährigen Jonas Schaible: „Köhler von Blogger zu Fall gebracht?“

Diesem war die fragwürdige Aussage im Interview auch aufgefallen und er stellte dies auf seinem Blog beim-wort-genommen.de kritisch in Frage. Ausserdem richtete er sich via twitter an diverse Redaktionen und forderte sie zu einer Auseinandersetzung mit Köhlers Kommentar auf, nachdem diese noch nicht nicht reagiert hatten.

Der Beitrag des „heute journals“ vermittelte seinen Zuschauern jedoch den Eindruck, als hätte der Politik- und Medienwissenschaftsstudent den Präsidenten gestürzt und reduziert den Skandal massenwirksam auf ein Gesicht. Es geht um die Macht des Web 2.0, schon klar. Doch weder die Medien, noch die Opposition haben diesen Rücktritt gefordert. Das versucht Jonas Schaible auf seinem Blog klar zu stellen:

„Einige Worte zum Rücktritt von Horst Köhler – weil mein Name ja jetzt in diesem Zusammenhang kursiert. Weil ich in eine Rolle gedrängt werde, die nicht der Realität entspricht. Weil ich immer noch Interviewanfragen bekomme. Ich hatte gedacht, das Interesse würde nach einem Tag erlahmen. Da dem nicht so zu sein scheint, möchte ich einiges klarstellen. Um das gleich eingangs zu betonen: Nein, ich habe Horst Köhler nicht gestürzt. Natürlich nicht. Ich glaube nicht, dass ich relevanten Einfluss auf das Geschehen genommen habe – zumal nicht in meiner „Funktion“ als Blogger.

[…] Ich habe unterschätzt, dass viele Medien auf jede Geschichte anspringen, die gute Klickraten und Zuschauerzahlen verspricht. Dabei hätte mir klar sein müssen, dass die Kombination aus Köhler, dem vielen immer noch fremden Internet und aufmüpfigen Bloggern, personalisiert durch einen 20-jährigen Studenten, genau eine solche gute (und schnelle) Geschichte ist. Ob sie nun relevant ist oder richtig, ist da nur Nebensache.[…]“

Jonas Schaible war einer von vielen aufmerksamen Zuhörern. Den Blogger mit in die Verantwortung für den Rücktritt zu ziehen halte auch ich für fragwürdig, denn der Einfluss der Blogsphere auf die Politik ist umstritten, wurde die öffentliche Kritik schließlich erst durch die Leitmedien wie z.B. spiegel.de laut. Primär ging es die Forderung einer Auseinandersetzung mit der von Köhler getroffenen Aussage. Für den Rücktritt entschied er sich ganz allein.

weitere Quellen:

http://www.heutejournal.zdf.de/ZDFde/inhalt/0/0,1872,1021120_idDispatch:9656092,00.html

http://www.faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~E4221A6EC514842CA96A7C39645451AC4~ATpl~Ecommon~Scontent.html