Wie in jedem WM-Jahr werden die immer gleichen Pressemitteilungen verbreitet – eine ganz besondere Weltmeisterschaft solle es werden, eine WM, die bietet, was vorher noch nie dagewesen war. Alle 4 Jahre steht sie uns bevor: Eine Weltmeisterschaft mit allesamt weltmeisterlichen Neuerungen. Lassen wir die zweifelsfrei Weltmeister-verdächtigen Geldverprassung außen vor, blenden wir das Vorgeplänkel aus, starten wir mit dem offiziellen Datum: Donnerstag, 12. Juni 2014, 17 Uhr Ortszeit in São Paulo. Eröffnungsfeier. Brasilien in einer ganz neuen Dimension. Brasilien ganz neu. Ganz vermenschlicht, grüne Menschen: Regenwald, blaue Menschen: Wasser. Jennifer Lopez: Playback. Was ist sonst noch neu, noch nie dagewesen? Angela Merkel, Mutti, lässt sich diesmal nicht nur inmitten einer Horde halbnackter, schweißnasser Rabauken ablichten – vor 8 Jahren sah das noch nach weniger Körperkontakt aus – sondern sie zieht – der Aufschrei der Damenwelt war ihr gewiss – Lukas Podolski Mats Hummels vor. Doch was ist das wahrhaft Weltmeisterliche, die einer WM im Lande des Fußballs angemessene Neuerung? Oliver Welke moderiert Fußball anstelle der Heute-Show? Schiedsrichterfehler? Nunja. Rasierschaum. Rasierschaum und Kameras. Ob die FIFA neben einem Uhrenhersteller auch einen Rasierschaumproduzenten auf der Sponsorenliste stehen hat, entzieht sich der allgemeinen Kenntnis. Und doch, es wird wahrlich weltmeisterlich geschäumt. Linien und Halbkreise. Da ist er, der heimliche Weltmeister, ein Geheimfavorit, auf den nun wirklich niemand gewettet hat. Selbst- oder fremdernannte Fußballromantiker schreien auf. Timeouts, Videobeweis bei Elfmetern, was kommt als nächstes? Mit dem Rückenwind des Eröffnungsspiel geht ein #Aufschrei durch die Welt. Das erste Tor der WM-Geschichte, das einwandfrei, ohne zwei mögliche Meinungen bewiesen ist. In Echtzeit für den neutralen Betrachter fast nicht zu erkennen. Roberto Carlos hätte einen Freistoß mit 200 Sachen, ohne sich von der in im beschaumten Abstand regelkonform entfernte Mauer stören zu lassen, ins Tor jagen können, sodass der Einschlag des Balls inklusive Netz gegen die dahinter liegende Bande vom Spielort bis nach Manaus zu hören gewesen wäre – wir alle hätten zitternd diese wenigen, spannungsgeladenen Momente in banger Erwartung geharrt – bis, ja bis wir erlöst werden: DRIN, knapp, nur 2 Meter, aber eindeutig, drin! Doch am 15. Juni besteht die Goal Line Technology ihre Feuertaufe. Frankreich gegen Honduras, ein Kracher in der Gruppe E. Eins-Null. Zwei-Null. Zwei-Null? Nein, ja? Was sagt Goal Control? Honduras Trainer Luis Suárez ist auf 180, die Goal Technology wird auf den Videowürfeln im Stadion eingeblendet. Drin. Suarez lacht. Goal Control, der heimliche Weltmeister. Ein neues Medium hält Einzug in die Fußballstadien – mit fliegenden Fahnen. Doch was passiert in Deutschland? In der Bundesliga, die drei der letzten sechs Champions-League-Finalisten gestellt hat. Die als globales Produkt vermarktet werden soll. Nichts.