Alle Beiträge von s2vaschn

Eine Tücke sozialer Medien

Der Fall schlug in den letzten Tagen hohe Wellen: ein junger Flüchtling soll angeblich einen Herzstillstand erlitten haben, nachdem er sich durch die Kälte und das lange Warten vor dem Landesamt für Soziales und Gesundheit (LaGeSo) in Berlin eine Mandelentzündung zugezogen habe. Ein ehrenamtlicher Helfer verbreitete diese Nachricht auf seinem Facebook-Profil.

Laut SWR3 soll er auch einer befreundeten Kollegin von diesem Vorfall geschrieben haben, die daraufhin unwissend die Nachricht auf verschiedenen Plattformen weiterverbreitete und eine Kettenreaktion in Gang setzte. Die Lage spitzte sich so weit zu, dass Menschen am LaGeSo Kerzen anzündeten und Trauernachrichten hinterließen.

Selbst auf kritisches Nachfragen des rbb antwortet die Sprecherin der Organisation „Moabit hilft“, Diana Henniges, überzeugt: „Es handelt sich um einen jungen Mann, einen 24-jährigen Syrer.“ „Sie sind sich sicher, dass diese Informationen ihres Helfers auch stimmen?“ „Ich vertraue Dirk Voltz (…). Das sind Leute, die mit uns lange Monate zusammenarbeiten und er wird sich das nicht ausgedacht haben.“

Auch "Moabit-Hilft"-Sprecherin Diana Hennings war von der Richtigkeit des Facebook-Beitrags überzeugt (Quelle: rbb-online.de)
Auch „Moabit-Hilft“-Sprecherin Diana Henniges war von der Richtigkeit des Facebook-Beitrags überzeugt (Quelle: rbb-online.de)

Doch wie sich später herausstellt, ist genau das der Fall. In alkoholisiertem Zustand hatte sich der Helfer die Geschichte ausgedacht und veröffentlicht. Es gibt keinen toten Flüchtling. Womöglich waren ihm die Auswirkungen seines Handelns dabei nicht bewusst, denn der Facebook-Beitrag wurde gelöscht und der Helfer tauchte unter. Nachdem er von der Polizei befragt worden war und sich die Meldung als Fehlinformation herausstellte, schloss sich der Kreis: er entschuldigte sich für sein Handeln via Facebook.

Der Fall zeigt, wie vorsichtig nach wie vor mit ungefilterten Meldungen umgegangen werden muss, die auf sozialen Netzwerken kursieren und für die es keine offiziellen Bestätigungen gibt. Viele Nutzer gehen leichtgläubig mit den dort gebotenen Informationen um. So können sich Fehlinformationen in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit verbreiten. Besonders schwerwiegend sind solche Fälle dann, wenn die Fehlinformationen auch noch von offizieller Seite (z.B. von der Sprecherin Diana Henniges) ohne ausreichende Prüfung bestätigt werden.

Quellen:

SWR3-Hörfunk-Nachrichten (28. Januar 2016)

https://twitter.com/rbbonline?lang=de

http://www.rbb-online.de/politik/thema/fluechtlinge/berlin/2016/01/Reaktionen-erfundener-toter-Fluechtling.html

http://www.bild.de/regional/berlin/fluechtling/mit-diesem-post-redet-sich-der-helfer-raus-44338760.bild.html

http://www.focus.de/politik/deutschland/lageso-bericht-ueber-toten-fluechtling-in-berlin-nicht-bestaetigt_id_5243907.html

Wie der journalistische Berufsstand durch seichte Nachmittagsunterhaltung demontiert werden kann

Mit dem Ansehen von Journalisten ist es in Deutschland nicht weit her, das belegen verschiedenste Studien immer und immer wieder. Die Reader’s Digest Studie Trusted Brands von 2015 ergab, dass lediglich 26% der über 6000 Befragten Journalisten für vertrauenswürdig halten. Das Online-Magazin Telepolis der Nachrichten-Website des Heise-Verlages wagt in einem Artikel vom September 2015 eine tiefer gehende These: gerade das öffentlich-rechtliche Fernsehen trage dazu bei, dass der Berufsstand so unbeliebt sei. Die Art, wie Journalisten in der ARD-Telenovela „Sturm der Liebe“ bei der Arbeit gezeigt werden, kann diese Aussage nur unterstützen.

Die Telenovela läuft seit 2005 täglich im Ersten. Journalisten und ihre Tätigkeit spielen im Handlungsablauf immer wieder eine Rolle. So auch wieder in den Folgen vom 28. Und 29. Dezember 2015. Das Geschehen: um ihren Gegenspielern zu schaden, gibt die Intrigantin Beatrice Hofer Halbwahrheiten und Fehlinformationen an die Presse weiter, die sie aus einem belauschten Gespräch entnimmt. Am nächsten Tag ist ein Artikel mit reißerischer Schlagzeile in der fiktiven „Rosenheimer Allgemeine Zeitung“ zu finden, der die Geschädigte in Misskredit und Verruf bringt.

In der fiktiven Serie genügt ein anonymer Anruf bei der Presse für solche Artikel. Quelle: http://www.daserste.de/unterhaltung/soaps-telenovelas/sturm-der-liebe/videos/folge-2370-das-darts-turnier-100.html
In der fiktiven Serie genügt ein anonymer Anruf bei der Presse für solche Artikel. Quelle: http://www.daserste.de/unterhaltung/soaps-telenovelas/sturm-der-liebe/videos/folge-2370-das-darts-turnier-100.html

Von der Sendung, die auch ansonsten gerne mal mehr als haarscharf an der Realität vorbei spielt, wird ein fragwürdiges Bild von journalistischer Arbeit vermittelt. Im genannten Beispiel reicht ein einfacher Anruf an die Presse aus, um einen großangelegten Artikel zu lancieren, der einer Einzelperson schadet. Von Sorgfalt bei der Recherche ist keine Spur: statt die Vorwürfe eingehend zu prüfen, bezieht sich der Journalist auf eine einzelne Quelle.

Journalismus funktioniert bei "Sturm der Liebe" vor allem durch Bestechung und andere unlautere Mittel. Quelle: http://www.daserste.de/unterhaltung/soaps-telenovelas/sturm-der-liebe/sendung/folge-2353-102.html
Journalismus funktioniert bei „Sturm der Liebe“ vor allem durch Bestechung und andere unlautere Mittel. Quelle: http://www.daserste.de/unterhaltung/soaps-telenovelas/sturm-der-liebe/sendung/folge-2353-102.html

Bereits Anfang Dezember wurde bei „Sturm der Liebe“ eine Geschichte gezeigt, bei der eine Journalistin abwartete, bis eine junge Frau betrunken war, um ihr Hintergrundinfomationen zu entlocken und später einen reißerischen Artikel darüber zu schreiben, der ein falsches Bild von der jungen Frau zeichnete.

So wird in der Sendung regelmäßig die Tätigkeit von Journalisten in ein unseriöses, schlechtes Licht gerückt. Auf Dauer betrachtet bleibt bei den rund 2 Millionen Zuschauern sicherlich eine Menge hängen, wodurch sich eine negative Meinung festigt, vor allem dann, wenn man sich ansonsten nicht viel mit Journalismus auseinandersetzt. Auf jeden Fall wird jedoch die Darstellung der eigentlichen journalistischen Grundaufgabe, der Wahrung der Demokratie, nicht gerecht, im Gegenteil: man muss sich kaum mehr wundern, warum Journalisten in Umfragen und Statistiken so schlecht wegkommen.

Weitere Quellen:

http://www.deutschlandfunk.de/politischer-journalismus-in-deutschland-zweifelhafte-macht.1310.de.html?dram:article_id=324655

Nur Werber, Versicherer und Politiker schlechter: Journalisten in der Vertrauens-Krise

Für die Aussteiger der Always-on-Gesellschaft

Für die Aussteiger der Always-on-Gesellschaft

 

Mit 46% besitzt fast jeder zweite Deutsche heutzutage ein Smartphone. 81 Minuten verbringen wir laut der Mobile Monitor Studie 2014 täglich am Handy. E-Mails checken, mit Freunden chatten, schnell eine Runde Clash of Clans oder Quizduell zocken, nach dem Blick auf den mobilen Wetterbericht schon mal das Outfit für morgen per App planen – viele Bereiche unseres Lebens hat die ständige Verbindung zum Internet, unabhängig von Ort und Zeit, vereinfacht und (nicht nur) zum Positiven verändert.

Diesem Trend tritt die schweizerische Firma Punkt. entgegen: mit der Entwicklung des „MP01 Mobile Phone“ will Entwickler Jasper Morrison zurück zu den Wurzeln des Mobiltelefons. Die Features der „Innovation“ wirken im heutigen Alltag wie aus einer anderen Zeit: mit SMS versenden und telefonieren hat man sich bei der Entwicklung wirklich auf die nötigsten Funktionen beschränkt. Das Mobiltelefon besitzt kein Internet, kein Farbdisplay und auch keinen Touchscreen. Schwarz und schlicht verzichtet man auf jeden Schnickschnack, der ablenken könnte.

Kaum zu glauben, dass es sich bei diesem Mobiltelefon um eine 295 Euro teure Neuentwicklung handeln soll. (Quelle: t-online.de)
Kaum zu glauben, dass es sich bei diesem Mobiltelefon um eine 295 Euro teure Neuentwicklung handeln soll. (Quelle: t-online.de)

 

Das Handy soll wegführen von der gegenwärtigen Mentalität, 24 Stunden am Tag vernetzt zu sein, eine Entwicklung, die auch Probleme mit sich bringt. Vor allem Konzentrationsschwierigkeiten werden in Verbindung mit andauernder Nutzung von Smartphones hervorgerufen. Immer stärker kritisiert wird jedoch auch, dass soziale Kontakte vernachlässigt werden, weil vor allem Jugendliche sich lieber online aufhalten als sich abseits von der virtuellen Welt mit Freunden zu treffen.

Diese negativen Seiten der Handynutzung haben Schüler eines Ulmer Gymnasiums zu einer App inspiriert, die dem ständigen online-Sein entgegentreten soll. Bei „Sloffline“ soll es sich um eine Art Wettkampf handeln, bei dem der gewinnt, der am wenigsten das Handy nutzt. Die Entwicklung ist jedoch noch nicht abgeschlossen, und zurzeit werden noch Sponsoren gesucht. Die App ist also noch nicht verfügbar.

Das von verschiedenen Medien als „Anti-Smartphone“ betitelte Mobiltelefon von Punkt. dagegen soll pünktlich zum Weihnachtsgeschäft versendet werden. Wer jedoch gewillt sein soll, für ein technisch minimal ausgestattetes Gerät 295 Euro auszugeben, ist fraglich, da der Markt auch deutlich günstigere Alternativen zu bieten hat. Ebenso fraglich ist, ob ein solches Handy sich in der heutigen Gesellschaft durchsetzen kann, der das Internet und seine Vorteile so wichtig sind wie noch nie. Aber vielleicht ist es auch die Chance, einen neuen Trend zu setzen und darauf aufmerksam zu machen, sich vom World Wide Web abzukoppeln.

 

Quellen:

http://www.swr3.de/aktuell/nachrichten/Die-Anti-Smartphone-App-aus-Schwaben/-/id=47428/did=3578694/14f2uav/index.html

http://www.t-online.de/handy/smartphone/id_75772250/ohne-internet-und-apps-anti-smartphone-mp-01-kommt-aus-der-schweiz.html

https://www.punkt.ch/en/products/mp01-mobile-phone/

http://www.izmf.de/de/wann-wird-die-handynutzung-zum-problem

MZDW 11: 81 Minuten Smartphone-Nutzung pro Tag