Alle Beiträge von s2tebrah

Nicht nur Pokemon-spielende Goldfische

Es ist Freitag Abend. Tausende von Menschen sitzen zuhause gebannt vor dem Bildschirm und beobachten einen Goldfisch, dessen lethargische Bewegungen per Webcam in Tastendruck umgewandelt werden, und so Pokemon „spielt“. Dieses kuriose Ereignis war eine quasi Fortsetzung von „Twitch plays Pokemon“ und wurde von erschreckend vielen Zuschauern auf der Livestream-Plattform Twitch.tv verfolgt. Diese bietet professionellen Videospielern, YouTube-Göttern, Nerd-Idolen und solchen, die es werden wollen, die Möglichkeit, ihre Freizeitbeschäftigung und Offenbarungen live zu streamen und mit der ganzen (mit Internet gesegten) Welt zu teilen.

Um es diesen Zock-Propheten gleich zu tun und möglichst viele Jünger (oder eben Zuschauer) in den Bann zu ziehen, erarbeiten manche Menschen ungewöhnliche Konzepte. So etwa war dies letztes Jahr der Fall, als mit „Twitch plays Pokemon“ Zuschauer von fünfstelliger Anzahl einer Pokemon-Übertragung beiwohnten. Doch diese war kein normaler Stream, in dem eine einzelne Person vor sich hin daddelte. Gesteuert wurde das Spiel durch Befehle, die im zugehörigen Chat eingegeben wurden, und so zahlreich waren, dass Twitch.tv gezwungen war, das Chat-System zu überarbeiten, um der Sintflut gerecht zu werden.

Doch tatsächlich ist die Webseite, die letzten August von Amazon für eine stolze Summe von 970 Millionen Dollar gekauft wurde, nicht nur Anlaufstelle für Verehrung von Cyber-Promis und virtuellen Gegenständen, sondern auch eine wichtige Plattform für erfolgreiche Charity-Aktionen. So sammelten Veranstaltungen wie Extra Life oder Games Done Quick letztes Jahr über 10,5 Millionen Dollar für gute Zwecke durch Spenden der Zuschauer.

Wenn auch eigenartig anmutende Trends, die in religiösen Eifer überzugehen scheinen, schwer vorherzusagen sind, ist eines doch sicher: Twitch.tv wird auch weiterhin eine wichtige Rolle in der breit gefassten Welt der Videospiele innehaben, und den Einfluss, den es jetzt schon ausübt, und ausüben wird, lässt sich gut an der vor einigen Tagen veröffentlichten 2014 Retrospective erahnen. Ein Ende des Phänomens Live-Streaming ist lange nicht in Sicht.

Eine neue Goldgrube

Zu so gut wie jedem Pixar- oder Dreamworks-Film gibt es ein dazugehöriges, meist mittelmäßiges Videospiel, das meist in erstaunlich kurzer Zeit produziert und dann in riesigen Auflagen auf den Markt geworfen wird, nur um dann in den Elektronikmarkt-Ketten in den Regalen vor sich hin zu vegitieren, bis eine ahnungslose Mutter ihren Kleinen eine Freude machen will und das Spiel mitnimmt.

Dieser Prozess läuft nun schon etwa so lange wie es Videospiele gibt, doch fast genau so lange gibt es auch das Gegenteil: Verfilmungen von Videospielen. Diese haben einen zugegebermaßen schlechten Ruf; keiner dieser Filme hatte bisher wirklich überzeugt. Eine Mitschuld daran trägt der berühmt-berüchtigte deutsche Regisseur/Drehbuchautor/Produzent/Schauspieler/Geschäftsführer Uwe Boll. Bekannt als einer der schlechtesten Regisseure unserer Zeit, war er verantwortlich für etliche Videospiel-Verfilmungen, denen es allesamt an einer Daseinsberechtigung mangelt. Sein zweifelhafter Ruhm führte sogar schon zu Petitionen, welche forderten, er möge doch bitte aufhören, Videospiele auf die Leinwand zu bringen.

Ebenfalls nicht gerade ein Meilenstein der Filmgeschichte sind die zwei Tomb Raider-Filme mit Angelina Jolie als pistolenschwingende Archäologin. Diese waren aber zumindest an den Kinokassen einigermaßen erfolgreich. Regelmäßig erscheinen außerdem auch Filme zu der Resident Evil-Reihe, in denen Milla Jovovich sich gegen Zombies und skrupellose Unternehmen durchsetzen muss. Alles in allem blieb also eine Verfilmung, die der Vorlage gerecht wird, aus.

Doch es besteht noch Hoffnung. Der letzte Schrei in Hollywood sind zurzeit Comic-Verfilmungen, Werke wie The Avengers oder Guardians of the Galaxy werden weltweit in den höchsten Tönen gelobt und spielen unermessliche Beiträge ein, und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Daher war es kein Wunder, dass man nach neuen Vorlagen sucht, und diese sind in den Videospielen zu finden. Ubisoft etwa, eine der größten Videospiel-Publisher, gründete sein eigenes Filmstudio, daher werden wir ab 2015 Filme wie Assassin’s Creed (mit Michael Fassbender in der Hauptrolle) oder Far Cry sehen (ein solcher Film mit Till Schweiger war 2008 im Kino, finanziell eine Katastrophe und, richtig, von Uwe Boll produziert).
Bereits in der Post-Production ist außerdem der Film „WarCraft“, dessen Story auf den gleichnamigen Strategiespielen basiert, und im Frühjahr 2016 erscheinen soll. Die Regie führt dabei David Bowies Sohn Duncan Jones, der für „Moon“ viele Preise gewann.

Genug Material, das in Filme umgesetzt werden kann, ist vorhanden, es wartet nur noch darauf, dass Filmstudios es aufgreifen und den Fans, und solchen, die es werden könnten, endlich eine Umsetzung auf der Leinwand geben, die den Spielen gerecht werden und uns in neue (oder alte und liebgewonnene) Welten entführen.

 

Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Lara_Croft:_Tomb_Raider
http://de.wikipedia.org/wiki/Uwe_Boll

 

Drachen, Magie, Schwule und andere Hirngespinste

Videospiele und Sexualität hatten schon immer eine etwas merkwürdige Beziehung, insbesondere von außen betrachtet. Während virtueller Sex und exotische, halbnackte Frauen
gerne als Mittel zur Unterhaltung genutzt werden, hatten romantische Beziehungen, geschweige denn nicht-heterosexuelle Beziehungen, immer ein Schattendasein.
Auch transsexuelle Charaktere werden zumeist, wenn überhaupt, als Witzfigur dargestellt, denn wer will sowas denn schon sehen, es spielen schließlich nur junge, heterosexuelle Männer Videospiele, richtig?
Dass dies nicht der Fall ist und nie war ist momentan ein so heiß diskutiertes Thema wie noch nie, nicht zuletzt auch der Gamergate-Debatte wegen. Immer mehr Menschen der LGBT-Szene (Lesbian Gay Bi Trans) und Unterstützer fordern nicht nur mehr realistische weibliche Charaktere, sondern auch solche, die von der Videospiele-Norm abweichen.

Einer der ersten, die Homosexualität in Spielen zuließen, war Will Wright. Besonders bekannt ist dabei die Lebenssimulation Die Sims, deren inzwischen vierteilige Reihe von Anfang an homosexuelle Paare,
in späteren Teilen sogar die Heirat und Adoption von Kindern erlaubte. Im Kontrast dazu verbot Nintendo im kürzlich erschienenen Tomodachi Life für deren portable Konsole jegliche homosexuellen Interaktionen,
was selbstverständlich zu Aufschrei in der Fangemeinde führte, schließlich war auch dieses Spiel eine Lebenssimulation. Das Kommentar seitens Nintendo dazu lautete:
„Nintendo hat nie beabsichtigt, mit der Veröffentlichung von ‚Tomodachi Life‘ irgendeine Form eines gesellschaftlichen Statements abzugeben. Die Beziehungsoptionen im Spiel repräsentieren eher eine lustige alternative Welt, als dass sie das echte Leben simulieren.“
Nicht gerade verwunderlich, dass dies nicht die hitzigen Gemüter beruhigte. Die Firma ist ein traditionelles japanisches Unternehmen, was die konservativen Werte erklären könnte, da in Japan gleichgeschlechtliche Partnerschaften staatlich nicht anerkannt und sogar teilweise diskriminiert werden, nicht nur Nintendo tut sich daher schwer mit Offenheit gegenüber solchen Themen.

Das bekannteste Positiv-Beispiel in der Branche ist wohl BioWare, deren Sitz in Kanada liegt und mit solchen Spielen wie Baldur’s Gate und Star Wars: Knights of the Old Republic an Bekanntheit erlangte. Vor knapp einer Woche erschien der neueste Teil der Dragon Age-Saga, genannt Dragon Age: Inquisition.
In einer klassischen Gut-gegen-Böse-Handlung sammelt der Spieler allerlei Charaktere um sich, die ihn im Kampf unterstützen sollen. Wie bei BioWare nicht unüblich, können auch Beziehungen teils romantischer Natur mit diesen Charakteren eingegangen werden. Von acht möglichen Figuren, die umgarnt werden können, sind zwei homo-, eine bi- und eine pansexuell. Von vielen als fortschrittlich und vorbildlich für nicht nur seine sexuell, sondern auch ethnisch vielfältigen Charaktern, wurde BioWare allerdings auch von vielen für diese Entscheidung gerügt. Man fühle sich von BioWare hintergangen, es würden einem schwule Charaktere aufgezwungen und überhaupt, es sei widerlich und das Entwickler-Team solle sich für sein „Einschleimen“ bei Feministinnen und der LGBT-Szene schämen.

Dabei hatte BioWare schon in der Vergangenheit versucht, Diversität in Videospielen voranzubringen. Der erste Teil der Mass Effect-Reihe, erschienen 2007, verursachte in vielen Medien einen Aufschrei aufgrund von nackten Hintern und homosexuellen Charakteren.
Die Mitarbeiter des Unternehmens bestehen zu einem Großteil aus Frauen und sind regelmäßig auf Messen wie der Gaymer Con zu finden, wo sie Vorträge über den Zustand der Branche sprechen und auch zugeben, selber einige Fehler begangen zu haben.
Lead Writer David Gaider ist der Überzeugung, dass verschiedene Sexualitäten auch zu besseren und verschiedenen Geschichten führt, wie es etwa in Dragon Age: Inquisition beim schwulen Magier Dorian Pavus der Fall ist, der aus seinem traditionellen Heimatland floh, weil er sich nicht den gesellschaftlichen Konventionen unterordnen wollte.

In den letzten Jahren hat sich die Unterhaltungsbranche immer wieder verändert, etwa durch Serien wie Game of Thrones gewöhnt sich die Gesellschaft immer mehr an nackte Haut und Sexualität, was noch vor kurzer Zeit als Ding der Unmöglichkeit galt; es lässt hoffen, dass dies ein Zeichen für eine Zukunft voller Mut zu aufregenden (und realistischen) Geschichten und Charakteren ist.

Quellen:

Spiegel Online: Homosexualität in Spielen (http://www.spiegel.de/netzwelt/games/dragon-age-inquisition-neues-bioware-spiel-bietet-schwule-charaktere-a-1003535.html)

Spiegel Online: Streit um neues Nintendo-Spiel (http://www.spiegel.de/netzwelt/games/nintendo-erlaubt-in-tomodachi-life-keine-homosexualitaet-a-968490.html)

Zeit.de: Diskriminierung digital (http://www.zeit.de/digital/games/2011-07/games-homosexualitaet/seite-2)

Youtube: Interview with David Gaider, Lead Writer at Bioware (https://www.youtube.com/watch?v=lhXCpKDqFb8)