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Warum Pippi Langstrumpf Amerikanerin sein könnte

„And the Oscar goes to ..“ – bald ist es wieder so weit: die Vergabe der begehrten Academy Awards geht in die 87. Auflage. Etwas mehr als einen Monat vor der offiziellen Preisverleihung wurde nun auch der erlauchte Kreis der Nominierten bekannt. In der sicherlich prestigeträchtigsten Kategorie „Bester Film“ können sich unter anderem „Birdman“ – inszeniert von Regie-Exzentriker Alejandro González Iñárritu – sowie das Coming-of-Age Epos „Boyhood“ und die verfilmte Lebensgeschichte von Physiker Stephen Hawking („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) berechtigte Hoffnungen auf den begehrten „Goldjungen“ machen. Doch, so erwähnenswert die im Vorigen aufgeführten Filme auch sein mögen, um sie soll es hier nicht gehen.

Ein weiterer Oscar-Kandidat (sechs Nominierungen), „American Sniper“, passt deutlich besser in das Beuteschema dieses Artikels. „American Sniper“ erzählt die Geschichte des Navy Seal Scharfschützen Chris Kyle, der mehr als 160 Menschen „unschädlich“ gemacht hat und damit als der erfolgreichste Scharfschütze in der Militärhistorie der Vereinigten Staaten gilt. Nach seiner Rückkehr in die USA engagierte er sich in der Betreuung von sowohl physisch als auch psychisch beeinträchtigten Veteranen. Eddie Ray Routh war einer dieser Männer. 25 Jahre alt. Stationiert im Irak und auf Haiti, nach Rückkehr in die USA arbeitslos und unter anderem auffällig geworden durch Trunkenheit am Steuer. Man attestierte ihm „Posttraumatische Belastungsstörungen“. Chris Kyle nahm den jungen Ex-Soldaten, wie viele andere vor ihm, mit auf den Schießstand. Dort wurde er von Eddie Ray Routh erschossen. Nun lässt sich gewiss darüber streiten, ob es zweckmäßig ist, vom Krieg beeinträchtigte (junge) Männer zur Traumabewältigung auf den Schießstand zu schicken. Allerdings soll es hier nicht um eine wertende Einordnung des tatsächlichen Chris Kyle gehen – gespielt übrigens von Bradley Cooper -, sondern in Teilen um eine Beurteilung der filmischen Umsetzung seiner Lebensgeschichte.

Unter Regie von Clint Eastwood wird Chris Kyle als ein Mann, ganz nach dem Geschmack des Klischee-Amerikaners inszeniert. Pflichtbewusst, loyal seinem Land und seinen Kameraden gegenüber und gesegnet mit einer genauen Vorstellung von richtig und falsch. Diese klare Trennung in Helden und Bösewichte setzt sich auch in der Darstellung der Terroristen sowie der lokalen Bevölkerung im Irak fort. Die Moral: traue niemandem. Auch Chris Kyle hat bei seiner Rückkehr in die Staaten den Krieg mit im Gepäck. Gerade gegen Filmende regt sich die Hoffnung, doch noch einen Mann zu sehen zu kriegen, der nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Aber nein, nicht die Menschen, die er getötet hat bereiten ihm Kopzerbrechen. Es sind die „Brüder da unten“, deren Leben er nicht retten konnte, die ihn nachts nicht ruhig schlafen lassen. God bless America.

Hollywood liebt seine Heldengeschichten

Interessanterweise ist „American Sniper“ kein Einzelfall, was stereotyp amerikanische Filme auf den Listen der Oscar-Nominierungen angeht. „Argo“, „The Blind Side“ und „Gravity“, um nur Einige zu nennen, fügen sich bestens in diese Aufzählung ein. Inhaltlich runterbrechen lassen sich die genannten Titel, wenn man so will auf Geheimdienste, Football und Raumfahrt. Eben Dinge, die Amerika zu Amerika machen. Mitunter tut man den Machern der Filme mit dieser vereinfachten Darstellung Unrecht, aber es sollte deutlich werden, dass es bestimmte Themen gibt mit denen die amerikanische Filmbranche besonders warm wird.

Dazu scheinen dieser Tage im Speziellen Kriegsdramen zu gehören.  Vor Allem dann, wenn sich die Rollen von Held und Schurke so herrlich eindeutig zuteilen lassen, wie bei „Herz aus Stahl“ und „Unbroken“ geschehen. Erstgenannter erzählt die Geschichte einer amerikanischen Panzereinheit, gefangen hinter feindlichen Linien im Westdeutschland des zweiten Weltkrieges. Es ist April 1945 und der Krieg befindet sich in den letzten Zügen. Trotz numerischer Unterzahl und unterlegener Waffentechnologie gelingt es den Amerikanern, den verbleibenden deutschen Truppen schwere Verluste zu bereiten. Zwischen schonungslos brutale Bilder mischen sich bedeutungsschwere Sequenzen  kriegsverrohter Männer in aussichtsloser Mission. Echte Helden eben. Historische Unglaubwürdigkeit und überzeichnete Pathetik machen zunichte, was in Person von Brad Pitt, Shia LaBeouf und Logan Lerman an schauspielerischer Qualität auf die Leinwand gebracht wurde.

Ähnlich eindeutig in der Rollenverteilung von gut und böse präsentiert sich der von Angelina Jolie inszenierte Streifen „Unbroken“. Für Mrs. Jolie gilt übrigens, was auch für ehemalige Profifußballer gilt (ja, mir gefallen diese Sportanalogien): Ein guter (Schau-)Spieler macht noch lange keinen guten Trainer/Regisseur. Hier wird die wahre Geschichte von Louis Zamperini erzählt: einem amerikanischen Olympialäufer, der während des zweiten Weltkriegs in japanische Kriegsgefangenschaft geriet. 137 Minuten amerikanische Ehrenmänner, sadistische Japaner und ein nicht unterzukriegender Louis Zamperini. Alles, was das Patriotenherz begehrt. Als zugegebenermaßen US-kritischer Europäer fremdelt man jedoch mit derartigem Heldenkult. Wer übrigens etwas darüber wissen möchte, wie es den Japanern auf amerikanischem Boden ergangen ist, dem sei ein Blick auf die Ausführungen des wunderbaren George Carlin empfohlen. Natürlich gibt es dazu auch etwas „Faktenfutter„.

„Zwei mal drei macht vier“

Es wäre nicht verwunderlich, wenn dieser Artikel für eine Brandrede gegen amerikanisches Kommerzkino gehalten werden würde. Soll er aber nicht sein. Es gibt Unmengen an herausragenden Filmen, die die Produktionsstudios jenseits des großen Teiches hervorgebracht haben, hervorbringen und auch in Zukunft hervorbringen werden. Nichtsdestotrotz kann ein mahnender Zeigefinger nicht schaden, um sich der „Pippi Langstrumpf“-esken Tendenzen bewusst zu werden, die „den Amerikaner“ insbesondere in der Aufarbeitung historischer Themen gelegentlich ereilen. Frei nach dem Motto: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“

 

Das Interview-Paradoxon

Hier geht es nicht um ein Interview. Hier geht es auch nicht um das Interview. Nein, hier geht es um „The Interview“, den kontrovers diskutierten Satire-Streifen über zwei amerikanische Journalisten (gespielt von Seth Rogen & James Franco) mit dem Auftrag, den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un umzubringen. So weit so albern. Naturgemäß kam das Drehbuch bei der Regierung in Nordkorea eher semi-gut an. Diese reichte bei der UN Beschwerde ein und sprach von einer „Kriegshandlung“ sowie einer Befürwortung terroristischer Aktionen. Doch alles Klagen und Drohen half nichts – Sony Pictures machte keinerlei Anstalten die Filmproduktion einzustellen. Etwas weniger als ein halbes Jahr ist das mittlerweile her. Seitdem ist viel passiert.

Zunächst war das Filmstudio Sony Pictures einem schwerwiegenden Hackerangriff ausgesetzt, bei dem nicht nur unveröffentlichtes Filmmaterial, sondern auch vertrauliche Daten zu Schauspielern und Angestellten inklusive pikanter Mailverläufe erbeutet wurden. Im Anschluss an die Übergriffe meldete sich die Hacker-Gruppe „Guardians of Peace“ zu Wort und warnte davor, „The Interview“ in die Kinos zu bringen. Mit Verweisen auf den 11. September wurden wirkungsvoll Ängste vor neuen Terroranschlägen geschürt: Mehrere Kinos nahmen Abstand von der Veröffentlichung und Sony Pictures sagte infolgedessen die für den ersten Weihnachtstag angesetzte Premiere ab. Schnell entbrannte eine hitzige Debatte über die Angemessenheit der Reaktion von Sony, in die sich sogar Präsident Obama höchstpersönlich einschaltete. Zentrum der Kritik war die Befürchtung, durch das Aussetzen der Veröffentlichung einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen zu haben: das Zugeständnis an ein totalitäres System, in die Meinungsfreiheit der Vereinigten Staaten einzugreifen.

Nun haben wir besagten 25. Dezember und man höre und staune, „The Interview“ läuft nicht nur im Kino, er ist darüber hinaus bereits online (Google Play, YouTube Movies etc.) per Leihe oder Kauf verfügbar. Über 200 Lichtspielhäuser in den USA entschieden sich dafür, die brisante Komödie den Warnungen zum Trotz auf die Leinwand zu bringen. Sony kommt also mit einer Rolle rückwärts daher, deren Haltungsnoten eher mäßig ausfallen. Aus finanzieller Hinsicht ist der aus dem Fußball bekannte „Rücktritt vom Rücktritt“ durchaus nachvollziehbar, schließlich hat der Film gut 45 Mio. Dollar gekostet. Geld, das erst einmal wieder eingespielt werden will. Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb  schmeckt das Ganze etwas nach unfreiwilligem PR-Stunt. Keine Werbung dieser Welt hätte „The Interview“ ein solches Maß an medialer Aufmerksamkeit bescheren können. Und hier kommt das erboste Nordkorea ins Spiel, dem das FBI mittlerweile nachgewiesen haben will, hinter dem Hackerangriff auf Sony zu stecken.

Die Drohgebärden aus dem isolierten Teil der koreanischen Halbinsel haben den Film zur verbotenen Frucht gemacht. Nicht nur das, „The Interview“ zu gucken ist zu einem Statement geworden. Eine Trotzreaktion auf den Versuch eines totalitären Staates, die Meinungsfreiheit in einer Demokratie zu beschneiden. „Jetzt erst recht“, diese Haltung kommt auch zum Ausdruck, wenn man einen Blick auf das User-Rating der „Internet Movie Database“ (IMDb) wirft. „The Interview“ wird dort – Stand 25. Dezember, 20:15 Uhr – mit einer unverhältnismäßig hohen Bewertung (9,2 von zehn Sternen bei ca. 56.000 Stimmen) gelistet. Der Metascore von 52 spricht eine andere Sprache und rückt die Qualität des Films in ein stimmigeres Licht. „The Interview“ ist ein harmloser Streifen mit pubertärem Humor und einigen sehr klischeehaften Spitzen in Richtung Nordkorea. Besonders mit zunehmender Dauer baut der Film ab und entpuppt sich als das, was er ist: eine seichte Komödie mit polarisierender Rahmenhandlung. Nichts, was nicht im Handbuch „Aufmerksamkeit generieren für Dummies“ stehen würde. Wie man sieht, ist ihnen das bestens gelungen.

Wetten, dass es peinlich wird?

Gerard Butler versucht sich daran, Walnüsse mit seinem Hinterteil zu knacken,  um sich dann kurze Zeit später Eiswürfel in die Hose zu kippen und dabei in gebrochenem Deutsch den Erlkönig zu rezitieren. Tom Hanks trägt Plüsch-Katzenohren während Markus Lanz sich sackhüpfend durch den Raum bewegt. Nein, hierbei handelt es sich nicht um Szenarien aus einem Parallel-Universum, diese Dinge sind wirklich passiert. Nicht hinter verschlossenen Türen, nicht unter Einfluss von Rauschmitteln, sondern im deutschen Fernsehen. Genauer gesagt bei „Wetten, dass ..?“. Ehemals Aushängeschild des Öffentlich-Rechtlichen und Brücke zu den Stars im fernen Hollywood, ist der einstige  Quoten-Garant am Samstagabend heute nur noch ein zum Fremdschämen peinlicher Schatten seiner selbst. Das Gute daran? Bald ist es geschafft.

Am 13. Dezember wird der Show-Dino in der Nürnberger Messehalle zu Grabe getragen. „Vorerst“, schiebt der eine oder andere nach. Man kann ja nie wissen. Dass es sich dabei eher um das Abschalten lebenserhaltender Maßnahmen handelt als um das Einschläfern eines quietschfidelen Hundes, belegen die Quoten. Zwar waren diese schon vor dem Amtsantritt von Universal-Sündenbock Markus Lanz rückläufig, doch seit seiner Premierensendung (13,59 Mio. Zuschauer) sind die Zahlen schneller gefallen als der brasilianische Stürmer Fred beim Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft. Trauriger Tiefpunkt die diesjährige Oktoberausgabe, die gerade mal 5,48 Mio. Menschen zum Einschalten bewog.  Vielleicht auch gut so, wenn man sich die Sendung noch mal in Erinnerung ruft. Die Gäste? Unter anderem Horst Eckel, Benedikt Höwedes – Fußball geht ja bekanntlich immer – sowie Bryan Adams, Lenny Kravitz, Megan Fox und ihr nicht ganz so bekannter Begleiter Will Arnett. Letztere waren da, um für ihren Film „Teenage Mutant Ninja Turtles“ die Werbetrommel zu rühren. Hätte man sie im Vorhinein informiert, dass sowas im deutschen Fernsehen mitunter 40 Minuten dauern kann, sie wären der „Wetten, dass ..?“-Couch vermutlich fern geblieben.

Seine Erfahrungen mit der deutschen TV-Industrie trat der kanadische Schauspieler Will Arnett dann auch gleich im amerikanischen Fernsehen breit. Ganze fünf Minuten dauern seine Ausführungen zu „Wetten, dass ..?“ bei der Late Night Show „Jimmy Kimmel Live!“. Was „Wetten, dass ..?“ denn ins Englische übersetzt heißen würde, wollte der Talkmaster mit dem deutschen Namen in Erfahrung bringen. „I think it means something like ‚What the f*ck is happening?'“ – großes Gelächter. Nun zählt Will Arnett nicht gerade zum Großwild der amerikanischen Filmbranche, von daher wäre es zu verschmerzen, wenn diese Reaktion ein Einzelfall unter internationalen Gästen auf der fahrbahren Bühne des ZDF gewesen wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Mit Tom Hanks, Halle Berry, Denzel Washington, James Blunt und Robbie Williams (die Liste ließe sich fortführen) haben sich schon weitaus klangvollere Namen der Musik- und Filmindustrie klagend über ihren Besuch bei Dauerlächler Markus Lanz geäußert. Muss man diese Prominenten für ihr Schicksal bemitleiden? Nein, gewiss nicht. Es ist davon auszugehen, dass sie auf einen Stundenlohn gekommen sind, der sich sehen lassen kann. Nichtsdestotrotz kann und sollte man aus diesen Erfahrungen seine Lehren ziehen.

Internationale Stars funktionieren im Konzept „Wetten, dass ..?“ nicht. Gäste, die von jenseits des großen Teiches kommen, haben ein gänzlich anderes Verständnis von Auftritten bei TV-Shows als es unsereins gewohnt ist: Hinsetzen. Film, wahlweise auch CD promoten. Anekdote erzählen. Nett auf Wiedersehen sagen. So stellt sich der gemeine Promi sein Late Night-Intermezzo vor. Wenn er dann genötigt wird, fremden Menschen bei mitunter befremdlichen Wetten zuzusehen, kommt dann eben schonmal so etwas dabei heraus, das nach Kritik klingen könnte. Ein weiteres Grundproblem ist die sprachliche Barriere. Wenn die Übersetzung nicht streikt, dann fällt sie dem Gast ins Wort und sorgt für das, was man aus dem Straßenverkehr als „Stop-and-go“ kennt. Unterm Strich stehen dann viel und nichts sagende Antworten wie: „Oh ja, es hat sehr viel Spaß gemacht diesen Film zu drehen.“ Eine Lösung hätte sein können, auf große Namen von weither zu verzichten, was jedoch angesichts der bereits lauen Einschaltquoten ein nicht zu unterschätzendes Risiko bedeutet hätte. Die Alternative wäre gewesen, die Leute einfach englisch sprechen zu lassen. Doch hier tut sich ein weiteres Problem auf. Auch, wenn „Wetten, dass ..?“ mit Gästen wie zuletzt „One Direction“ versucht hat, eine jüngere Zielgruppe anzusprechen, ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Sendung bei ihren Quoten in großen Teilen auf ein Publikum angewiesen ist, das sich aus älteren Zuschauern zusammensetzt. Genau diese sind es jedoch, die das Fehlen einer deutschen Übersetzung abgeschreckt hätte.

Wie die hier aufgeführte Problematik verdeutlicht, haben viele nur schwer greifbare Variablen zum Scheitern der Show beigetragen. Den Moderator – sicherlich nicht frei von Schuld – zum Alleinverantwortlichen zu erklären, wäre zu leicht. Unterm Strich steht ein Kultformat des deutschen Fernsehens, dem verwehrt wurde, in Würde zu gehen. „Wetten, dass ..?“ war krampfhaft darauf bedacht jeden anzusprechen und hat somit letztlich niemanden mehr angesprochen.