Unter den PR-Strategen steht spätestens seit Barack Obamas Wahlkampf im Jahr 2008 fest, dass im Internet die Zukunft der politischen Kommunikation liegt. Die Wunschvorstellung: Mobilisierung der Wählermassen per Mausklick und Erlangung der politischen Deutungshoheit über die Blogosphere. Ein Blick auf Deutschland fällt in dieser Hinsicht jedoch ernüchternd aus: Parteien und Politiker lassen bestenfalls Profile in sozialen Netzwerken von Praktikanten betreuen und haben auch im vergangenen Wahlkampf kaum auf die Möglichkeiten des World Wide Web zur Wählermobilisierung gesetzt. Ein Grund dafür ist die Angst der Parteien vor einem inhaltlichen Kontrollverlust, wie ein Zitat von SPD-Mann Kajo Wasserhövel aus dem Jahr 2009 zeigt: „Es ist nicht entscheidend, wie viel Buntes die Parteien ins Netz stellen, sondern der entscheidende Punkt ist, dass Obamas Wahlkampf zentral geplant und dezentral durchgeführt wurde. Das bedeutet natürlich in gewissem Maße einen Kontrollverlust, auf den sich die Parteien einlassen müssen.“ Außerdem stellt der Politiker fest, dass „wir im Unterschied zur USA hier in Deutschland nicht den Zustand haben, dass wesentliche Meinungsbildner in der Bloggerszene zu Hause sind. Vielleicht ist das eher was für 2013.“
Nichts Neues also in der politischen Kommunikation der Berliner Republik? Einzelne junge Politiker wagen zumindest seit Kurzem den aktiven Schritt ins Netz. Familienministerin Kristina Schröder beispielsweise „zwitschert“ regelmäßig und erlebte dabei kürzlich eine PR-Schlappe. Als sie es im vergangenen Monat wagte, die Sparpläne der Bundesregierung vehement zu verteidigen und als Rechenbeispiel das Einkommen einer vierköpfigen Familie in Hartz IV vorzuführen, prasselte ein wahres Kreuzfeuer (in Fachkreisen auch „Twitter-Shitstorm“ genannt) auf die Ministerin ein. Die Mehrheit der Retweets enthielt Beleidigungen und Spott, echte Alternativen zum Sparpaket wurden von der Community jedoch nicht aufgezeigt. Dies zeigt: Eine Plattform wie Twitter ist von Natur aus eher am politischen Kabarett als am Diskurs interessiert und daher für Politiker mit Vorsicht zu genießen.
Doch wie könnte ein konstruktiver Austausch zwischen Politik und Gesellschaft im Netz aussehen? Ein positives Beispiel findet sich bereits heute auf kommunaler Ebene in Form der „Bürgerhaushalte“. Internet-User können hierbei aktiv an der Haushaltsplanung ihrer Kommune teilnehmen, indem sie auf einer entsprechenden Plattform Vorschläge einreichen, kommentieren und bewerten. Die bestbewerteten Vorschläge werden daraufhin von der Verwaltung geprüft und eventuell sogar in den Haushaltsentwurf aufgenommen.
Quellen:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,699935,00.html
http://www.medienhandbuch.de/news/wahlkampf-2009-internet-soll-menschen-wieder-an-die-politik-heranfuehren-23237.html
http://www.buergerhaushalt-trier.de/