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Alaskas Polizei: Selfies können lebensrettende Informationen überliefern

Seitdem das ,,Selfie‘‘ offiziell vom Oxford English Dictionary zum englischen Wort des Jahres 2013 gewählt worden ist, dürften keinerlei Zweifel mehr daran bestehen, dass  dieser Trend einer der populärsten im heutigen Smartphone-Zeitalter ist. In sozialen Netzwerken wie beispielsweise Facebook oder Instagram gehören digitale Selbstbildnisse bereits zum Alltag: über eine Millionen Selfies werden täglich aufgenommen und rund zwei Drittel davon anschließend gepostet. Prominente und Politiker schließen sich ebenfalls diesem Hype an. Sie nutzen die geschossenen Selbstportraits zur Image-Pflege und möchten durch ebendiese Nähe zu ihren Fans und Wählern aufbauen. Hollywood widmet diesem Phänomen sogar eine eigene Comedyserie namens ,,Selfie‘‘ und das Londoner City Lit College bietet ab März 2015 ein Selfie-Seminar (,,The art of self portraiture‘‘) an.

Die Omnipräsenz dieses Phänomens wird jedoch auch kritisch wahrgenommen: das ständige Posten von Selfies wird zunehmend als oberflächlicher Trend abgetan, der lediglich der reinen Selbstinszenierung dient. Desto verwunderlicher dürfte es dem einen oder anderen nun erscheinen, dass die Polizei in Alaska öffentlich dazu aufruft, Selfies in sozialen Netzwerken hochzuladen. Was steckt hinter dieser Aufforderung?

Klar ist, dass es sich hierbei um keine gewöhnlichen Selfies handeln kann: den Alaska State Troppers geht es vielmehr darum, Outdoor-Sportler vor einem Ausflug in die Wildnis dazu zu bringen, Fotos von sich und der Ausrüstung aufzunehmen. Das Motiv dahinter: ein Selfie könnte im entscheidenden Fall Leben retten.

Am 5. Januar war ein Bild auf der Facebook-Seite der Alaska State Troppers veröffentlicht worden, auf dem eine Notiz und ein mit Namen versehenes Formular über das Ziel des Ausflugs zu sehen sind. Der dazugehörige gepostete Text macht deutlich, wofür die Polizei in Alaska mit dieser Aktion wirbt: durch das Ausfüllen eines solchen Formulars und die direkt vor Beginn geschossenen Selfies sollen die Berg- und Wildnistouren ihrer Bürger an Sicherheit gewinnen. Auf diese Weise werden den Rettungsmannschaften nämlich wichtige Anhaltspunkte geliefert, welche die Kleidung, die verwendeten Wintersportgeräte und den Aufenthaltsort betreffen. ,,Selfies könnten Details zeigen, die ein Formular nicht erfasst“ äußert die Sprecherin der State Troppers, Beth Ipsen, gegenüber der Webseite „Alaska Dispatch News“. Sie fügt hinzu: ,,Etwa wie der Helm oder die Jacke aussieht, Schilder auf dem Schneemobil oder andere Identifizierungshinweise, die bei einer eventuellen Rettungsaktion hilfreich wären‘‘.

Die Idee, die hinter diesem Projekt steht, verleiht den Selfies eine sinnvolle Bedeutung und zeigt beispielhaft auf, wie dieser Trend positiv genutzt werden kann. Ob diese prophylaktischen Maßnahmen jedoch wirklich zur schnelleren Hilfe für Verunglückte und zur Lebensrettung beitragen, bleibt abzuwarten.

 

Quellen:

Selfie Infographic – “Selfiegraphic” Facts and Statistics

http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/boulevard_nt/article123061322/Das-Selfie-ist-der-Trend-des-Jahres.html

5 Lesetipps für den 9. Januar

http://www.adn.com/article/20150106/alaska-state-troopers-encourage-lifesaving-selfies-backcountry-travelers

http://www.spiegel.de/reise/aktuell/polizei-von-alaska-fordert-zu-selfies-auf-a-1011895.html

In den Bergen können Selfies Leben retten – meint die Bergwacht in Alaska

 

 

,,Syrian Hero Boy“: Medien werden durch Inszenierung getäuscht

Eine sandige Straße, welche von stark zerstörten Gebäuden umgeben ist. Ein Junge wirft sich in den Kugelhagel. Aufgebrachte Stimmen aus dem Off kommentieren das dramatische Geschehen, das den Eindruck erweckt, mit einer Handykamera von Zivilisten aufgezeichnet worden zu sein. Eines der Geschosse scheint ihn getroffen zu haben, er geht zu Boden. Kurz darauf rappelt er sich wieder auf, um auf ein demoliertes Autowrack zu zuhechten. Der Junge zieht ein kleines Mädchen dahinter hervor und gemeinsam gelingt ihnen die Flucht hinter eine schutzbietende Mauer.

,,Syrian Hero Boy rescue girl in shootout‘‘ lautet der Titel dieses You-Tube Videos: es dokumentiert ein emotionales Ereignis im syrischen Bürgerkrieg. Der Web-Clip, welcher bis heute knapp fünf Millionen Aufrufe verzeichnen kann, war bereits am 10.11.2014 von Shaam News Network hochgeladen worden und kursiert seitdem im Netz. Mehrere Nachrichtensender, darunter auch n-tv und BBC, sowie einige Nachrichtenmagazine nahmen es –  als authentisch oder möglicherweise authentisch –  in ihre Berichterstattung auf. Selbst das US-Außenministerium trug zur Verbreitung der Aufnahme per Twitter bei.

Doch nun stellt sich heraus: bei dem Video handelt es sich eindeutig um eine Fälschung, wie der norwegische Filmemacher Lars Klevberg offenbart. Er habe die Szene Anfang dieses Jahres mit professionellen Schauspielern auf Malta gedreht und sie dann anschließend als reales Ereignis publik gemacht, um  eine erhöhte Aufmerksamkeit auf das Schicksal von Kindern in Krisengebieten zu lenken. ,,Wir verfolgen positive Ziele, wollen auf Kinder aufmerksam machen, die zwischen die Frontlinien geraten„, so rechtfertigt sich der Regisseur für die Inszenierung dieses ,,Heldenmythos‘‘. Die wohl gemeinte Intention hinter dem Fake-Video lässt sich ohne Frage erkennen, dennoch wird der Norweger von  Menschenrechtlern und Journalisten kritisiert: ,,es sei unverantwortlich, einen fiktiven Film als echtes Material zu verbreiten und so das sehr reale Leiden der Kinder in Syrien zu verharmlosen„.

Die Medien sind hinsichtlich des Clips einer Inszenierung aufgesessen, was darauf schließen lässt, dass das bedeutende Qualitätskriterium der Richtigkeit weitestgehend vernachlässigt worden ist. Somit rückt ein Problemfeld des Informationsjournalismus in den Fokus: die (unwissentliche) Verbreitung von Falschmeldungen und die Verwendung von nicht klar verifizierbarem Darstellungsmaterial. Doch dies ist nicht das erste Mal, dass es in der Medienbranche hierzu kommt. Beispielsweise hat die ARD im August dieses Jahres ,,falsches‘‘ Bild- und Filmmaterial während der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt eingesetzt: die Aufnahmen waren jedoch schon 2008 entstanden.

Die Medien müssen sich stets darüber im Klaren sein, dass sie bei jedem Aufliegen einer Fälschung unwillentlich zur Propagandierung  einer bestimmten Seite beitragen könnten. Auch muss man sich vergegenwärtigen, dass somit eine Meinungsbildung hervorgerufen werden kann, die auf falschen Tatsachen beruht.

Professionelle und ethische Standards, die Richtigstellung nach Veröffentlichung genauso wie bestimmte Normen und das Festhalten an einem Katalog von Qualitätskriterien können dem Problemfeld entgegenwirken. Diese Qualitätsmaßstäbe können jedoch nicht ausschließen, dass die einzelnen Aspekte untereinander konkurrieren: ,,Wer zum Beispiel schnell informieren will (Aktualität), kann dies meist nicht hintergründig tun und sich kaum Zeit für Recherche nehmen (Richtigkeit).‘‘ (Meier, Klaus: Journalistik. Konstanz, UVK Verlagsgesellschaft: 1. Auflage von 2007, S. 225)  Des Weiteren gibt es bestimmte Agenturen, die sich der Überfülle an Foto- und Videomaterial von Kriegen, Katastrophen und Konflikten annehmen und deren Echtheit überprüfen. Als Beispiel lässt sich hier das Unternehmen Storyful anführen, welches sich mit der Verifizierung von Social Content befasst.

Abschließend lässt sich positiv vermerken, dass solche Falschmeldungen eher die Ausnahme in der objektiven Berichterstattung bilden. Dennoch kann es uns als Rezipienten nicht schaden, unser oftmals uneingeschränktes Medienvertrauen zu überdenken und dem nächsten ,,authentisch-wirkendem‘‘ Video aus Krisenregionen erst einmal etwas kritischer zu begegnen.

 

Weitere Quellen:

http://www.n24.de/n24/Nachrichten/n24-netzreporter/d/5728718/fake-video-von–syrischem-heldenjungen–empoert-menschenrechtler.html

http://www.bbc.com/news/magazine-30043574

Meier, Klaus: Journalistik. Konstanz, UVK Verlagsgesellschaft: 1. Auflage von 2007, S. 225-259