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Achtung! Hier kommt ein Skandal! (Vielleicht.)

„Bild der Frau“, „Frau mit Herz“, „Frau ohne Herz“, „die aktuelle“, „7 Tage“ – wer wissen will, was in der Welt der Promis, der Schönen (und oft Reichen) gerade abgeht, der wird sie kennen, die Zeitschriften mit dem großen Klatsch-Content. Ihre Daseinsberechtigung ziehen sie nicht unbedingt aus dem beiliegenden TV-Programm, sondern vielmehr aus der Enthüllung von skandalösen Vorfällen in europäischen Königshäusern, von denen sonst nie jemand etwas mitbekommen hätte. Und eigentlich auch niemand mitbekommen muss.

Der Autor Stefan Niggemeier führt auf seinem Blog eindrucksvoll vor, was hinter den oftmals so reißerischen Titelschlagzeilen dieser Klatschzeitschriften steckt – nichts als heiße Luft. Mit aufgeblasenen Titeln werben die Blätter am Zeitschriftenstand um Leserinnen, versprechen ihnen den skandalösesten Skandal aller Skandale und tun am Ende doch nichts anderes, als die Käufer in die Irre zu führen.

Niggemeier erklärt das System der Klatschblätter am Beispiel der „aktuellen“ vom 28. April:

»Oh nein! Samuel Koch: Dramatischer Sturz aus dem Rollstuhl!« bedeutet, dass Koch in seiner gerade erschienenen Autobiographie unter anderem auch beschreibt, wie er einmal aus seinem Rollstuhl gefallen ist.

Und »Also doch! Nicolas Sarkozy & Carla Bruni: Steht ihre Ehe vor dem Aus« hat den faktischen Hintergrund, dass Sarkozy die erste Runde der Präsidentschaftswahlen verloren hat und die »aktuelle« sich nicht vorstellen kann, dass die Bruni mit einem Verlierer zusammen sein will.

Dieses Vorgehen ist nicht nur aus medienethischer Sicht ziemlich perfide, es birgt auch interessante Fragen zum Umgang der Medien mit Sprache. Die Sprache ist ein zentrales Element aller Medien, ohne sie sind Medien undenkbar. Gerade Journalisten sollten sich darüber im Klaren sein, was sie mit Worten bewegen können und wie viel Macht tatsächlich hinter einem Text, einer Schlagzeile steckt. Sie sollten Sprache nicht nur als reines Werkzeug einsetzen, sondern auch als ihr wichtigstes Gut betrachten, mit dem sie Öffentlichkeit herstellen und lenken können.

Besagte Klatschblätter wissen natürlich ganz genau, was sie tun, wenn sie wieder einmal aus einer Mücke einen Elefanten machen: Sie wollen verkaufen, sie müssen es sogar. Je reißerischer der Titel, je aufregender und vielversprechender die Schlagzeile, desto besser der Absatz. Aber sie übersehen dabei, welchen Effekt sie damit auf Dauer bei ihren Lesern auslösen könnten: Den Verlust ihrer journalistischen Glaubwürdigkeit.

Dem Großteil der Käufer dürfte es vielleicht nicht auffallen, dass sich der im Titel angekündigte „Skandal“ um Nicolas Sarkozy im Heft plötzlich in nichts auflöst. Dazu verpacken die „Journalisten“ der Klatschblätter ihre Storys zu professionell. Doch irgendwann bleibt bei dem einen oder anderen vielleicht doch mal der Gedanke hängen, dass an den Titelstorys irgendwie nie wirklich was dran ist.

Ob sich die Macher von „Frau mit Herz“ & Co darüber Gedanken machen, darf angesichts der konsequent durchgehaltenen Täuschung ihrer Kunden eher bezweifelt werden. In Verlagskreisen regiert die Kurzsichtigkeit mit eiserner Hand, wie es scheint. Was bleibt, ist ein bitterer Beigeschmack bei jeder „Schlagzeile“. Und die Frage, wo echter Journalismus aufhört. Manche Redaktionen, so scheint es, haben die Grenze längst überschritten.

Und es nicht bemerkt.

 

Europa auf dem Weg in die digitale Zukunft (medienforum.nrw 2)

Das 22. medienforum.nrw stand diesmal unter dem Motto „Was uns lieb und teuer ist“. Eine Sache, die uns allen lieb und teuer sein sollte, ist unsere Zukunft. Auch die Zukunft der Medien in Europa und der Umgang mit dem digitalen Zeitalter standen auf der Tagesordnung und wurden kontrovers diskutiert. Die Ergebnisse sprechen für sich.

Die Europäische Union bildet viele Kommissionen. Eine davon befasst sich mit der „Digital Agenda“, einem zukunftsorientierten Projekt zum Umgang mit digitalen Medien und deren Rolle in unserem Alltag. Unter anderem soll die Frage geklärt werden, wie man digitale Medien bestmöglich nutzen kann und wo die Schwierigkeiten und Probleme liegen, die damit verbunden sind.

Eine der Keynote-ReferentInnen, die Beraterin Annet Aris, beschäftigte sich beispielsweise auch mit dem Bezahlverhalten der Menschen im Internet. Zurzeit herrscht dort eine Mentalität vor, die das Bezahlen für Inhalte im Netz als nicht notwendig erachtet. Daraus aber resultiert letztlich ein verhängnisvoller Kreislauf:

Sind die User nicht bereit, für Inhalte im Internet zu bezahlen, müssen die Anbieter mehr Einnahmen durch Werbung finanzieren. Dadurch verschlechtert sich jedoch auch das inhaltliche Angebot und seine Attraktivität nimmt ab. Dies hat wiederum zur Folge, dass die User noch weniger bereit sind, für diese Angebot zu bezahlen – und ein verhängnisvoller Kreislauf ist geschlossen.

Die Rolle der digitalen Medien in unserem geschäftlichen und privaten Alltag nimmt stetig zu und wird dies auch in Zukunft tun. Nur müssen die Anbieter überlegen, auf welche Weise sich das für sie rentieren kann, ohne dass sie dabei die Qualität ihrer Angebote vernachlässigen. Eine endgültige Lösung in dieser Frage ist noch nicht abzusehen, doch bereits jetzt kursieren im Netz verschiedene Dienste wie z.B. flattr, mit denen man Inhalte honorieren kann.

Die Digital Agenda der EU ist ein wichtiges Papier. Auch Themen wie Internetsperren und die Weiterentwicklung von Breitbandnetzen sind darin festgehalten. Doch wie so oft reicht eine Richtlinie nicht aus, um wirklich etwas verändern zu können. Die Agenda muss in den nächsten Jahren auch umgesetzt werden und dazu müssen immerwieder große Hürden überwunden werden, z.B. auch beim Datenschutz.

Dennoch ist es positiv zu bemerken, dass Europa die Zeichen der Zeit erkannt und ihre Pläne für den Umgang mit denselben dezidiert festgehalten hat. Auf die Umsetzung dürfen wir alle gespannt sein, denn so weit weg wie die meisten Menschen glauben, ist die EU-Politik gar nicht. Sie beginnt am Ende bei jedem einzelnen von uns und sie endet dort, wo wir alle hin wollen: In der Zukunft.

Die Medien und die Privatsphäre

Das Recht auf Privatsphäre ist wichtig. Das gilt nicht nur für jeden Normalsterblichen, sondern gerade auch für die Menschen, die im Licht der Öffentlichkeit stehen: Politiker, Schauspieler, Mediengesichter. Das zurzeit wohl meist beachtete Gesicht ist das von Lena Meyer-Landrut, die uns am kommenden Samstag beim Eurovision Song Contest in Oslo vertritt.

Unser „Star für Oslo“ ist gerade frische 19 Jahre alt und innerhalb weniger Wochen zum deutschen und internationalen Shooting-Star geworden. Der Aufstieg nach ihrem Sieg im Finale des deutschen Vorentscheids ging so rasend schnell, dass sie quasi über Nacht zum Promi mutierte. Doch mit ihrer Medienpräsenz wuchs auch das Interesse derselben an ihrem Privatleben.

Gegipfelt war dieses „Interesse“ vor kurzem in einer aufsehenerregenden Dokumentation eines lange zurückliegenden Auftritts in einer TV-Serie, in der Lena kurzzeitig unbekleidet zu sehen gewesen war.  In alter Boulevard-Manier ging die Meldung herum wie ein Lauffeuer, wie die Hyänen stürzten sich die „Journalisten“ auf die einzige Story, die man um den Star für Oslo konstruieren konnte. Geschmackloser ging es nicht.

Lena indes verfolgt ihre Linie im Umgang mit den Medien konsequent weiter: Keine Infos aus ihrem Privatleben für die Öffentlichkeit! Das galt schon von Anfang an und das ändert sich auch jetzt, so kurz vor dem Finale in Oslo, nicht. Sie tut gut daran, die Medien nicht zu sehr an ihrem Leben teilhaben zu lassen. Schließlich ist sie „nur“ unsere Vertreterin beim Eurovision Song Contest – was ihre Familie oder ihr Liebesleben angeht, das hat in der Öffentlichkeit nichts verloren.

Die Medien sehen das freilich anders. Ihre Berichterstattung soll die Menschen möglichst umfassend informieren, das öffentliche Interesse an bekannten Persönlichkeiten befriedigen und am besten jedes noch so pikante Detail aus ihrem Privatleben nach außen kehren. Rücksichtnahme und Pietät scheinen dabei Fremdwörter zu sein, das so genannte „öffentliche Interesse“ stärker als die Privatsphäre.

Diese Respektlosigkeit verdient keinen Applaus, sondern Strafe. Und so verteilt auch Lena Meyer-Landrut auf ihren Pressekonferenzen regelmäßig Absagen an allzu neugierige Medienvertreter, die ihren Wunsch nach Schutz ihres Privatlebens gekonnt zu ignorieren versuchen.

Im jüngsten Beispiel erwischt es eine RTL-Reporterin, die wissen wollte, wer von ihrer Familie denn mit nach Oslo gekommen sei. Lena weist die Frage ab und Stefan Raab setzt nach: „Dann muss Frauke Ludowig halt mal ohne so nen Käse auskommen!“

Richtig so! Denn auch wenn die Medien zweifelsohne einem Informationsauftrag nachkommen müssen, gibt es auch Grenzen. Und die sind immer dann erreicht, wenn Menschen in ihrem Recht auf Privatsphäre verletzt werden. Von Lena Meyer-Landrut werden wir hoffentlich auch in Zukunft nicht mehr hören, als sie selbst es will. Und so wie es ihr bisher gelungen ist, die Medien auf Distanz zu halten, müssen wir uns darum wohl auch nicht sorgen.

GEZ vor einer Reform?

Der ewige Kampf um die Rundfunkgebühren geht weiter. Nachdem am Donnerstag der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof ein Gutachten über die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen vorstellte, kam Bewegung in die gesamte Branche. Man verspricht sich viel von diesem neuen Anstoß, hofft auf eine Reformierung der bisherigen Regelung, die ungerecht und undurchsichtig erscheint. Nun könnte also alles anders werden – „besser“ ist schließlich immer noch relativ zu sehen. Künftig könnte es nämlich jedem an den Geldbeutel gehen – auch wenn gar kein Fernsehgerät im Haus ist.

Auf insgesamt 85 Seiten analysiert Kirchhof im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio die große Frage der Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und plädiert für eine Ablösung der bisher geräteabhängigen Abgabe durch einen Beitrag pro Haushalt. Die Begründung: „Eine Finanzierung der allgemein zuga?nglichen Quelle belastet grundsa?tzlich jedermann im Einwirkungsbereich des o?ffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil er den Vorteil hat, nach individuellem Belieben auf diese Quelle seiner Information, Meinungsbildung, Unterhaltung und kulturellen Anregung zuru?ckzugreifen.“

Auch wer nicht direkt von ARD/ZDF profitiert, tut es in gewisser Weise also doch und muss dementsprechend auch dafür zahlen. Nicht die Nutzung des Angebots ist die Grundlage der Gebühr sondern das Erstellen der Angebote selbst. Damit wäre die geräteabhängige Gebührenzahlung hinfällig geworden. Vorteil bei Kirchhofs Modell wäre z.B. eine einfache Realisierbarkeit und die Schonung der Privatssphäre, weil nicht länger überprüft würde, welche Geräte genutzt werden. Bei sozial schwachen Bürgern spricht sich Kirchhof für eine Erhöhung des Wohngelds um den Rundfunkbeitrag von 18 Euro aus, so könnten in Zukunft auch aus sozial schwachen Schichten Beiträge an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehen.

Ob diese Regelung der große Wurf ist, bleibt abzuwarten. Eine Umverteilung der Gebührenzahlung klingt zunächst verheißungsvoll, doch was am Ende dabei herauskommt und wer später was zahlen muss, das steht noch auf einem anderen Papier. Fest steht nur: Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender durch Gebühren ist ein wichtiger Sockel für das System, doch ob eine Pauschalzahlung mit der Begründung sinnvoll ist, dass die Sender „irgendwie auch etwas“ für den einzelnen Gebührenzahler tun, er also direkt davon profitiert, obwohl er die Programme evt. gar nicht konsumiert (z.B. weil sie ihm persönlich keinen Mehrwert bieten oder ihren Auftrag nach seiner Auffassung nicht erfüllen), ist doch immer noch fraglich.

Das jetzt vorgestellte Gutachten wird auch ein Thema der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder am 9. Juni sein. Dort wird sich dann zeigen, ob es tatsächlich mehr als ein Gedankenanstoß ist. Eine neues Gebührenmodell für ARD, ZDF und Co. könnte ab 2013 in Kraft treten.

Quelle: dwdl.de

„Journalistisch sensationell schlecht“

Zum 60. Geburtstag macht die BILD-Zeitung der ARD ein ganz besonderes Geschenk: Eine Schmähartikel-Reihe über Gebührenverschwendung und Qualitätsverlust. Zwar heißt es ja „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, doch wenn jemand dieses Motto konsequent ignorieren kann, dann ist es das Blatt mit den vier großen Buchstaben. Auch dieses Mal wirft die BILD mit Steinen nur so um sich, ohne zu erkennen, dass sie selbst in einem riesigen Scherbenhaufen sitzt.

Die Einstiegszeile in den Artikel liest sich gewohnt reißerisch: „60 Jahre ARD! Im letzten Teil des BILD-Reports lesen Sie, wie Europas größter Sender mit Lustreisen und Luxusgagen Gebührengelder verprasst“. Es folgt die Berichterstattung über die Reise der ARD-Programmchefs zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking. Nach dem Zitat der offiziellen Begründung („Die Verantwortlichen des Senders hätten sich vor Ort ein Bild über die Arbeitsbedingungen und -belastungen gemacht“) greift die BILD dann mal richtig in die investigative Schublade und stellt fest: „Es ist nicht bekannt, dass sich ein ARD-Chef jemals ein Bild von den Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter bei Erdbeben, Tsunami oder anderen Weltereignissen gemacht hat.“

Es folgt eine Schlammschlacht um die mysteriöse Verwicklung der öffentlich-rechtlichen Sender in die Finanzierung von Sportveranstaltungen und das Sponsoring von Interviewpartnern: „Auch ansonsten legt die ARD-Firma ein seltsames Geschäftsgebaren an den Tag. Acht Jahre lang wurde von ihr der des Dopings verdächtige Radsportler Jan Ullrich mit maximal 195 000 Euro pro Jahr alimentiert. Dafür sollte er vor allem Interviews nach seinen Rennen geben. Gleichzeitig war die ARD auch noch Sponsor von Ullrichs Arbeitgeber Team Telekom.“

Nach diesem Seitenhieb kommt der Redakteur schließlich zum medien-kritischen Rundumschlag – und zitiert natürlich Bundestagspräsident Norbert Lammert, der wohl nie müde werden wird, den öffentlich-rechtlichen Sendern seinen ganz persönlichen Spiegel vorzuhalten und ihnen vorzuwerfen, ihrem Bildungs- und Informationsauftrag nicht nachzukommen. Bei der BILD  lässt man es sich natürlich nicht nehmen, noch einmal in die Kerbe zu schlagen, die eigentlich schon längst ausgeglättet wurde: „Als sich der Bundestag im letzten Oktober zur konstituierenden Sitzung traf, übertrug der selbst ernannte Informationssender ARD die historische Sitzung nicht.“ Dass diese Sitzung aber sehr wohl übertragen wurde, nämlich beim ARD/ZDF-Spartenkanal Phoenix, lässt auch die BILD in Lammert-Manier gekonnt unter den Tisch fallen.

Zum Schluss maßt man sich bei Deutschlands Qualitätsmedium Nummer 1 noch die Beurteilung der ARD-Programmierung an: „Die Politmagazine der ARD („Panorama“, „Monitor“, „Kontraste“) waren einst die öffentlich-rechtliche Bastion neben „Tagesschau“ und „Tagesthemen“. Heute sind die Magazine journalistisch fast in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, immer weniger schalten ein. […] Die ARD kürzte die Sendezeit ihrer einstigen Aushängeschilder von 45 auf 30 Minuten.“ Zwar mag die Kritik in einigen Punkten durchaus der Realität entsprechen, dennoch zeigt dieses Beispiel wieder einmal, wie gekonnt man das Handwerk der einseitigen Berichterstattung bei der BILD beherrscht.

Den größten Stein wirft man mit dem Verweis auf das Ergebnis einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung: Diese „untersuchte […] die Berichterstattung von „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ über die Finanzkrise, fand sie „journalistisch sensationell schlecht“. Das Institut wertete 141 Beiträge aus. Die Redaktionen von „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ geben sich laut der Studie wenig Mühe, Sachverhalte und Begriffe zu erläutern und anschaulich zu vermitteln.“ Wenn es darum geht, Sachverhalte und Begriffe zu erläutern und anschaulich zu vermitteln, ist die BILD-Zeitung der ARD natürlich weit voraus. Das mag in gewisser Weise sogar stimmen – nur fällt dabei leider allzu oft ein Großteil wichtiger Informationen unter den Tisch, wird verfälscht oder viel zu reduziert dargestellt. Dann nebelt man lieber die Titelseite ein und versieht das Ganze mit dem plakativen Schriftzug „Das Asche-Monster“ – so begreift auch der letzte Leser, wie ernst die Lage wirklich ist.

Mit diesem Artikel beweist die BILD wieder einmal, wie unersetzlich sie für unsere Republik ist. Hier wird der kleine Mann noch aufgeklärt über die bösen Rundfunkanstalten, die ihre Gebühren verschleudern und noch dazu an ihrem Publikum vorbei senden. Dann doch lieber eine frisch gedruckte BILD-Zeitung – journalistisch sensationell schlecht, aber dafür verständlich. Was will man mehr?

Zum Artikel (bild.de)

Studis on air – warum Campusradios wichtig sind

Medienkompetenz. Was ist das eigentlich? Warum brauche ich es? Und vor allem: Wo bekomme ich das her? Fragen, die sich angehenden Medienwissenschaftlern und Journalisten sehr oft stellt. Im Rahmen unseres Studiums werden wir immer wieder mit diesem Wort konfrontiert, auf der Liste der Soft-Skills steht es bei den Personalern ganz weit oben und im Prinzip kann es jeder von uns gebrauchen.

Die Fähigkeit mit Medien umzugehen, sie für seine Zwecke zu nutzen und dabei noch etwas für die Zukunft zu lernen, all das gehört zu unserer Ausbildung selbstverständlich dazu. Medienkompetenz erwirbt man ganz von selbst, sagen die einen. Das reicht aber noch nicht, sagen die anderen. Selbst aktiv werden, lautet die Devise, vor allem wenn man seine Zukunft in der Medienlandschaft sieht. Praktische Erfahrungen sind die wichtigsten im Lebenslauf. Je früher man damit anfängt, desto besser.

Eine hervorragende Möglichkeit, Medienkompetenz schon während seines Studiums zu erwerben, bieten die Campusradios im Land. Das erste ging 1950 an der Hochschule Illmenau auf Sendung, inzwischen finden sich in fast jedem Bundesland junge Radiosender, die von Studierenden ins Leben gerufen wurden und mit viel Engagement betrieben werden. Gerade in Nordrhein-Westfalen ist die Dichte der Hoschulradios besonders hoch. Aber auch in Rheinland-Pfalz wird gesendet – in Mainz und seit Herbst 2009 auch in Trier!

Eine Redaktion organisieren, Programme und Sendekonzepte erstellen, O-Töne sammeln und Beiträge schneiden, live on air gehen und Sendungen moderieren – all das fördert den Umgang mit digitalen Medien und bereichert das Studium eines angehenden Journalisten. Campusradios etablieren eine neue Kultur an den Hochschulen, sie informieren und unterhalten, bilden die (hochschul-)politische Meinung mit und bereichern das studentische Leben in der Stadt. Radio von Studierenden für Studierende – das gibt es jetzt auch an unserer Universität.

Das neue Campusradio Trier ist seit November 2009 regelmäßig auf Sendung, meist alle zwei Wochen donnerstags. Mitmachen kann und soll jeder, der Spaß am Radiomachen hat, sich engagieren, seinen Horizont erweitern – und nicht zuletzt – Medienkompetenz erwerben möchte. Nirgendwo sonst hat man die Chance, sich derart ausprobieren und selbst mitgestalten zu können – nicht im Praktikum und schon gar nicht als Job-Neuling.

Für alle Interessierten sei dies als offizieller Aufruf zu verstehen, sich bei unserem neuen Campusradio zu engagieren. Wer ein wenig Zeit mitbringt und sich nicht auf die Zukunft verlassen möchte, kann jetzt die Chance ergreifen, das Leben am Campus attraktiver zu gestalten und nebenbei auch noch etwas Gutes für sein Studium zu tun. Mehr Informationen gibt es auf www.campusradio-trier.de!

Sieben auf einen Streich

Gestern startete bei sieben Jugendwellen der ARD eine neue Radio-Talkshow zur späten Stunde: „Lateline“ heißt das neue Format und es läuft montags bis donnerstags zwischen 23 und 1 Uhr. Jede Sendung steht unter einem anderen Thema, jeder Sendetag hat seine/n feste/n Moderator/in. Vier Charakterköpfe der jungen deutschen Radiolandschaft geben der Sendung ihre Gesichter, bzw. ihre Stimmen: Jens-Uwe Krause, Caroline Korneli, Jan Böhmermann und Holger Klein. Große Namen, große Ambitionen: Ein fast bundesweiter Nachttalk für junge Menschen unter der öffentlich-rechtlichen Flagge, das ist ein großer Wurf.

Vor allem aber ist es ein positives Signal für die Branche. Auch an den jungen Wellen der ARD geht der Sparzwang nicht vorüber und niemand kann sagen, wohin sich der Hörfunk entwickeln wird. Dass man jetzt mit der Lateline ein derartig umfassendes Format an den Start bringt, zeugt vom Glauben an die Stärke des Radios und einem gesunden Optimismus – der durchaus angebracht ist. Gerade die nächtlichen Talksendungen sind beim jungen Publikum beliebt, geben sie den Hörern doch die Chance, ihre Meinungen, Gedanken und Probleme in die Öffentlichkeit zu tragen, sich auszutauschen, Hilfe zu bekommen.

Natürlich kann man der ARD auch vorwerfen, das neue Konzept passt genau in die Zeit von Sparzwang und Krise: Die Lateline für gleich sieben Radioprogramme zu produzieren, ist für die einzelnen Sender klar eine große Entlastung – nach dem Motto: Sieben auf einen Streich. Dennoch darf man von der Sendung viel erwarten, vor allem Qualität. Dafür stehen allein die erfahrenen Moderatoren, die der Lateline ein ganz besonderes Profil geben werden. Auch die multimediale Umsetzung lässt erkennen, dass man bei der ARD die Zeichen der Zeit erkannt hat: Twitter-Seite, Facebook-Profil und sogar ein eigener Blog begleiten die Radio-Talks – so geht Radio heute.

LATELINE (Bild: ARD)

Hirn will Arbeit! Radio für die Zukunft

Das Radio der Zukunft gibt es schon heute: Am 18. Januar geht das neue ?Deutschlandradio Wissen? an den Start. Das neue Programm ist neben ?Deutschlandfunk? und ?Deutschlandradio Kultur? der dritte Ableger des Deutschlandradios. Das redaktionelle Konzept des neuen Senders lässt aufhorchen ? und könnte eine Zukunftsperspektive für das Medium Radio sein.

Die jungen Wilden, so nennt DLR-Intendant Willi Steul die elfköpfige Redaktion von ?Deutschlandrado Wissen?, ein werbefreies Vollprogramm, in das jährlich sieben Millionen Euro investiert werden. Und doch ist man offenbar der Ansicht, dass der neue Sender in unsere Zeit passt. Die Redakteure sind alle um die dreißig, sie sind die Radiomacher der Zukunft. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass ihnen gelingt, wovon andere Programmchefs nur träumen.

?Deutschlandradio Wissen? ist ein Radiolabor. Der neue Sender wartet mit einer ungewohnten Programmstruktur auf: Alle fünfzehn Minuten gibt es Nachrichten, immer aus einem anderen Themenzweig. Dazwischen laufen keine normalen Musiktitel, sondern eigens für den Sender entwickelte Soundbetten zur Untermalung des Programms.

Das Bemerkenswerteste jedoch ist die redaktionelle Aufbereitung der Inhalte: Es gibt einen eigenen ?Netz-Reporter?, quasi einen Korrespondenten im Web, Redaktionsblogs, eine täglich live übertragene Redaktionskonferenz, wöchentliche ?Zeit Online?-Talks und einzelne Beiträge noch vor der linearen Ausstrahlung auf der Homepage. Das sind neue Wege, die zu gehen bisher noch kaum ein Radiosender gewagt hat.

Die Loslösung vom Hauptprogramm, hin zu einer Nutzerorientierten Präsenz im Internet scheint der einzig sinnvolle Weg, mit dem Wandel der medialen Nutzungsgewohnheiten umzugehen. Wer sich nur auf das vermeintliche Kerngeschäft verlässt, wird auf Dauer nicht zukunftsfähig bleiben können. ?Deutschlandradio Wissen? macht sich auf den richtigen Weg, auch wenn die Senderverantwortlichen den Mund lieber noch nicht zu voll nehmen wollen: Von einem ?Radio-Labor mit Netzanschluss? ist die Rede, man will ?die Grenzen des Experimentellen testen?, so Intendant Steul.

Fest steht: Das Radio der Zukunft muss dem Nutzer mehr bieten als nur ein statisches, lineares Programm zum Zuhören. Die Mediengesellschaft von morgen will live dabei sein, wenn Inhalte entstehen, sie will mitreden, Themen und Nachrichten individuell konsumieren ? wann sie will, wo sie will und wie sie will.

www.dradio.de

www.tagesspiegel.de

Springer-Verlag bricht gefährliches Tabu

Die Stammleser der Onlineportale des „Hamburger Abendblatts“ und der „Berliner Morgenpost“ erwartete heute eine böse Überraschung: Ab sofort sollen sie für das Lesen von Online-Artikeln bezahlen! Damit bricht der Springer-Verlag ein in der Branche lange diskutiertes und unangetastetes Tabu – Schlagwort: „Paid Content“. Ob man sich damit einen Gefallen getan hat, darf bezweifelt werden. Die Leser jedenfalls können nicht glauben, was ihnen da gerade widerfährt.

Die Kommentare zum „In eigener Sache“-Text des stellvertretenden „Abendblatt“-Chefredakteurs Matthias Iken spiegeln blanke Entrüstung. Iken rechtfertigt darin die Entscheidung, die Online-Inhalte ab sofort auch nur gegen Bezahlung anzubieten. Das neue Konzept enthält ein Online-Abonnement für 7,95, bzw. 4,95 Euro im Monat. Wer die nicht zahlt, kann viele Artikel von Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost nicht mehr lesen. Immer wieder fällt das Wort Qualitätsjournalismus. Den könne man nicht länger umsonst anbieten, so das Argument. Im Weiteren fragt Iken: „Ist es zu viel verlangt, in Zeiten, wo aufgeschäumter Kaffee im Pappbecher drei Euro kostet oder das Telefonvoting für sinnbefreite Casting-Shows mindestens 50 Cent, für das Produkt Qualitätsjournalismus knapp 30 Cent am Tag zu bezahlen?“

Die empörten Leserkommentare stehen zu Recht unter Ikens Kommentar. Derart frech hat schon lange niemand mehr seine Leser vergrault, denn der mitschwingende Unterton enthält nichts anderes als die unmissverständliche Botschaft: „Zahlt gefälligst endlich für das, was wir euch hier bieten!“ Man mag vielleicht der Ansicht sein, dass dieses Ansinnen gar nicht so verkehrt klingt. Schließlich ist auch das Erstellen und die Pflege eines Onlineportals viel Arbeit, die entlohnt werden sollte. Doch wer meint, das Problem dadurch lösen zu können, indem er von heute auf morgen Bezahlschranken auf seine Internetseite setzt und die Leser direkt zwingen will, für den gestern noch kostenlosen Inhalt zu bezahlen, wird nur eins erreichen: Den Verlust der bisherigen Stammleserschaft und die Abschreckung zukünftiger Leser.

So lassen auch schon die ersten Lesermeinungen erahnen, welch dunkle Wolken auf den Verlag zuziehen:

„Dieses Geschreibsel von Herrn Iken ist so unverforen und frech, dass ich sofort mein Print-Abo kündigen werde. Zu versuchen, Euer hinfälliges Geschäftsmodell zu retten, ist eine Sache. Es ist das gute Recht des Abendblatts, mit Bezahlinhalten herum zu experimentieren. Von mir aus auch auf so einem Amateuerniveau. Aber das in ein derartig arrogantes, staatstragendes Geheuchel im scheinbaren Dienste übergordneter Werte zu hüllen, ist einfach nur jämmerlich!“

„Solange es weiterhin kostenfreie Alternativen gibt, wird ein kostenpflichtiges Abo nicht funktionieren. Über die Qualität läßt sich immer streiten. In diesem Sinne, bye,bye, HA!“

„Ihr habt sie doch nicht mehr alle….zurück zur realität!“

„Was ueberlebt wohl nach dem arroganten und rotzfrechen Artikel von heute laenger? Herr Iken oder des HA-Paid Content-Modell? Ich gebe beiden maximal noch ein halbes Jahr. Wer so paztig seine Leser angeht, der verbindet sein Schicksal zwangslaeufig mit dem Erfolg des neuen Geschaeftsmodells. Im Sommer 2010 koennte Herr Iken daher viel Zeit zum Bloggen haben…“

Der letzte Kommentar beweist wohl eindeutig, dass der Springer-Verlag mit dem Einstieg in das Paid-Content-Modell eine Tür aufgestoßen hat, hinter der sich ein tiefer Abgrund verbirgt. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob es ihnen gelingt, nicht hinabzustürzen – oder ob ein schneller Rückzug nicht die bessere Lösung wäre.

Quellen: dwdl.de / meedia.de / abendblatt.de

Die Schlammschlacht am Lerchenberg

Kaum eine Entscheidung über eine Führungsposition in den öffentlich-rechtlichen Medien hat in diesem Jahr so hohe Wellen geschlagen wie die über den zukünftigen Chefredakteur des ZDF. Am 27. November war sie gefallen ? und mit ihr geriet ein ganzer Berg ins Rutschen. Die Frage, die seitdem über allem steht: Wie groß ist der Einfluss der Politik in den Medien wirklich?

Das ZDF steckt in einer prekären Lage. Das liegt nicht nur daran, dass es sich einen neuen Chefredakteur suchen muss. Das liegt vor allem an den Umständen, die dies erforderlich gemacht haben. Als ZDF-Intendant Markus Schächter bei der letzten Sitzung des Verwaltungsrats den bisherigen Chefredakteur  Nikolaus Brender zur Wiederwahl vorschlug, machte ihm die Politik einen Strich durch die Rechnung.

Die Vertragsverlängerung scheiterte am Kalkül der Unionspolitiker um Hessens Ministerpräsident Roland Koch. Mit einer knappen Mehrheit sprachen sie sich bei der Abstimmung im Verwaltungsrat gegen Brender aus. Hinter der vorgeschobenen Begründung, Brender sei für ein quotenschwaches Informationsprogramm im ZDF verantwortlich, vermuten viele Journalisten und Branchenkenner eher ein persönliches Motiv: Brender gilt als unabhängiger Chefredakteur, der sich von den Politikern, die im Verwaltungsrat sitzen, in seinem Handeln nicht beeinflussen lässt. Genau das sei der Grund, aus dem man ihn nun schlichtweg ?abgesägt? hat.

Die Empörung über diese Entscheidung ist groß, denn sie hat eine Signalwirkung. An diesem Tag hat sich eindrucksvoll gezeigt, wie groß der Einfluss der Politik in den Medien bereits ist und was damit vorrangig auf dem Spiel steht: Die Pressefreiheit nämlich. Diese ist nicht mehr gegeben, wenn wichtige Personalentscheidungen in den Medien vom Staat gesteuert werden, wenn Politiker in den Verwaltungsräten der Sender ihr Machtkalkül ausspielen und vor allem nicht, wenn sie Einfluss auf das Programm der öffentlich-rechtlichen Anstalten nehmen wollen.

Entsprechend prominent sind die Stimmen, die sich zum Fall Brender erheben: Der langjährige WDR-Intendant Friedrich Nowottny bezeichnete die Vorgänge als ?jämmerliches Schauspiel?, das noch ?weit über den Fall Nikolaus Brender hinaus? reiche. Der langjährige ?Tagesthemen?-Moderator Ulrich Wickert bemängelte,  dass der ZDF-Verwaltungsrat verfassungswidrig mit zu vielen Politikern besetzt sei, denen es nur um das Diktat der Politik gehe. ?In der letzten Sitzung der ZDF-Gremien haben Parteienvertreter offen gesagt, dass sie auch bestimmen wollen, welche Politiker zu Interviews eingeladen werden und welche nicht ? das ist der Wahnsinn!?, so Wickert.

Recht hat er. Die Politik ist auf dem besten Weg, das öffentlich-rechtliche System zu zerstören, das sich eigentlich gerade durch seine politische Unabhängigkeit definiert. Doch in Zeiten, in denen die Medien für die Politik zu immer wichtigeren Steuerungskanälen werden, scheint das alles in den Hintergrund zu rücken. Frei nach dem Motto ?Der Zweck heiligt die Mittel? setzen sich die Politiker wie im Fall Brender eindrucksvoll unbehelligt über die grundlegendsten Richtlinien unserer Demokratie hinweg.

Einzig der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck schwimmt erneut gegen den Strom: Er will in Reaktion auf die jüngsten Ereignisse am Mainzer Lerchenberg den Rundfunk- Staatsvertrag und damit die erforderlichen Mehrheitsverhältnisse bei Beschlüssen im Verwaltungsrat des ZDF ändern. Ziel dabei sei es,  den Einfluss der Politik auf den Sender zu beschneiden. Ein lobenswerter Plan.

Bei der Schlammschlacht am Lerchenberg geht es zu wie bei einem Rockfestival: Was nach dem lauten Getöse übrig bleibt, ist zunächst ein großer Haufen Müll, den jemand wegräumen muss. Wer das beim ZDF sein wird, steht noch nicht fest, soll aber bis zum Jahresende entschieden sein. Ob und wie der neue Chefredakteur im Verwaltungsrat aufräumen und sich ein Schicksal wie das seines Vorgängers Brender ersparen kann, bleibt abzuwarten.

Quellen: tagesspiegel.de / dwdl.de

Mr. Tagesthemen und die neue Nachrichtenwelt

Drei Jahre nach seinem Abschied von den ARD-Tagesthemen meldet sich Ulrich Wickert in diesen Tagen zurück. Was er jedoch mit im Gepäck hat, dürfte den Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Sender gar nicht gefallen. Wickert rügt ARD und ZDF für ihre Nachrichtensendungen ? sein Vorwurf: Sprachliche und redaktionelle Inkompetenz. Ist seine Kritik vielleicht sogar gerechtfertigt?

Es ist ein Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, mit dem Ulrich Wickert seit heute von sich reden macht. Ein Beitrag, der sich gewaschen hat, denn der ehemalige Mr. Tagesthemen rechnet darin mit den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF ab. Er habe sich lange zurückgehalten, so Wickert, aber seit einiger Zeit rumore der Gedanke in ihm. Jetzt hat sich sein Unmut also den Weg nach draußen gebahnt.

In den öffentlich-rechtlichen Hauptnachrichten fehle es nicht nur am Sinn für die Vorbereitung wichtiger, aktueller politischer Inhalte, sondern auch an deren Einordnung. Als konkretes Beispiel führt er an, dass in keiner der Nachrichtensendungen das neue Bundeskabinett vollständig vorgestellt worden sei, obwohl dies bereits am 23. Oktober feststand. Wickert dazu: ?Das kann heute wohl keiner mehr verlangen.?

Tagesschau, Tagesthemen, heute und heute-journal fehle es offenbar an einem Verständnis für die politische Grundversorgung, so der ehemalige Nachrichten-Anchor weiter. Auch die Berichterstattung über den zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls von ARD und ZDF gerät dabei in sein Visier: Während der französische Sender France2 die Gedenkfeiern am 09. November schon am Nachmittag mit einer Sondersendung begann, lief im Ersten die Telenovela ?Sturm der Liebe?.

Neben dem ?starken Hang zur Unterhaltung statt Information? bemängelt Wickert auch die ?sprachliche Verlotterung? in den Nachrichtensendungen, wirft den Autoren vor, nicht einmal mehr korrekten Satzbau zu beherrschen. Doch auch die Moderatoren bekommen ihr Fett weg: Frank Plasberg zum Beispiel habe sich in Wickerts Augen während des TV-Duells von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Frank-Walter Steinmeier respektlos verhalten, indem er ?wohl bewusst? ohne Krawatte auftrat.

Abgesehen von der Debatte um die sprachlichen Qualitäten der Autoren und die Kleiderfrage während eines Gesprächs mit der Bundeskanzlerin bringt Ulrich Wickert mit seiner Kritik erneut ein Thema auf den Tisch, an dem sich schon seit einiger Zeit die Geister in der Medienbranche scheiden. Nicht zuletzt, seit das ZDF sein neues Nachrichtenstudio in Betrieb genommen hat, ist die Diskussion um die Nachrichtenvermittlung im Fernsehen aufs Neue entbrannt.

Wickert trifft mit seinen Äußerungen also durchaus einen sensiblen Nerv. Nach welchen Kriterien treffen die Redaktionen die Nachrichtenauswahl für ihre Sendungen? Wollen sie die Zuschauer primär informieren oder unterhalten? Nimmt eine Seite eventuell langsam Überhand? Und warum läuft am zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls in der ARD eine schmierige Telenovela anstatt der Übertragung der Feierlichkeiten oder Gesprächen mit Politikern und Zeitzeugen?

Fragen, die sich Ulrich Wickert in letzter Zeit anscheinend vermehrt gestellt hat. Vielleicht übersieht er bei seiner Kritik allerdings auch, dass sich die Zeiten im Fernsehen geändert haben? Dass sich viele Zuschauer beim heute-journal mehr für die Kinokritik interessieren als für das neue Bundeskabinett? Oder ist das eventuell gar nicht so und die Redaktionen haben einfach versäumt, die richtigen Prioritäten zu setzen?

Die Frage nach der Qualität der öffentlich-rechtlichen Fernsehnachrichten ist in jedem Fall eine berechtigte. Schließlich bedienen sie tagtäglich ein Massenpublikum und greifen damit aktiv in den Prozess der Information und der Meinungsbildung ein. Allzu publikumsorientierte Sendungen geraten dabei leicht in Gefahr, nur noch Meinungen zu bedienen als bei ihrer Bildung mitzuwirken. Wickerts Erinnerung an den öffentlich-rechtlichen Auftrag, für eine Grundversorgung politischer Information zu sorgen, ist also durchaus ernst zu nehmen.

Quelle: faz.net

Europas schrecklichste Samstagabendshow

?Wetten, dass??? ist ein Dauerbrenner, der Dinosaurier unter den großen deutschen Fernsehshows. Heute Abend läuft die Sendung nun zum 184. Mal. Ich werde sie mir auch diesmal unter Garantie nicht ansehen. Denn ?Europas größte Samstagabendshow? ist schon lange nicht mehr das, was sie einmal war.

Wenn sich die öffentlich-rechtlichen TV-Sender ein Recht bewahrt haben, dann ist es das, wenigstens ein paar Mal im Jahr bei den Einschaltquoten mit den Privaten mithalten zu können. Während die ARD sich auf Sendungen wie das ?Silvesterstadl? oder eine dieser Weichspüler-Pilawa-Spiele-Quiz-Shows verlassen muss, führt das ZDF schon seit einem gefühlten Jahrhundert seinen Dauerbrenner ?Wetten, dass ??? ins Feld der Quotenschlacht.

Dass sich ARD und ZDF diesem Machtspielchen auf dem Fernsehmarkt überhaupt anschließen und dabei das Maß der Programmqualität zugunsten einer besseren Quote aus den Augen verlieren, dem mag man gegenüber stehen, wie man will. Dass sie sich allerdings wenig Neues einfallen lassen, um die Zuschauer bei Stange zu halten, ist grob fahrlässig.

Natürlich sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache: ?Wetten, dass ??? spielt quotenmäßig in der oberen Millionen-Liga. Die Frage ist nur, warum. Sicher nicht, weil die Show ein programmliches Highlight darstellt. Im Gegenteil: Ich bewundere die Menschen, die es nur zehn Minuten mit dieser Sendung aushalten. Diejenigen, die sich das volle drei Stunden antun, haben hingegen mein volles Mitleid.

?Wetten, dass ??? ist ein Auslaufmodell. Eines der letzten Relikte aus längst vergangenen TV-Zeiten. Und es zerbröckelt von Show zu Show: Die Wetten werden immer flacher, die Gespräche mit den Gästen sinnentleerter und Thomas Gottschalk immer älter. Das kann man ihm zwar nicht zum Vorwurf machen, doch ignorieren kann man es auch nicht.

Da hilft es auch nichts, dass man ihm seit der letzten Sendung Michelle Hunziker als Co-Moderatorin an die Seite gestellt hat. Sie kann vielleicht kurzfristig Abhilfe schaffen, was die Hilf- und Kreativlosigkeit Gottschalks angeht, ihn aus seiner Lethargie, aus der Routine reißen, die mit der Zeit von ihm Besitz ergriffen hat, aber retten kann sie die Show nicht. Die ?Operation Hunziker? kann vielmehr als ein letztes, verzweifeltes Aufbäumen des Senders verstanden werden, der Sendung neue Impulse zu geben und über die nächste Sommerpause zu bringen.

Wie ernst es um ?Wetten, dass??? bestellt ist, zeigen die Aussagen Gottschalks, die er in einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung gemacht hat. ?Nervös mache ihn, der er gefühlte 300 Jahre „Wetten, dass.?“ moderiere, nichts mehr?, so Gottschalk. Das merkt man auch. Gerade das ist ja das Schlimme, dass man ihm seine eigene Langeweile, seine allgegenwärtige Routine anmerkt. Wie will so jemand noch mit Elan und Input durch eine Samstagabendshow führen, spontan sein, die Zuschauer immer wieder neu begeistern? Ganz einfach: Gar nicht.

Besonders eindrucksvoll ist der Hochmut, der sich bei Gottschalk eingestellt hat und mit dem er seine Gäste behandelt. Früher haben Moderatoren die Stars um einen Auftritt in ihrer Show angebettelt, heute ist das anders, zumindest bei ?Wetten, dass??? Da macht sich Gottschalk mal eben so Robbie Williams klar: ?Ich hab‘ dem gesagt: Junge, beende Dein Eremitendasein – für Braunschweig brauchen wir was ganz Besonderes“. Darauf ist Gottschalk natürlich besonders stolz. Am Ende hat Williams ihm so viele Plattenverkäufe zu verdanken, dass er vielleicht sogar wiederkommen darf. Toll!

Noch arroganter kommt Gottschalk allerdings daher, wenn er über die Absage der Popsängerin Lily Allen spricht: Unter den hochsensiblen Damen, die bei ihm zu Gast sind, gebe es immer mal eine, die auf einmal einen Pickel am Hintern hat, und deshalb absagt, scherzt er in besagtem Interview. Ihre kurzfristige Absage sei eine, mit der er am besten weiterleben könne. Einen Verzicht auf Lady GaGa hätte er viel schwerer verschmerzt. Na, wenn das so ist, kann er sich ja glücklich schätzen, dass letztere ihren Pickelstift gut einzusetzen weiß.

Bezeichnend auch, dass das ZDF mittlerweile sogar die Wettutensilien vor Gottschalk versteckt. Was tut man nicht alles, um ihn aus dem Konzept zu bringen, ihn auf der Bühne spontaner agieren zu lassen. Als ob er nicht in der Lage wäre, auch unter Kenntnis der Wetten eine flotte Anmoderation aufs Parkett zu legen. Aber dafür hat er ja jetzt Frau Hunziker.

?Wetten, dass??? ist ein Phänomen. Leider steht zu befürchten, dass das ZDF auch in Zukunft nicht davon abkommen wird, anstatt einzusehen, dass alles einmal ein Ende haben muss. Auch ?Europas größte Samstagabendshow?. Auch Thomas Gottschalk wird wohl so schnell nicht abdanken wollen, trotz einer treffenden Selbsteinschätzung im Interview mit der Braunschweiger Zeitung.

Die wollte nämlich von ihm wissen, ob er sich seine Sendungen auch immer anschaue. Gottschalk: ?Um Gottes willen, ich ertrage mich nicht länger als eine Minute, zumindest nicht als Showmoderator!? Ihm sei durchaus bewusst, dass es aus pädagogischer Sicht sinnvoll sein könne, sich mal eine ganze Sendung anzuschauen, aber: ?Das könnte dann auch das Ende sein!“

Bleibt zu hoffen, dass Gottschalk im Senderarchiv möglichst bald den Weg zu einer ?Wetten, dass???- Aufzeichnung findet.