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[…]Wissen wer der Babo ist!…und der Verfall der deutschen Rechtschreibung!

Die deutsche Rechtschreibung und somit das Medium der Sprache wird zum immer größeren Problem. Keiner weiß mehr was richtig oder falsch ist. Immer neue Reformen bringen Schüler und Lehrer aus dem Tritt. Doch nicht nur die Politik feilt an der Sprache, sondern auch das tägliche Leben. Es gibt sie als unveränderliche Institution, die zum Beispiel den Regeln der Grammatik gehorcht, aber auch als Tätigkeit, dem gesprochenen Wort, die sich stetig verändert. Sprache kann auch ein „Gradmesser der Integration“ sein.

Lauscht man so dem Text des Liedes „Chabos wissen wer der Babo ist!“ von Haftbefehl, versteht man zunächst nur Kauderwelsch. „Chabos wissen wer der Babo ist / Hafty Abi ist der der im Lambo und Ferrari sitzt / Saudi Arabi money rich / Wissen wer der Babo ist /Attention mach bloß keine Harakets […]“, lässt der 27-jährige Gangster-Rapper Aykut Anhan, alias Haftbefehl, am Anfang seines neuen Hits verlauten und überfordert damit jeden deutschen Duden. Der eigens kreierte Wortschatz setzt sich aus verschiedenen Sprachen und Markennamen zusammen. So  kann man aus „Lambo“, Lamborghini und aus dem Wort „Haraket“ so etwas wie das Wort „Faxen“, von dem türkischen Wort für Beleidigung, ableiten. Der Song und damit auch die Ausdrucksweise Anhans finden durch die Präsenz in den Medien deshalb nicht nur bei Gleichgesinnten, die sich mit der Lebenssituation von Haftbefehl identifizieren können, sondern beispielsweise auch an Schulhöfen von Gymnasien großen Anklang. Doch kann man den Verfall der deutschen Rechtschreibung nicht allein in die Schuhe von Gangster-Rappern mit Migrationshintergrund schieben.

Auch das deutsche Bildungssystem, bzw. das, was die Pädagogen heute daraus machen, sollte zur Verantwortung gezogen werden. So ist es, bis auf wenige Ausnahmen, den Schulen, oder aber auch den Lehrern selbst überlassen, wie den Kindern die deutsche Rechtschreibung näher gebracht werden soll. Aufgrund großer Unsicherheiten und mangelnder didaktischer Kenntnisse machen sich Praktiken breit, die eine wahre Anarchie unter den ABC-Schützen verbreiten. So zum Beispiel die Methode Jürgen Reichens, der die Kinder getreu seines Mottos „Lesen durch Schreiben“ nach ihrem eigenen Ermessen schalten und walten lässt. Anhand einer Lauttabelle setzen die Kinder eigenständig die Wörter nach ihrem Klang zusammen und produzieren Sätze wie: “Er sah auf, er nam den Stein, den dan Maden in er haud ligen hate. ,Ich hab noch mer steine zu hause.’“ (Er sah auf, nahm den Stein, den das Mädchen in der Hand liegen hatte. ,Ich habe noch mehr Steine zu Hause’“.) Sollten die Eltern besagten Kindes sich nun Sorgen über die Zukunft des Kindes machen, haben sie laut Reichen und seiner Mitstreiter keinen Anlass dazu, da es ja immer Kinder geben soll die etwas langsamer sind, jedoch nach und nach auf die richtige Fährte gelängen. Doch nach diesem Prinzip, keine Fehler anzustreichen und dem Unterricht keine Struktur zu geben, werden Lese- und Rechtschreibschwächen selten, später oder nie erkannt und die Kinder kämpfen mit ihrem Selbstwertgefühl. Von diesem Prinzip profitieren nur die ohnehin schon stärkeren Kinder und dem Rest fällt es schwerer den Anschluss nicht zu verpassen.

Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben,  Renate Valtin, spricht sich ganz klar gegen dieses Prinzip aus und fordert, das “Lesen durch Schreiben“ verboten wird. Nicht nur die deutsche Jugendkultur ist Schuld an den aktuellen Zahlen, dass die Generation unserer Eltern im Schnitt in einem Text mit 100 Wörtern neun Fehler weniger machte, sondern auch die fehlende Einheit im Bildungssystem, welche unerforschten Lehrmethoden den Weg ebnet und somit das Wirrwarr noch verstärkt.

Quellen:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-90931340.html

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/pop/rapper-haftbefehl-chabos-wissen-wer-der-babo-ist-12046385.html

http://www.songtextemania.com/chabos_wissen_wer_der_babo_ist_songtext_haftbefehl.html

Die neue Schlechtschreibung„, Rafaela von Bredow, Veronika Hackenbroch, S. 96-104, Spiegel Nr. 25, 17.06.2013, Hamburg

BILD dir deine Meinung! – Oder wie die BILD deine Meinung bildet…

Die BILD-Zeitung wurde 1952 von Axel Springer gegründet. Das neue Konzept, große Bilder und wenig Text, feierte nach einigen Anlaufschwierigkeiten große Erfolge und ist heute die fünftgrößte Tageszeitung der Welt. Doch wer liest die BILD und warum?

Der Bild-Leser ist, laut BILD ,ein männlicher Fachangestellter, mit unterdurchschnittlicher Schulbildung und lebt in der Großstadt. Die Zeitung ist die einzige überregionale Zeitung und wird auch in Sonderausgaben in 43 Ländern verkauft. Die BILD ist konkurrenzlos in ihrem Metier!

Durch geschickte Formulierungen der Überschriften, locken die Autoren die Leser und erleichtern das Textverständnis mithilfe von Kürzungen komplexer Zusammenhänge, Eingrenzung des Wortschatzes oder sogar Limitierung der Wortlänge. So soll Axel Springer einen Mitarbeiter gerügt haben, der das Wort „Geschichtsverständnis“ einbrachte. Dieses wäre weit über dem Niveau des Lesers und somit unverständlich. Man solle Solcherlei künftig unterlassen.

Die BILD versucht den Rezipienten zu emotionalisieren. Die Redaktion verwendet Lautmalereien, z.B. „Horror-Eltern müssen in den Knast“. Durch die Verbindung eines negativ konnotierten Wortes, wie „Horror“ und dem positiv angesehenen Wort „Eltern“, werden harte Kontraste gegeneinander gesetzt und erregen Aufmerksamkeit. Auch der „Aufschrei“ oder die häufige Verwendung des Wortes „WIR“ sind typisch für das Boulevardblatt. „Wir sind Papst!“, eine der geschicktesten Kampagnen der Zeitung, die ohnehin schon größten Wert auf die Nation, ihre Einheit und Einigkeit legt. Deutschland stellt den Papst. Nicht ein einzelner Mann sitzt nun auf dem heiligen Stuhl, nein, eine ganze Nation hat den höchsten Thron erobert, denn es klingt gleich wieder wie ein Wettkampf. Als hätte man die Fußballweltmeisterschaft gewonnen. Sie vertuschen Distanzen und wenden eine Art Schlüssellochguckprinzip an, um den Leser auf eine Stufe mit der Prominenz zu heben und ihm erlauben zu werten, bewerten oder gar zu beurteilen. Die BILD begibt sich scheinbar auf das Niveau der Leser, vereint sich mit ihnen, benutzt Umgangssprache und stellt Fragen, die sich dann aber doch meist als rhetorisch entpuppen. Dem Rezipienten entgeht meistens die Möglichkeit selbst zu antworten, da ihm die Verfasser der Texte, die auch nie mehr als 30 Zeilen lang sind, einen Schritt voraus sind und die Antwort vordiktieren. Vergleicht man die BILD-Ausgaben von heute mit denen von vor 25 Jahren kann man feststellen, dass man die Headlines beliebig austauschbar sind, da meistens keine Fakten zum Thema gemacht werden, sondern die Emotionakisierung von Sensationen, Unglücken, Sex, Kriminalität, Prominenz, dem Wetter und Provokationen im Vordergrund stehen.

Schon früh haben sich Größen wie Günter Grass und Heinrich Böll öffentlich gegen die BILD gewandt. So bemängelt Ulrich Saxler eine „Entlastung, Bestätigung und Stimulierung der Leser“. Günter Wallraff, der sich für dreieinhalb Monate unter Pseudonym in der Redaktion arbeitete, kritisierte danach die Arbeitsweise der Zeitung, „die sich aus „Halbwahrheit, Fälschung, offene[r] und versteckte[r] Werbung, verlogene[m] Sex und heuchlerische[m] Crime“ zusammensetze“.

Alles in Allem gibt die Redaktion die Antwort auf ihre Werbekampagne: „BILD dir deine Meinung!“ selbst, denn in einer Qualitativen Analyse des Axel-Springer-Verlags heißt es: „Dank ihrer Autorität nimmt die Zeitung dem Leser das Ordnen, Sichten und Bewerten der Ereignisse, welche die gegenwärtige Welt repräsentieren, ab.“ Es ist ihm also nur noch vergönnt, die von der BILD ausgearbeiteten „Ergebnisse“ abzunicken, denn die kollektive und richtige Meinung wurde ja bereits gebildet.

Quellen:

www.bild.de

http://www.mythos-magazin.de (19:10Uhr, 23.052013) ; Feindbilder in der BILD-Zeitung?; Magisterarbeit zur Erlangung des Grades Magistra Artium der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ; Gianna Jansen

Textgestaltung und Verfahren der Emotionalisierung in der BILD-Zeitung´; Autor: Voss, Cornelia, 1972-
Bild, Zeitung ; Berichterstattung ; Erzähltechnik ; Gefühl ; Geschichte 1997;Verknüpfte Titel: Münchener Studien zur literarischen Kultur in Deutschland ; 31 ;Verlag: Frankfurt am Main [u.a.] : Lang ;Erscheinungsjahr: 1999;

Axel Springer; Zusatz: die Biografie; Autor: Schwarz, Hans-Peter, 1934- ;Verlag: Berlin : Propyläen ;Erscheinungsjahr: 2008

 

Vom „Dörfle“ in die große Stadt – die unliebsamen Nachbarn

Tatort Berlin. Am 04.05.2013 ging ein zunächst nur regionaler, später dann ein immer größere Wellen schlagender, Aufschrei durch die Medien. Am Prenzlauer Berg, einem alternativ angehauchten Viertel der deutschen Hauptstadt, wurden Flugblätter verteilt und Parolen an Wände geschmiert, welche gegen die schwäbischen Nachbarn in Berlin hetzte.

Ca. 300.000 Schwaben leben in der Stadt und fühlen sich dort heimisch. Doch erregen sie bei manchen „Ur-Berlinern“ anscheinend Unbehagen, denn sie würden die Mietpreise in die Höhe treiben und die Atmosphäre mit ihrer Kleinbürgerlichkeit zerstören. „Verpiss dich, Schwabe!“, oder „Kauft nicht bei Schwab’n“. Diese Parolen zieren nun das Stadtbild und erinnern stark an bereits vergangene Zeiten, in denen der Holocaust mit ähnlichen Vorboten begann. Alle sind sich einig: Die Verfasser dieses Mottos gehen damit eindeutig zu weit und die Pietätlosigkeit findet ihren Höhepunkt darin, dass die Schmierereien unmittelbar neben einer jüdischen Synagoge angebracht worden sind. Doch trotz der harten Linie findet diese Auffassung teilweise auch bei Politikern, wie z.B. Wolfgang Thierse, zumindest in der Grundidee Zuspruch. Denn auch sie finden, dass sich das Flair des Viertels nachhaltig verändert hat.

Doch wie passt diese Engstirnigkeit zu dem sonst multikulturellen Berlin? Die Hauptstadt steht als Sinnbild für eine bunte Vielfalt der Kulturen, aber der eigene Landsmann muss draußen bleiben?

Das trifft bei den schwäbischen Mitbürgern nicht nur auf Unverständnis, sondern kratzt auch an ihrem Selbstbewusstsein. So viele Klischees werden über sie verbreitet und nur eine kleine Minderheit davon spricht positive Aspekte an. Man bezeichnet sie als „geizig und eigenbrötlerisch“ Doch um nicht aufzufallen, passt sich der Schwabe der Globalisierung an, denn es liegt nicht im Trend seine Wurzeln zu zeigen. Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allenbach entpuppt sich der Dialekt der Altwürttemberger als äußerst unattraktiv im Ohr eines Nichtschwaben und zählt damit zu den Unbeliebtesten seiner Art. Deshalb zahlen die „Neu-Berliner“ z.B. viel Geld, um in Tagesseminaren das unverwechselbare Schwäbeln in den Griff zu bekommen. Die „einheimische“ Bevölkerung sollte sich also nicht nur für die Welt öffnen, sondern auch für ihre nächsten Nachbarn.

Quellen:

http://www.rbb-online.de/nachrichten/vermischtes/2013_05/Wowereit_verurteilt_Schmierereien_gegen_Schwaben.html   15.05.2013, 00:06Uhr

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/psychogramm-der-schwabe-ein-kosmopolitle-a-119955.html   15.05.2013, 00:06Uhr

http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=11386418/hkh6iz/index.html   15.05.2013, 00:06Uhr

Heike Kottmann, Hochdeutsch für Anfänger, S. 100-103, erschienen: NEON, München, Mai 2013