1951. Zwei Polizisten betreten einen verwüsteten Raum, auf dem Boden kniet ein Mathematikprofessor und schiebt pulverisiertes Cyanid in einen Behälter. Hinter ihm steht eine riesige, undefinierbare Maschine. Die Polizisten stellen Fragen und werden schnell hinauskomplementiert – sie werden neugierig. Doch alles was zu dem Mann zu finden ist ist eine streng geheime und vor allem leere Militärakte. Und ein Geheimnis, das ihn letztendlich vor Gericht bringt.
Wenn man den Kinosaal verlässt sollte man sich vor allem eines fragen – wie konnte man noch nie von diesem Mann gehört haben? In einem brilliant packenden Thriller rekonstruiert der Film ‚The Imitation Game‘ das Leben von Alan Turing, dem Mann, der durch Knacken des Nazi-Enigma-Codes, den zweiten Weltkrieg um vermutlich zwei Jahre verkürzt und somit Millionen Menschen das Leben gerettet hat. Und ganz nebenbei hat er dabei auch den Vorläufer des Computers erfunden, die Grundlage jener geliebten Onlinekommunikation, ohne die sich die meisten von uns ihr Leben heute kaum noch vorstellen können.
Ein Grund für die beschämende Unwissenheit könnte sein, dass sein Wirken jahrelang geheim gehalten worden ist. Denn preiszugeben was damals in dem unter dem Deckmantel einer Radiostation versteckten Hauptquartier des britischen Geheimdienstes geschehen ist, stand unter Hochverratsstrafe. Neben Alan Turing und drei weiteren Beteiligten arbeitet auch die junge Joan Clarke ( Keira Knightely ) an der Entschlüsselung der deutschen Enigma-Nachrichten mit, deren Codierung alle 42 Stunden komplett geändert wird. Um bei dem Projekt bleiben zu dürfen verlobt sie sich mit Turing, der auf ihre mathematischen Kenntnisse keinesfalls verzichten will-denn der Code gilt als undeschiffrierbar. In dem Wissen, dass ein Mensch es in 18 Stunden bei 159 Millionen Millionen Millionen Möglichkeiten kaum schaffen kann, die Einstellung der Enigmamaschine herauszufinden, entwickelt Turing eine zweite Maschine. Eine Maschine, die intelligent genug ist eine andere zu besiegen. Und damit half er nicht nur seinem Land den Krieg zu gewinnen, sondern erschuf auch den ersten Vorläufer unseres Computers.
Warum also wurde der Mann nicht als Kriegsheld gefeiert, warum taucht er nicht in jedem Geschichtsbuch auf? Nun, neben der Geheimhaltung gab es noch ein zweites Problem. Sein eigenes Geheimnis, dem im Film unsere zwei Polizisten auf die Spur kommen. Tief berührend verkörpert der britische Schauspieler Benedict Cumberbatch (Sherlock, 12 Years a Slave) das Leiden des ehemaligen Kriegshelden, der von genau dem Land, das er ein paar Jahre zuvor vor einer Niederlage gerettet hat, vor die Wahl gestellt wird: Als Bestrafung für sein “Verbrechen“ entweder zwei Jahre ins Gefängnis zu gehen oder sich einer chemischen Kastration zu unterziehen. Um weiter an seiner Maschine arbeiten zu können entscheidet sich Turing für Letzteres. Die Hormontherapie greift sein Gehirn an, er kann nicht mehr richtig arbeiten, leidet unter tiefen Depressionen. Welches Verbrechen kann so schlimm sein, dass es eine solche Bestrafung rechtfertigt? Die Antwort ist zutiefst erschütternd und regt auch zum Nachdenken an. Alan Turing war homosexuell, damals illegal, ein Verbrechen. Gleichzeitig ein kleiner Hinweis, dass dies heute noch in manchen Ländern Realität ist. Denn damit greift der Film tief in unsere Gesellschaftsstruktur ein, zieht ein Thema in den Vordergrund welches in den modernen Medien noch immer viel zu oft verdrängt wird. Nach fünf Golden Globe- , drei SAG Award- und acht Oscar- Nominierungen, inklusive Bester Film und Bester Hauptdarsteller bei allen dreien, kommentiert Harvey Weinstein nur Folgendes: ‚We’ve never had a gay protagonist win Best Picture. It just doesn’t happen.‘ Schon zweimal hat es sich traurigerweise als wahr erwiesen, jetzt liegt die letzte Chance bei den Oskars im kommenden Februar. Natürlich, dem Film ging es vor allem darum, den Menschen Alan Turings Geschichte endlich einmal nahezubringen und auch auf das Schicksal hinzuweisen, was er mit 49,000 anderen Homosexuellen aus dieser Zeit teilen musste. Doch seine und auch die grandiose Arbeit des Filmteams unter Regisseur Morten Tyldum mit einem Oskar zu ehren, und damit auch ein kleines medienhistorisches Denkmal in der Gleichberechtigung von Homosexuellen zu setzen, hätte er mehr als verdient.
Erst im Jahre 2013 hat sich die Queen offiziell bei Alan Turing entschuldigt. Doch das hat er leider nicht mehr mitbekommen. Mit 41 Jahren wurde er tot aufgefunden, vermutlich hat er sich selbst mit Cyanid vergiftet. Und neben ihm ein angebissener Apfel – ein Zeichen, welches so manchem iMac – Besitzer bekannt vorkommen sollte.
Quellen:
http://www.bletchleypark.org.uk/
http://de.wikipedia.org/wiki/The_Imitation_Game_%E2%80%93_Ein_streng_geheimes_Leben
https://uk.movies.yahoo.com/harvey-weinstein-imitation-game-best-212253863.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Alan_Turing
The Imitation Game – Ein streng geheimes leben (seit 22. Januar im Kino)