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Rechte Propaganda im StudiVZ

Probleme mit der rechten Spur sind dem beliebten Studentenportal StudiVZ nicht neu: Nachdem im November 2006 bekannt geworden war, dass Firmengründer Ehssan Dariani die Einladungen zu seiner Geburtstagsfeier im Stil des Völkischen Beobachters verfasst hatte, geriet sein Start-Up ins Kreuzfeuer der Kritik. Schließlich schied Dariani aus dem operativen Geschäft aus (–>Heise-Meldung).
Beim Stöbern auf dem Studentenportal bin ich jetzt über eine ganze Reihe von Gruppen aus dem rechten Dunstkreis geraten, die im StudiVZ weitgehend ungestört ihr Dasein fristen. Dazu gehören Gruppen wie „NPD- Die Partei die ich wähle“, „Deutsch-National“ oder „Mügeln – Was wirklich geschah“.
Eine Gruppe mit besonders fragwürdigem Geschichtsbewusstsein beschäftigt sich mit der Wehrmacht und zeigt dazwischen Fotos von überzeugten Nationalsozialisten, die offen für die NPD werben und wegen Volksverhetzung verurteilt worden sind.

Besonders pikant: Obwohl die entsprechende Gruppe zuletzt am 17.11. StudiVZ gemeldet wurde, hat niemand die Fotos entfernt. Dabei heißt es im StudiVZ-Verhaltenskodex ziemlich eindeutig:

„Rassistische, gewalttätige, politisch extremistische, sexistische, diskriminierende oder sonst anstößige Veröffentlichungen, sowie solche, die andere Personen, Volksgruppen oder religiöse Bekenntnisse beleidigen, verleumden, bedrohen oder verbal herabsetzen, sind nicht gestattet.“

Eine ausführliche Version dieses Beitrags – mit einer Liste der zumindest fragwürdigen Gruppen – habe ich in meinem Blog veröffentlicht.

StudiVZ im Kreuzfeuer

Das Studiverzeichnis erfreut sich auch an der Uni Trier wachsender Beliebtheit, wenn es nicht mal wieder wegen technischer Schwierigkeiten abstürzt, die Anmeldung verweigert oder sich gleich ganz auf Spanisch* meldet. Die Kundschaft nimmt es meist locker – schließlich ist das StudiVZ ja ein improvisiertes Projekt dreier Studenten, die nur so zum Spaß ein System für ihre Kommilitonen aufgesetzt haben. Oder doch nicht?
Don Alphonso, kritischer A-List-Blogger, sieht das jedenfalls anders: Er weist angesichts der Expansion des StudiVZ in andere EU-Länder darauf hin, dass das Angebot von den Samwer-Brüdern (Jamba) und der Holtzbrinck-Gruppe finanziert wird, die nun auch Rendite für ihre Investitionen erwartet – und das StudiVZ deshalb längst nicht mehr als „Experiment“, sondern als kommerzielles Projekt zählt, welches dazu auch noch zu unsauberen Mitteln greift (z.B. Domaingrabbing oder Spam-Werbung, sowie zu dubiosen „Campus Captains“ für das Marketing direkt in der Uni).

In Alphonsos Blogbar hat sich nun auch ein Ex-Mitarbeiter zu Wort gemeldet, der das Projekt verteidigt. Und während der Don selbst fast täglich mit neuen Skandaleinträgen rund um das StudiVZ aufwarten kann, lässt dessen PR-Abteilung kritische Berichte, etwa bei Youtube, gezielt entfernen.
Ähnlich wie beim Youtube-Millionendeal verdienen auch hier Konzerne an den (eigentlich kostenlosen) Inhalten der User. Beim StudiVZ ist jedoch keine plumpe Bannerwerbung, sondern virales Marketing geplant. Dass man seine politische Orientierung oder Beziehungsstatus, Telefonnummer und Mailadresse hinterlassen kann, ist also mehr als bloßer Selbstzweck. Und davon abgesehen, so der Don, handele es sich beim StudiVZ sowieso um eine annähernde Kopie der Social Software Facebook. Bei beiden Angeboten dürfte den wenigsten Usern bewusst sein, wieviel Privatsphäre sie aufgeben – und wieviele Informationen sie dabei nicht nur anderen Studenten, sondern privaten Investoren anvertrauen.
(*Zitat StudiVZ: Sed los primeros en dar a conocer el movimiento abrachucheo en España y Latinoamérica!)

Direkter Draht zu Angela Merkel

Nachdem Angela Merkel im Juni die Vodcasts als Kommunikationsinstrument für sich entdeckt hat („Die Kanzlerin direkt„), haben Studenten aus Potsdam rechtzeitig zum Tag der deutschen Einheit eine Möglichkeit zur Gegenantwort geschaffen: Direkt zur Kanzlerin!

Auf der Website des Projektes können die User Fragen an die Kanzlerin verfassen. Die Besucher der Website stimmen über die Fragen ab, und das Bundespresseamt beantwortet die jeweils drei besten Fragen einer Woche. Allerdings antwortet Angela Merkel wohl nicht persönlich, dafür aber immerhin ihr Pressestab. Auch die Vorselektion der Fragen erfolgt im Moment eher undemokratisch durch ein Gremium der Betreiber, soll in Zukunft aber von „gewählten Vertretern“ übernommen werden. So ganz scheinen die Anbieter des sogenannten „Communation„-Verfahrens der Macht des Volkes also noch nicht zu trauen. Ob die Beiträge aus dem Internet tatsächlich die gewünschte Medienresonanz bewirken, bleibt abzuwarten – immerhin hat das Projekt schon zu einigen Pressereaktionen geführt.

Big Brother in Bulgarien

Nicht nur für unsere bulgarischen Kommilitonen interessant: Bei Telepolis beleuchtet Hans-Jürgen Krug die Medienlandschaft des EU-Beitrittskandidaten etwas genauer. Wo es früher nur einen einzigen staatlichen Fernsehsender gab, hält inzwischen der freie Markt einzug – mit seinen teils fragwürdigen Begleiterscheinungen: So erwies sich etwa ausgerechnet Big Brother als wahrer europäischer Exportschlager und geht nun schon in die dritte Staffel. Auch der Printmarkt wurde liberalisiert – so hält die WAZ-Gruppe schon jetzt rund 80 Prozent des Zeitungsmarktes in Bulgarien, was man dort anscheinend (noch) nicht für bedenklich hält. Echte Pressekonzentration, dazu noch Reality-TV – medial dürfte sich Bulgarien damit als EU-tauglich erwiesen haben. 🙂

„I google, you google, he googles“

Googeln wird offizieller Teil des englischen Wortschatzes. Das Merriam Webster-Dictionary definiert das transitive Verb „to google“ in seiner Online-Ausgabe bereits als „Benutzen der Suchmaschine zum Erlangen von Informationen im World Wide Web“, in der neuen Printausgabe des Wörterbuchs wird der Begriff ebenfalls enthalten sein. Und auch in das Oxford English Dictionary hat die wohl beliebteste Suchmaschine der Welt inzwischen Einzug gehalten.

Das Problem: Wenn sich „to google“ tatsächlich als „allgemeiner Sprachgebrauch“ etabliert, verliert die Firma ihren Anspruch auf die Marke Google – und auch andere Suchmaschinenbetreiber könnten vom googlen sprechen. Ein ähnliches Schicksal ereilte berühmte Marken wie Aspirin, Kleenex oder Xerox, die ebenfalls in den allgemeinen englischen Sprachgebrauch übergegangen sind. Aber es gibt noch Hoffnung für die Google-Betreiber: Coca Cola konnte den Begriff „Coke“ erfolgreich verteidigen – und so lange von „to google“ als Verb die Rede ist (ohne großes „G“), besteht für den Suchmaschinengiganten aus Kalifornien vielleicht noch eine Chance, den eigenen Namen zu verteidigen.

Weitere Informationen gibt es unter de.internet.com (deutsch) sowie bei stuff.co.uk (englisch).

Mediales WM-Trauma bei BILD

Verkehrte Welt: Nachdem es die deutsche Mannschaft nicht ins Finale geschafft hat, lobt die Bildzeitung jetzt die Leistungen des Nationaltrainers Jürgen Klinsmann – mit Titeln wie „Klinsi – Deutschland wünscht sich, dass er bleibt“ oder „Deutschland einig Klinsi-Land“ warb die Zeitung für Klinsmanns weiteren Verbleib als Nationaltrainer.

Dabei hatte ausgerechnet die Bildzeitung vor der WM regelmäßig an Klinsmanns Führungsstil herumgenörgelt und mehrfach einen Trainerwechsel gefordert. Für aufmerksame Beobachter des Springer-Blattes sind derart unverhoffte Meinungswechsel zwar nichts Neues, trotzdem ist die Gegenüberstellung der Bild-Berichterstattung zu „Klinsi“ im Bildblog einen Besuch wert, entbehrt sie doch nicht eines gewissen Unterhaltungswerts.

Vielleicht kristallisiert sich hier ja eine Art umgedrehtes Agenda-Setting: Die Medien (Bild) fassen plötzlich eine zu ihren Ansichten völlig konträre Meinung auf, weil sie von der Mehrheit der Leser vertreten wird. Spannend bleibt die Frage, wie sich die Einstellung der Bild-Redaktion nach dem Spiel um den dritten Platz entwickelt. Wird Klinsi bleiben? Auch hier weiß Bild schon jetzt rat: „Sein Herz sagt ja, aber sein Kopf?“

Magnum in Motion

Die Bildagentur Magnum hat ihr Online-Angebot weiter ausgebaut: Bei Magnum in Motion werden (kostenlos) sogenannte „interaktive Essays“ angeboten. Die Fotostrecken behandeln beispielsweise das Erdbebengebiet in Pakistan, die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl oder den Blick hinter die Kulissen der Modeindustrie. Die teils mit Musik unterlegten Bilder werden von den Fotografen aus dem Off kommentiert und lassen sich jederzeit vom Betrachter anhalten. Infografiken, Literaturhinweise, Zitate und Links auf thematisch verwandte Webseiten ergänzen die Fotografien und animieren zum Weiterlesen. Praktisch: Die Essays lassen sich auch als Vodcast abonnieren.

Außerdem werden die Magnum-Essays auf den Webseiten verschiedener Zeitung angeboten – darunter befindet sich übrigens auch der dänische Jylland Posten, der durch die Veröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karrikaturen international Aufmerksamkeit erregt hatte.

Magnum in Motion stellt ein gelungenes Beispiel dafür dar, wie sich klassische Medien (in diesem Fall die Fotografie) durch die neuen Möglichkeiten des Internet aufwerten lassen. Das Ergebnis ist ein multimediales Rundum-Angebot, bei dem der Schwerpunkt dennoch auf der Stärke der renommierten Agentur liegt: Den beeindruckenden Fotos.