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Guttenberg verzichtet zunächst auf Doktortitel

Der „Skandal“ um Guttenbergs Dissertation dürfte mittlerweile allen bekannt sein. Seit heute morgen scheint es jedoch einen Schritt voran zu gehen, denn Guttenberg räumte ein, dass er solange auf seinen Doktortitel verzichten wolle, bis der Fall ausreichend geprüft sei. Dabei zeigt er sich jedoch nach wie vor überzeugt, dass ihn keine Schuld trifft. Er schlug vor, selbst aktiv bei der Fehlersuche zu helfen, machten ihn die Fehler doch selbst am umglücklichsten. Sollte sich herausstellen, dass die Vorwürfe unbegründet waren, will er den Doktortitel aber wieder führen dürfen.

Dennoch bleibt zu bedenken, dass die Plagiatsvorwürfe einen recht günstigen Zeitpunkt getroffen haben, steckt der Minister doch gerade im Wahlkampf. Seinen damit zusammenhängenden Auftritt in Sachsen-Anhalt, der ursprünglich für gestern Abend geplant war, musste er aufgrund von Terminproblemen absagen – stattdessen soll er sich mit der Bundeskanzlerin über die neusten Vorfälle beraten haben.

Ob er sein Image noch rechtzeitig retten kann, bleibt abzuwarten. Letztendlich dürfte aber jedem politisch aktivem Bundesbürger inzwischen klar sein, dass auch ein sympatisch erscheinender Familienvater keine durchweg weiße Weste vorweisen kann. Ein schönes Plagiatbeispiel zeigt die FAZ gleich ein paar Klicks weiter: Dort entdeckt man einen komplett aus der Zeitung übernommenen Artikel (siehe unten). Und dass ein renommierter Politiker mit Doktortitel zwar mit Fußnoten aufführt, was das Wort „amerikanisch“ in seinem Satz für eine Bedeutung hat, aber trotz größter Konzentration vergisst, die Quelle für den 1:1 übernommenen Artikel zu nennen, wirkt doch sehr unglaubwürdig.

Quelle:

http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~EA1B8EED8FBD14B9383967079DB05C6DE~ATpl~Ecommon~Sspezial.html

Erwähntes Plagiatbeispiel:

http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E77608DD99F7647CFA92EFBDEB07ECC76~ATpl~Ecommon~SMed.html

Neue Dimension des Cyber-Mobbings

Das Phänomen nennt sich „www.isharegossip.com“, ist seit ca. einer Woche online und lässt mir die Haare zu Berge stehen. Sinn dieses Internetportals ist es, angeblich anonym und ohne Registrierung über bestimmte Mitschüler oder Lehrer (und generell über alle anderen Menschen, die man nicht ausstehen kann) herzuziehen.

Es dient dazu, Gerüchte zu verbreiten, Mitmenschen öffentlich in Kategorien einzuordnen („Größte Wiesbadener Schlampe?“, „Hässlichste Person der Schule?“) und andere Mitglieder mit Namen oder weiteren Daten zu versorgen, damit diese das Opfer in sozialen Netzwerken aufsuchen und somit der Debatte folgen können.

Damit man sich bzw. sein Umfeld auf der Seite finden kann, sind links verschiedene regionale Kategorien aufgelistet: Mit einem Baumdiagramm kann man nun sein Bundesland, seine Stadt und seine Schule auswählen. Sollte die eigene Schule noch nicht präsent sein, soll man sie schnell vorschlagen und anschließend sofort mitlästern.

Selbst im Schulunterricht haben wir das Thema „Cyber-Mobbing“ mehrfach behandelt – auch die schlimmeren Fälle, die u.A. Suizid zur Folge hatten wurden bei uns diskutiert. Und wenn einem so etwas nicht schon genug zu denken gibt, könnte man eigentlich meinen, dass die Leute wenigstens aus verschiedenen Internet-Skandalen gelernt hätten, dass jede noch so kleine Behauptung mittels technischer Aufzeichnungen zurückverfolgt werden kann. Dennoch scheint sich keiner der Beteiligten wirklich Sorgen darum zu machen. Denn die Betreiber der Seite selbst erzeugen eine scheinbare Sicherheit: „Wir haben nie IPs gespeichert und wir werden NIE IPs speichern. Deswegen haben wir auch nie an irgendjemanden IPs ausgehändigt. Solche Anfragen beantworten wir nicht weil wir keine IPs speichern egal ob ein Polizist, ein Lehrer/Direktor oder ein Anwalt anfragt. Ihr seid 100% anonym. WER ETWAS ANDERES BEHAUPTET IST EIN LÜGNER UND WILL EUCH ANGST MACHEN. Warum behaupten das Leute? Weil sie sich nicht anders zu helfen wissen. Auch wird diese Seite nicht gesperrt oder gelöscht, da Sie nach US-Recht zu 100% legal ist.“, heißt es gleich auf der Hauptseite. Direkt darunter stehen Link und Telefonnummer der Telefonseelsorge – ob das skrupelloser Zynismus oder ein schlechter Scherz ist, wird leider nicht klar.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Besetzung der Administratoren. Sind sie in „üblichen“ Foren doch dazu da, um eine gewisse Ordnung herzustellen und dafür zu sorgen, dass die User stets einen angemessenen Ton beibehalten, kann hier jeder Besucher seine Bewerbung abgeben – egal ob er selbst auf die Schule geht oder nicht. Gefährlich ist hierbei, dass er durch die Administratorenrechte u.A. Beiträge löschen oder verändern kann: Bewusst eingesetzt kann er verteidigende Äußerungen der Opfer oder ihrer Sympathisanten sowie  andere Elemente der freien Meinungsäußerung verhindern.

Neuerdings soll zudem auch eine Bild-Funktion eingeführt werden. Sie ermöglicht es den Besuchern dann, Fotos hochzuladen und sie zu kommentieren – an sich keine neue Praxis für Nutzer sozialer Netzwerke, als gezielte Mobbingerweiterung ist sie jedoch höchst alarmierend.

Bekannt wurde mir das Portal erst heute, da es in meiner ehemaligen Heimatstadt Wiesbaden einen heftigen Skandal ausgelöst hat: Eine Lehrerin wurde auf der Seite gezielt angegriffen und ihr Ruf massiv geschädigt. Die Polizei rät zur Anklage, deren Durchsetzung ist aber nach wie vor unsicher, da der Betreiber der Internetseite in Neuseeland sitzt. Eine weitere effektive Option stellt auch die „Missbrauch melden“-Funktion dar, hier kann allerdings nur entfernt werden, wer sein Opfer mit vollem Namen nennt.

Ob eine derart schockierende Seite noch länger präsent bleibt und ihr Netz demnächst vielleicht sogar bundesweit auswerfen kann, werden wir wohl noch sehen; bisher wurde sie „nur“ in NRW, Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Mainz und Wiesbaden getestet.

Dass Menschen lästern gehört in gewisser Weise wohl zum Alltag. Dass man gezielten Mobbing-Angriffen aber einen rechtlich geschützten Rahmen einräumt und sie durch Erweiterungen sogar noch fördert, finde ich skrupellos und absolut unmenschlich. Bleibt nur zu hoffen, dass man schnell einen Weg findet, solche Perversionen zu beenden.

Steve Jobs‘ Krankheit bringt Unsicherheit bei Apple-Aktionären

Gestern, also einen Tag bevor Apple die neuen Quartalszahlen veröffentlichen wollte, soll Steve Jobs eine Rundmail an all seine Mitarbeiter geschickt haben. Darin stand, dass er sich nun eine gesundheitliche Auszeit nehmen müsse, wielange die dauern soll oder warum genau sie nötig ist, erklärte der Medienriese nicht.

An der Frankfurter Börse sank -nur Minuten später- der Aktienwert um fast 8%, in absoluten Zahlen also um ca. 20 Milliarden Dollar.

Brisant war diese Nachricht unter Anderem deshalb, weil Steve Jobs es bisher versäumt hat, einen ihm gleichkommenden Nachfolger zu einzuführen. Sein bisheriger Vertreter in Krankheitsfällen, Tim Cook, hat zwar große Erfolge durch Finanzstrategien erreicht, allerdings fehlt ihm das darstellerische Talent Jobs‘, der seine Produkte mit solch einer charismatischen Überzeugungskraft vermarkten kann als wären sie überirdischer Natur.

Ein weiterer Grund für den Einsturz könnte darin liegen, dass Steve Jobs nie preisgibt, was er gerade plant. Selbst seine Mitarbeiter stellen teilweise Einzelteile her, ohne zu wissen, was das tatsächliche Endprodukt sein wird. Er ist der unerlässliche Visionär des Unternehmens und gleichzeitig dessen unermüdliche Motor – Gerüchte über seine Krankheit lassen also befürchten, dass das drittgrößte Unternehmen weltweit mit ihm seine Antriebskraft und dadurch den enormen Wert verlieren würde. Da in den USA gestern ein Feiertag war, blieb die amerikanische Börse zunächst unberührt, man darf nun also gespannt sein, wie sich der Aktienwert dort heute entwickeln wird.

Quelle:

Matthias Kremp und Stefan Schultz (17.01.2011): Das 20-Millionen-Dollar-Genie. Spiegel Online

(http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,739985,00.html#ref=rss, 18.01.2011)

Wafaa Bilal’s „3rdI“

Wafaa Bilal ist eigentlich ein Kunstprofessor aus New York. Warum er Anfang Dezember jedoch Aufsehen in der Medienwelt erregte, war seine neue Protest-Aktion „3rdI“ (engl. „drittes Auge“ oder „drittes Ich“).

Bilal ließ sich eine Kamera in seinen Hinterkopf einpflanzen, die stündlich genau ein Bild schießen und es an das Worldwideweb (http://3rdI.me) weiterleiten wird. Da kein Arzt die Verantwortung für diesen Eingriff übernehmen wollte, wandte er sich an einen Tätowierer.

Grund für diese Protestaktion ist laut dem gebürtigen Iraki die zunehmende Belanglosigkeit, die durch die steigenden Selbstinszenierungsbeiträge in sozialen Netzwerken erreicht werde. Der zunehmende Drang vieler Menschen unserer Informationsgesellschaft, das eigene Leben bis ins kleinste Detail auf Facebook, Twitter o.ä. zu veröffentlichen, ist für Bilal der fundamentale Grund seiner Kritik.

Automatisch angetrieben schießt die Kamera also stündlich ein Foto von seinem Hinterkopf, dabei entstehen sehr private aber auch sehr alltägliche Bilder- Informationen, die für die Rezipienten eigentlich uninteressant sein sollten. Damit will der Kunstprofessor aber „der Gesellschaft ein Spiegelbild vorhalten“, wie er im Interview mit der Frankfurter Rundschau sagt, die Spiegelung zielt dabei auf die eben erwähnte Tendenz zur übertriebenen Selbstdarstellung. Um dabei jedoch absolut objektiv zu bleiben, musste er die Kamera von eigenen Einflussmöglichkeiten befreien (wie es etwa bei einer manuell zu bedienenden Kamera der Fall gewesen wäre), daher die Entscheidung für eine vorübergehende Einpflanzung in seinen Hinterkopf.

Dass er für solche Aktionen den eigenen Körper als verwendbares Material benutzt, ist für Bilal nicht untypisch: Anlässlich des Irak-Kriegs ließ er sich anfangs für jeden dabei gestorbenen Iraki einen Punkt auf seinen Rücken stechen; bei seinem „Shoot an Iraki“-Projekt ein paar Jahre zuvor hat er ein Bild von sich im Internet mit Farbpistolen abschießen lassen- während er mit den Handelnden kommunizieren konnte.

Er will dadurch zeigen, dass die scheinbare Nähe des Medium Internet nicht existiert, dass wir nur sehen und nachempfinden können, was wir dort wahrnehmen, dass es unsere gegenwärtige Position und Lage jedoch nie tatsächlich berühren oder gar verändern kann.

Quelle: Sebastian Moll (26.11.2010) in: Frankfurter Rundschau – Online (14.01.2011)

URL: http://www.fr-online.de/panorama/das-dritte-auge/-/1472782/5043288/-/index.html

Anti-Marketing Revolte

Dass soziale Netzwerke wie Facebook  vermehrt benutzt werden, um Werbe-Kampagnen auch online an den Kunden zu bringen, dürfte den meisten Nutzern aufgefallen sein. Doch viele der Mitglieder sind genervt von der Allgegenwärtigkeit der Werbung, seien es offizielle Fansites zu kommerziellen Produkten oder gar persönliche Nachrichten, die durch Beitritte in bestimmte Gruppen oder Netzwerke automatisch verteilt werden und zu Werbe-Aktionen einladen.

Eine dieser Kampagnen stellt der kürzlich abgeschlossene OTTO-Modelcontest dar: Unter dem Motto „Werde das neue Geischt der OTTO-Fanpage!“ durfte jeder 16-jährige Nutzer ein Bild hochladen, mit dem er sich für das Event bewerben wollte.

Gewinner sollte sein, wer die größte Anzahl an „Gefällt mir“-Klicks ansammeln konnte – es galt also, fleißig Freunde und Bekannte zu mobilisieren und für sich stimmen zu lassen, denn der meist Bewertetste sollte für zwei Wochen das repräsentierende Gesicht der OTTO-Facebookseite werden und zudem noch ein Fotoshooting gewinnen. Außerdem gab es dreistellige Warengutscheine für die ersten drei Plätze. Und damit man auch den „Wählern“ einen profitablen Anreiz bieten konnte, rührte OTTO weiter die Werbetrommel und versprach, unter allen Teilnehmern (unter Vorraussetzung, dass sie auch Fan der offiziellen OTTO-Fansite in Facebook sind) 25 Warengutscheine im Wert von 25€ zu verlosen.

Mit dieser Werbekampagne kombinierte OTTO geschickt den Selbstdarstellungsdrang vieler Facebook-Mitglieder mit Castingwünschen und Glücksspielelementen – und nutzte damit ein Marketing-Potential, das viele deutsche Unternehmen im Gegensatz zu denen Amerikas bisher nicht ausgeschöpft haben. Resultat: Auf der Fanpage spricht OTTO von „48.490 Teilnehmern und ca. 1.200.000 Votes“ – ziemlich erfolgreich für den wettbewerblichen Zeitrahmen von nur drei Tagen.

Womit das Unternehmen jedoch nicht gerechnet hat, ist die antikommerzielle Einstellung der meisten deutschen Facebook-Nutzer. Von ständigen Wettbewerbs-Einladungen und der offensichtlichen Werbestrategie genervt, entscheidet sich auch Sascha Mörs, ein 22-jähriger BWL-Student aus Koblenz, an dem Contest teilzunehmen. Anders als seine Konkurrenten wählt er jedoch eine ganz besondere Aufnahme: ein Faschingsfoto, auf dem er als provokative Frau verkleidet auf der Couch posiert.

Dass „der Brigitte“, wie er sich selbst nennt, mit rund 24.000 Votings als Gewinner des Wettbewerbs hervorgeht, hatte nichtmal er selbst erwartet. In einem Interview mit Kathrin Breer von Spiegel Online sagte er: „Am Anfang war alles ein Spaß, ich habe nur mit ein paar hundert Stimmen gerechnet. Ziemlich schnell ist der Link dann auf Fanpages von Kneipen gelandet und hat sich sogar unter Studenten im Ausland verteilt“ – im Zeitalter des Internets nichts Ungewöhnliches.

Die Facebook-Gemeinde reagiert indes gemischt auf „die Siegerin“- von verständnisvollen Solidaritäts- und Sympathieverkündungen bis zu eifersüchtigen Nachrichten von Mitbewerber/innen, die in der Aktion ihre Chance auf eine Modelkarriere gesehen haben, ist alles dabei.

Der Pressesprecher des Unternehmens, Thomas Voigt, versuche die Gegenbewegung übrigens mit Humor zu nehmen, schließlich verbuchte die Kampagne trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) einen Riesenerfolg. Und da die Bewerbung „der Brigitte“ den Teilnahmebedingungen entsprach, bleibt ihm wohl auch nichts Anderes übrig- weswegen er konsequent verlauten ließ „@Brigtitte: Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus. Einladung folgt.“

Wie nun weiter mit der Situation umgegangen wird, werden wir wohl in den nächsten Tagen erfahren; dass sich die Online-Community mit dieser Aktion aber gegen eine weitere Kommerzialisierung des sozialen Netzwerkes ausgesprochen hat, dürfte allerdings klar geworden sein. Ob diese kleine Revolte nun auch Früchte trägt und zu weiteren „Anti-Werbung“ oder „Anti-Datenklau“ Bewegungen führt oder ob die monopol-ähnliche Plattform weiterhin jeglichen Protest-Aktionen strotzt, bleibt wohl vorerst offen.

Quellen:

OTTO-Contest: (24.11.2010)

Breer, Kathrin (2010): Facebook-Hype: Der Brigitte? Find‘ ich gut!“, in: Unispiegel, (24.11.2010)