Alle Beiträge von Karin Goeres

Die letzte Boulevardisierung

Zurzeit kann man auf sueddeutsche.de einen Artikel zu den aktuellen Prozessen gegen die deutschlandweit bekannten jugendliche Straftäter finden, die in Köln und München sich Gewaltdelikten schuldig gemacht haben. Jedoch unterscheidet sich dieser Beitrag von den vielen anderen, die überall zu lesen sind. Er kritisiert eben diese Berichterstattung, die mit Ausdrücken wie „Koma-Schläger“ und „U-Bahnschläger“ daherkommt. Und vor allem kritisiert er, dass sich keiner darüber wundert.

Tatsache ist: Es sind Gewaltverbrechen geschehen, die in der logischen Folge Gerichtsprozess nach sich ziehen. Das passiert wohl überall, immer wieder. Doch aus den zwei Fällen werden öffentliche Angelegenheiten konstruiert, die sich nicht mehr mit neutraler Berichterstattung rechtfertigen lassen. BILD bringt die Schlagzeile: „U-Bahn-Schläger: Jetzt jammern sie vor Gericht!“ und der Express „Koma-Schläger straffrei: Milder Richter lässt ihn laufen“. Gerade letzterer führt geradezu eine Kampagne gegen das getroffene Urteil: Er veröffentlicht Bild und vollen Namen des Richters und lässt im Internet sogar darüber abstimmen, ob das Urteil nun gerechtfertigt ist, oder nicht. Es sei ja schließlich im „Namen des Volkes“ ergangen. Doch ist das eine Begründung für eine derartige Boulevardisierung einer Gerichtsverhandlung?

Hat die Boulevard-Presse mit dieser Art des Journalismus damit eine wichtige Grenze überschritten? Was meint ihr, dürfen Gewaltdelikte derart boulevardisiert werden? Oder ist es nur die logische Fortschreitung der Berichterstattung über Natascha Kampusch, Josef Fritzl und Mario M.?

„Dieses T-Shirt hat ein Kind für Tchibo genäht“

Kirsten Brodde erhielt vor ein paar Wochen einen Newsletter der Kaffeekette Tchibo: „Für Sie, für Ihn, für alle! Lieblings-Shirts online selbst gestalten!“ Und das für nur 12,90 ?!! Ein super Angebot! Dachte auch die Textilhandelsexpertin und bestellte gleich zwei. Eins mit der Aufschrift: „Dieses T-Shirt hat ein Kind für Tchibo genäht“ und ein zweites so: „Tchibo-Shirts: Gefertigt für Hungerlöhne“. Kaum erhalten, zog sie eins der T-Shirts vor einer örtlichen Tchibo-Filiale an und blieb solange protestierend davor stehen, bis sie von der Polizei des Platzes verwiesen wurde. So weit, so gut.

Brodder unterhält jedoch einen Blog für Grüne Mode und somit kam der Fall in die Öffentlichkeit. Just von SPIEGEL-Online aufgegriffen, zieht Brodde und ihr Engagement nun durch die Medien.

Nur: Wird sie Erfolg haben? Die grüne Welle hat wohl mittlerweile ganz Deutschland ergriffen, nicht zuletzt wegen der hohen Benzinkosten. Doch ist diese grüne Kultur schon soweit fortgeschritten, dass wir dafür auf billige Tchibo-Angebot verzichten wollen? Hohe Spritpreise – große Proteste. Billige T-Shirts – geringes Interesse?

Wir können gespannt sein.

Sport und Kultur ? oder: Was macht eine Fußballkolumne im Ressort ?Kultur??

Keine Frage: Sport und gerade Fußball gehören zu unserer Kultur.

Ich musste mich trotzdem sehr wundern als ich im Kultur-Ressort von Spiegel-Online ?Goosens Grätsche? fand, eine Kolumne zur aktuell laufenden Europameisterschaft. Womit beschäftigt sie sich also? Mit dem interkulturellen Aspekt der Europameisterschaft? Mit Spielkultur? Weit gefehlt! Frank Goosen schreibt über die Bambini-Spiele seiner Söhne, über Public Viewing im Garten des Nachbarn und allerlei anderes, das mehr oder minder alltäglich ist.

Ist das nun Kultur?

Zumindest ist es keine Hochkultur. Es ist nichts, das man in einem Kulturressort erwarten würde, oder gar im Feuilleton. Dort möchte man über Neuinszenierungen bekannter Bühnenstücke, die Rezensionen von Walsers ?Ein liebender Mann? und über die neueste Aufnahme von Beethovens Fünfter durch das Berliner Symphonieorchester lesen. Aber über Fußball?

Spiegel-Online ordnet ?Goosens Grätsche? in die Unterkategorie Gesellschaft ein. Nun schaut man sich das Feuilleton der ZEIT an: Regelmäßig berichtet die über gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen, über Kommunismus und Kirche, über den ?neuen Kapitalismus? und die deutschen Gesundheitsfanatiker. Gesellschaft, das ist festzustellen, ist also zuhause im Ressort Kultur, im Feuilleton.  Aber Fußball?

Fußball, die EM ist ein Gesellschaftsphänomen. Fußball, das ist Alltagskultur. Irgendwie gehört es also schon ins Ressort Kultur. Aber nur irgendwie. Besser würde die Kolumne ?Goosens Grätsche? ins Ressort Sport passen, wo auch alle anderen Reportagen, Berichte und Kommentare zur Europameisterschaft zu finden sind.