Alle Beiträge von Dimitar Gerganov

Reporter mit Grenzen

Als ich kurz vor den Weihnachtsferien im Referat über die Medienlandschaft Bulgariens berichtete, hatte ich unter den ersten meiner Stichpunkte „junges, vielfältiges Mediensystem“ und „keine Zensur“ stehen. Der neue Bericht der internationalen Organisation „Reporter ohne Grenzen“ zu demselben Thema wirft das zwar nicht über den Bord, relativiert es aber genauso beachtlich wie besorgniserregend.

59 — der Platz, auf dem der ehemalige sozialistische Staat in puncto Pressefreiheit heute liegt. Dabei ist das ein eklatanter Absturz, denn noch 2006 besetzte Bulgarien im internationalen Vergleich immerhin den Rang 35.

Dass das Land damit das EU-Schlusslicht darstellt, dürfte wenig überraschen. Im Bericht werden die negativen Trends mangelnder Meinungsvielfalt und gefährdeter Investigationsjournalismus sowohl an konkreten Ereignissen wie dem unmenschlichen Angriff auf den Redakteur Ognyan Stefanov festgemacht, als auch nach einzelnen Problembereichen aufgeschlüsselt. Finanzielle und parteipolitische Interessen, Journalistenbespitzelung und Machtlosigkeit bzw. Passivität der qualitätssichernden Instanzen sind nur einige davon.

An den im ROG-Bericht abschließend vorgeschlagenen Verbesserungsmaßnahmen wird deutlich, wie weitreichend das Qualitätsproblem für Bulgarien ist. Seine Gründe finden sich nicht ausschließlich in den Medien selbst, sondern gehen aus makrosozialen Tatbeständen hervor, die nur regierungspolitisch manipulierbar sind. Und das ist ein Problem für sich.

Gezwungene Linearität

?bseits der anscheinend häufiger diskutierten Frage nach der inhaltlichen Qualität von Medienprodukten, liegt eine Reihe von technischen Voraussetzungen, die die Qualitätsdiskussion tangieren. Die technische Beschaffenheit einer Informationswebsite ist beispielsweise ein Merkmal, das nicht nur sehr schnell auffällt, sondern auch direkte Implikationen für ihre Nutzung hat.

Im Zusammenhang mit den Werbeeinnahmen solcher Seiten werden oft gezielte Manipulaitonen vorgenommen, die die Page-Impressions künstlich erhöhen. Mehr Page-Impressions — mehr potentielle Kunden. Mehr potentielle Kunden — mehr interessierte Werbetreibende.

Ein genauso wirksames wie einfaches Verfahren sieht hierzu vor, die Möglichkeit zum Öffnen eines Links in einem neuen Browser-Tab zu verhinden. So kann der Nutzer, der sich die Schlagzeilen anschaut und entscheidet, was gelesen wird, das Ausgesuchte nicht mehr „auf Vorrat“ öffnen, sondern er muss nach jedem bearbeiteten Link auf die Startseite zurück. Er wird quasi in eine Linearität hinengezwungen, die die Besuche auf die Homepage steigert und diese attraktiver für Werbekunden wirken lässt.

Nun ist bei einer solchen Vorgehensweise scharf zu kritisieren, dass es sich bei den dabei entstehenden Besucherzahlen um eine weitaus trügerische Größe handelt. Der zurück auf die Startseite gelandete Nutzer schaut sich wohl kaum wieder die Werbung an, sondern sucht — nicht unwesentlich irritiert — nach dem „Abbruchslink“, um den Orientierungs- bzw. Informationsprozess an der Stelle fortzusetzen. Das Fehlen einer essentiellen Funktion fällt sehr schnell negativ auf, sodass der Schaden vom enttäuschten Publikum bestimmt ernster ausfällt als ein paar verlockte Investoren.

(via)

ShortFormPost

In Zeiten einer Krise ist Sparsamkeit geboten, die — je nach Art der Krise — in diversen Ressourcenkürzungen bestehen kann. Ist die, mittlerweile global gewordene, wirtschaftliche Verknappung ein relativ aktuelles Phänomen, so lässt sich die moderne Gesellschaft seit Jahrzehnten durch einen omnipräsenten Zeitmangel charakterisieren.

Auf die Mediennutzung angewandt und durch die Informationsüberfülle von RSS-Feeds & Co. zugespitzt, stellt dieser Mangel dringende Anforderungen an den Journalismus. Es geht um Selektion, besser: Reduktion durch Selektion.

Und Klarheit.

Es geht darum, sich kurz zu fassen, denn der gelangweilte Leser/Hörer/Zuschauer gibt dir keine zweite Chance. Was ist mit diesem Artikel? In über 500 Wörtern sagt er unwesentlich mehr als mit dem einfachen Lead. Konnte es nicht dabei bleiben?

Doch — allerdings in den USA, wo sich eine Gruppe entlassener Detroiter Journalisten um den jungen Ernie Smith die Aufgabe zu eigen gemacht hat: „Writing a little. Saying a lot.“. Eine solche Informationsaufbereitung ist nicht leicht vollzogen, bringt aber einen ganz besonderen Mehrwert für den Nutzer: die Möglichkeit, sich innerhalb von Sekunden eine Neuheit anzueignen. Ob diese durch die entsprechend verlinkte Quelle auch vertieft wird, wird dann zu einer gesonderten, interessenabhängigen Entscheidung des Lesers.

ShortFormBlog treibt keine eigenrecherchierte Publizistik. Dennoch können viele Medienriesen von seiner zugänglichen Orientierungsfunktion, seinem prägnanten Schreibstil und nicht zuletzt vom sauberen Webdesign lernen.

Im Gesamtbild der heutigen Medienlandschaft kann man die Initiative als Plädoyer für die Wahrnehmung und Befriedigung der eben genannten Qualitätsanforderungen verstehen, und zwar solange die Grenzkosten der Rezeption ihren Grenznutzen so unverschämt übertreffen.

Habe ich jetzt vielleicht selbst zu viele Worte darüber verloren?

Das Print-First-Prinzip

„Veranstaltungskommentar“, die höchstbegehrte Halbjahreszeitschrift des Faches Medienwissenschaft an der Universität Trier, hat offensichtlich ihre kostenlose Online-Ausgabe aufgegeben. Das Medium, dessen aktuelles Heft je am Ende des Studiensemesters erscheint, ist ab heute nur kostenpflichtig als Print-Ausgabe in den beiden Sektretariaten des Faches erhältlich.

(Bestenfalls scheint die Readaktion das Gegenteil dieser Strategie zu befolgen.)

Der Preis von einem Euro ist an sich unerheblich. Beunruhigend an der Entscheidung ist allerdings, dass sie Studierende in eine Situation versetzt, in der sie für etwas zahlen müssen, ohne das sie sonst kaum studieren können. Dabei geht es – im Unterschied zu den Readern beispielsweise – um ein kleines Heft, das jeder für sich selbst ausdrucken oder sogar auf dem Bildschirm lesen kann. Weiter ist dieses quasi ein Einweg-Informationsträger, dessen inhaltliche Aktualität und Validität zeitlich und funktional stark begrenzt sind.

Es lässt sich nicht leugnen, dass die Print-Version des „Veranstaltungskommentars“ auch von Nutzen ist, besonders für Erstsemester, doch sie darf nicht auf diese Weise zur Einnahmequelle gemacht werden.

Von hier an blind?

Sind die bulgarischen Klassiker ein Privateigentum?

Seit fast zwei Monaten beschäftigt diese Frage die einheimische Blogosphäre. Kurzum: der ohne Zweifel mächtigste Verlag in dem Land – „Trud“ (????) -, ein Eigentum der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, droht mit Klagen die spezialisierte Website bezmonitor.com. Auf der Adresse sind diverse literarische Texte zu finden, die auf Blinde zugeschnitten sind, d.h. alle Inhalte sind ausschließlich ASCII-basiert, sodass sie von einem Software-Synthesizer gelesen werden können. Der Zugang zu der Website, die selbst von einem Blinden betrieben wird, ist kostenlos.

znam.bg dagegen ist eine ähnliche Online-Platform des Verlags, die erstens für die von blinden Nutzern ausschließlich verwendeten Textbrowser unzugänglich ist, zweitens – eine Zahlung durch SMS erfordert.

Ohne tatsächliche Beweise vorzulegen, behauptet der Verlag, er habe angeblich die Urheberrechte für die Texte gekauft, und verlangt somit ihre Entfernung von der anderen Website.

So geht es eigentlich nicht nur um die Nichtsehenden, die benachteiligt werden. Unter den umstrittenen Inhalten sind zahlreiche Klassiker der Literatur zu finden, die zu dem Schulunterricht schlechthin gehören. Wenn mein Kind lernen muss, muss ich zahlen. „Trud“ zahlen. Einem Monopolisten.
Zumal eine Richtlinie die Reproduktion von Werken erlaubt, die schon in der Brailleschrift oder einer analogischen Alternative veröffentlicht worden sind, wenn dies keine kommerziellen Zwecke verfolgt.

Die Empörung vieler gerechtigkeitsbewussten Menschen hat durch ein Protest-Blog ihren Ausdruck bekommen. Unter dem Motto „Rettet die bulgarischen Märchen!“ sind auf der Site sowohl grundlegende Erklärungen des Sachverhalts zu finden, als auch eine Menge Kommentare und Verlinkungen zu anderen Weblogs, wo das Problem auch thematisiert worden ist. Hauptziel der Gegeninitiative ist, eine möglichst große – und vor allem internationale – Resonanz zu finden, um solch unmoralischen Aktionen die rote Karte zu zeigen.

Helfen kannst auch du.

S wie Schleichwerbung

Eltern aus der bulgarischen Stadt Kardshali, deren Kinder an einer örtlichen Schule lernen, haben einen merkwürdigen Vorfall registriert.
In einem der angebotenen Russisch-Lehrbücher für das kommende Schuljahr sei angeblich Schleichwerbung zu finden.
Erwähnt werden drei Firmen mit ihren bekannten Markenprodukten: Ariel, blend-a-med und Coca-Cola (wohlgemerkt: A, B, C!). Dies geschieht offensichtlich nicht beiläufig, sondern als gezielte Einwirkung durch Geschichten und Fragenkreise, die für Fünftklässler gedacht sind. So wird z.B. die weiße Krähe aus dem klassischen Märchen in eine dubiose Verbindung mit dem Waschmittel gesetzt.

Zugegeben, das Konsumverhalten von Kindern ist aufgrund der finanziellen Abhängigkeit von den Eltern nicht besonders ausgeprägt. Das ist aber bei weitem keine Rechtfertigung für einen so gewagten Marketingschritt, zumal die Werbewirkung erst später zum Vorschein kommen könnte.
Ein aufschlussreiches Beispiel hierfür wären Kindersendungen im deutschen Rundfunk, die sogar durch reglementierte Werbeblöcke nicht unterbrochen werden dürfen.

Somit verstoßen die Verfasser gegen Recht und Ethik. Schade um die Kreativität und das Lehrbuch selbst, das (hoffentlich) nicht gebilligt wird.

Analyze this

Mithilfe von Google Analytics erfahren Sie im Detail, wie Besucher Ihre Website gefunden haben und wie sie mit der Website interagieren.

Von diesem relativ neuen Dienst habe ich vor drei Wochen hier erfahren. Das Angebot sollte vor allem kommerzielle Webbetreiber ansprechen, eignet sich aber ganz gut auch für ein ganz normales Blog.
Bei einer von Google Analytics beobachteten Site kann man ihre Zielgruppe erkennen und evtl. die Werbung darauf abstimmen. Die Einschaltung erfolgt durch kurze HTML-Code, die in die zu beobachtende Website einfach zu kopieren ist. Als registrierter Nutzer stehen einem zahlreiche Tracking- und Optimierungsdaten zur Verfügung, zum Teil grafisch visualisiert.
Größtes Interesse dürfte das Landkarten-Overlay wecken, wo auf der Weltkarte die Aufenthaltsorte aller Sitebesucher übersichtlich gezeigt werden. Für mich war es beispielsweise äußert überraschend, Besuche aus Spanien, Lettland und den USA zu verzeichnen.

Ob die aufgetauchte Erwartung, der Dienst würde die etablierte (kostenpflichtige) SEO abschaffen, sich bestätigen wird, ist noch unklar. Vielleicht werden Google selbst in der Zukunft Geld dafür verlangen. Momentan ist Google Analytics kostenlos, registrieren kann man sich allerdings nur nach einer Einladung.

Geschichte der Marke

Marken haben wir heute überall um uns herum. Während Produkte in der Vergangenheit massenhaft ohne Kennzeichnung für das Herkunftsunternehmen hergestellt wurden, sind Markenartikel mittleweile aus dem Alltag der Konsumenten nicht mehr wegzudenken.
Infolge der wachsenden (räumlichen) Kluft zwischen Käufer und Hersteller, entstand ein Risiko für beide Seiten, die einander fremd wurden. Der fast unmöglichen Wiedererkennung des Firmennamens stand die Verwirrung des Verbrauchers bei der Kaufentscheidung gegenüber. Auf dem riesigen Gütermarkt, wo sich Produkte verschiedener Anbieter qualitativ nur marginal unterscheiden, ist das Schaffen eines eigenen Markenimage ein Überlebensfaktor.

Zu diesem Phänomen der werblichen Kommunikation haben manager-magazin.de und Das virtuelle Markenmuseum ein Online-Quiz erstellt, mit dem jeder seine Kenntnisse auf dem Gebiet testen kann. Ob Pioniere wie das Mundwasser Odol oder später eingeführte Marken wie Nivea und Adidas, die Fragen verschaffen einen kleinen Überblick über die mehr als hundertjährige Branding-Geschichte und sind zum Teil ziemlich schwer zu beantworten.

Wie groß die Werbewirkung einer Marke sein kann, zeigt auch eine vor kurzem geendete Umfrage des Deutschen Werbemuseums, wo die ersten drei Plätze fast die Hälfte aller Stimmen ausmachen.

Noch ein Hinweis: Wer sich weiter dafür interessiert, der soll sich die Chance nicht entgehen lassen, an der Fachtagung zu Konsum und Werbung teilzunehmen, die heute an der Uni startet. Veranstalter ist Prof. Dr. Michael Jäckel aus dem Fach Soziologie.

Hackers III The Fall Down

Bulgarien. Seit etwa drei Wochen sind die Internetnutzer in dem Land voller Panik – zumindest ein Teil von ihnen. Denn der Nationale Dienst für Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (?????), neulich umbenannt in Hauptdirektion für Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (?????), hat eine massierte Aktion gegen bestimmte Endverbraucher vorgenommen. Es handelt sich um die Torrent-Netzwerke, die nach dem Untergang der sog. „Free-Server“, wo jahrelang zahlreiche Medienprodukte wie Filme, Musikalben, Computerspiele und Software illegal zum Download verfügbar gewesen waren, als Hauptquelle der letzteren geworden sind. Dabei ist Quelle nicht mehr das passendste Wort, weil die Torrent-Technologie, welche an sich ja nichts Rechtswidriges darstellt, in einer dezentralisierten Netzwerk mit gleichzeitigem Datenaustausch zwischen allen Nutzern besteht. So wird eine neue Datei, z.B. ein Film, erst durch bestimmte Uploader zur Verfügung gestellt, die i.d.R. entsprechende Direktverbindungen zu der „Scene“ haben. Nämlich gegen solche Leute – im Einzellfall gegen ArenaBG, die größte bulgarische Website dieser Art – war der erste Schlag gerichtet. Da (die drei verhafteten) Uploader sich nur formell von den normalen Torrent-Nutzer unterscheiden (etwa nach Trafficvolumina), wird die Maßnahme, die auch mit weiteren Einbrüchen in Privathaushalte droht, von allen in dem Austausch verwickelten als ernsthafte Gefahr empfunden.

Unschuldig sind diese Nutzer wohl nicht. Allerdings: was soll man da machen, wenn der Großteil von Medieninhalten, vor allem Filme und Musikproduktionen, auf dem bulgarischen Markt gar nicht erscheint? Man sieht etwas im Netz, hört ansatzweise davon vom Fernsehen und dann? Kaufen? Gut – und wo? Wenn beispielsweise ein Online-Händler überhaupt eine Lieferung nach Bulgarien anbietet, kostet diese manchmal mehr als die Ware selbst. Im Kino ist Hollywood-Kommerz angesagt und landesweit gibt es keinen vernünftigen Plattenladen.
Auf diesem Hintergrund sind solche staatliche Eingriffe reines Theater. Das Land hat dabei andere, weitaus größere Probleme, die zu lösen sind, bevor der ersehnte EU-Beitritt Realität wird. Und schließlich kann man seinem Hund keine Vorwürfe machen, dass er vom Nachbarn Essen klaut, wenn man ihn selbst nicht füttert.
Also füllt den Kühl(tur)schrank bitte.