Als ich kurz vor den Weihnachtsferien im Referat über die Medienlandschaft Bulgariens berichtete, hatte ich unter den ersten meiner Stichpunkte „junges, vielfältiges Mediensystem“ und „keine Zensur“ stehen. Der neue Bericht der internationalen Organisation „Reporter ohne Grenzen“ zu demselben Thema wirft das zwar nicht über den Bord, relativiert es aber genauso beachtlich wie besorgniserregend.
59 — der Platz, auf dem der ehemalige sozialistische Staat in puncto Pressefreiheit heute liegt. Dabei ist das ein eklatanter Absturz, denn noch 2006 besetzte Bulgarien im internationalen Vergleich immerhin den Rang 35.
Dass das Land damit das EU-Schlusslicht darstellt, dürfte wenig überraschen. Im Bericht werden die negativen Trends mangelnder Meinungsvielfalt und gefährdeter Investigationsjournalismus sowohl an konkreten Ereignissen wie dem unmenschlichen Angriff auf den Redakteur Ognyan Stefanov festgemacht, als auch nach einzelnen Problembereichen aufgeschlüsselt. Finanzielle und parteipolitische Interessen, Journalistenbespitzelung und Machtlosigkeit bzw. Passivität der qualitätssichernden Instanzen sind nur einige davon.
An den im ROG-Bericht abschließend vorgeschlagenen Verbesserungsmaßnahmen wird deutlich, wie weitreichend das Qualitätsproblem für Bulgarien ist. Seine Gründe finden sich nicht ausschließlich in den Medien selbst, sondern gehen aus makrosozialen Tatbeständen hervor, die nur regierungspolitisch manipulierbar sind. Und das ist ein Problem für sich.