„Unser Song für Deutschland“ heißt der zweite Versuch von ProSieben und ARD bzw. NDR, um den Eurovision Song Contest zu einem nationalen Event zu machen. Doch anders als beim erfolgreichen Vorjahresmodell „Unser Star für Oslo“ wird in diesem Jahr kein neues Gesicht gesucht, wie in allen Castingformaten üblich. Die Vorjahressiegerin Lena Meyer-Landrut steht als Teilnehmerin von Raabs Gnaden von Beginn an fest. Einzig der Song, also das Lied, das sie beim Finale des Eurovision Song Contest im Mai in Düsseldorf vortragen soll, steht zur Debatte.
Das typische Spannungsmoment der Castingshows, das „Du kannst nach Hause gehen!“, die zerplatzten Träume, die Tränen fehlt dieser Sendung also. Emotionale Bindungen und Identifikation von Zuschauern mit Lenas Songs sind nicht Teil des Konzepts, Fangruppierungen werden ausbleiben. Wenn man dann noch hört, dass sich die Suche nach dem einen 3 1/2 minütigen Song über drei 2 1/2 stündige Sendungen hinziehen soll, stellt sich die Frage: Was machen die da so lange? Ist das nicht langweilig? Prompt geht auch schon die Boulevardpresse der Frage nach, ob es sich bei dem Konzept um den „totalen Lena-Overkill“ handelt, die Quoten können mit dem Vorjahreskonzept nicht mithalten.
Die beiden Fragen, ob es sich bei der Sendung um eine nervenstrapazierende Überpräsenz der jungen Hannoveranerin handelt oder die Show gar langweilig ist, lässt sich nicht endgültig beantworten und sind doch letzten Endes Fragen des persönlichen Geschmacks. Was die da so lange machen, lässt sich jedoch genau messen. Genau das habe ich bei der zweiten Ausgabe am 07.02. getan. Das Protokoll:
Gesamtdauer der Sendung: 2 h 15 min
Songs: 20 min, aufgeteilt auf 6 Song mit jeweils knapp 3:30 min.
Werbung: 30 min 10 sec, aufgeteilt auf 4 große Werbeblöcke und Zwischenspots, längste Werbepause 9 min.
MAZen, die die Komponisten vorstellen: 21 min, zu jedem Song eine 3 min 30 sec lange.
Juryurteile: 22 min 10 sec
Anrufzeit beim Telefonvoting: 20 min
Zeit bis zum ersten Song: 25 min 40 sec
Zeit nach dem letzten Song: 34 min 30 sec
Schaut man sich diese Zahlen an, wird das Problem der Sendung schnell klar: nur 20 von insgesamt 135 min Sendezeit sind tatsächlich von Musik erfüllt. Das entspricht einem „Songanteil“ in „Unser Song für Deutschland“ von 14,8%. Die Einschaltquoten lagen mit 7,9 % in der ersten Sendung und 5,5 % in der zweiten sogar noch tiefer.
Die MAZen und Juryurteile, die zusammengenommen über 40 min einnehmen und die wohl hauptsächlich der Protagonistin als Umziehpause dienen, sind aufgrund des fehlenden Spannungsmoments nur für diejenigen interessant, die Stefan Raab gerne über Songs von Stefan Raab philosophieren hören. Und so muss man „Unser Song für Deutschland“ bei allem Respekt für Lena Meyer-Landrut, die das Mammuttprogramm routiniert und charmant meistert, wohl als Fehlkonstruktion bezeichnen. Denn „was die da machen“ ist hauptsächlich Zeit bis zum nächsten Song totschlagen.