Spiegel der Inkompetenz

Europe’s Capital of Anti-Semitism

Budapest Experiences a New Wave of Hate

Mit diesem Titel veröffentlichte Spiegel Online am 14.10.2010 Erich Follaths Artikel, der versucht Ungarns Hauptstadt als antisemitisch darzustellen. Die Mittel dafür sind eher witzig als journalistisch und zeigt wie gefährlich inkompetente Journalisten sein können. Man sollte schon die Zusammenhänge im Leben erkennen, aber wo es keine gibt, sollte man sie eher lassen.

Erich Follath fand einen 77 Jährigen, jüdischen, nicht allzu bekannten oder berühmten Schriftsteller, namens Konrád György, wer über seine Kindheit erzählte. Kein Zweifel, dass alles wahr ist was Herr Konrád sagt, aber die Zeit seiner Kindheit liegt schon lange zurück, und wir Menschen neigen dazu Tatsachen im Nachhinein, je nach Bedarf, ein bisschen umzuformulieren. Doch erwähnte Herr Konrád weder irgendeinen konkreten Grund weshalb er sich in Budapest zur Zeit nicht wohlfühlt noch berichtete er darüber, dass er angegriffen oder belässtigt wurde, obwohl die Juden, laut Artikel, tagtäglich eingeschüchtert werden „Jews are being openly intimidated”.

Um die Theorie, Budapest sei antisemitisch zu bestätigen, wollte Herr Follath den Leiter der Wahlkampagne der Partei Jobbik, als Leitfigur des Antisemitismus in Ungarn vorstellen, aber das ist ihm misslungen. Weder verstand Herr Follath die Ironie von Várkonyi Zsolt zu dieser absurden Anschuldigung, noch konnte er konkrete Beispiele erwähnen, wann Juden von den Mitgliedern der Partei Jobbik  angegriffen worden seien. Danach wurde eine ziemlich unbekannte Frau als „the voice of a new literary generation” vorgestellt, was immer das bedeuten mag. Zum Thema Antisemitismus konnte sie auch nicht viel, besser gesagt gar nichts beitragen und was ihre Mutterschaft bzw. Zwillinge mit Antisemitismus zu tun haben ist unklar.

Der einzige, der sich angegriffen erinnerte, war ein 61 Jahre alter „Jewish intellectual”, der eine ziemlich absurde Geschichte erzählte. Angenommen es ist wahr was er sagt, könnte man glauben, er sei ein wichtiger und berühmter „Intellectual”, ist er aber nicht. Spiegel Online oder Herr Follath wollten das Thema des Artikels mit einem Bild drastisch darstellen, auf dem junge Leute in schwarzen Uniformen auf dem Heldenplatz zu sehen sind. Jeder weiß, was wir alles heutzutage Progammen wie Photoshop verdanken können. Das Bild könnte allerdings auch echt sein. Es könnte von einem Film stammen, der in Budapest gedreht wurde, da im Artikel gleich am Anfang erwähnt wird, dass Budapest ein beliebter Drehort ist.

Es wurde auch im Artikel darüber berichtet, dass in Ungarn Angehörige von Roma angegriffen wurden und sechs Menschen ums Leben gekommen sind.” Neo-fascist thugs attacked Roma families, killing six people in a series of murders”. Erstens ist dies nicht in Budapest passiert. Also ist es unklar ob jetzt nur in Budapest, oder überall in Ungarn Antisemitismus herrscht, geschweige denn Rassismus, was hier eher der Fall wäre. Zweitens waren die Täter keine Neofaschisten, sondern normale Menschen, die mit anderen Menschen (die zufällig Roma waren) ihren Konflikt auf einer primitiven Ebene gelöst haben. So etwas kommt überall auf der Welt vor, auch in Deutschland. Drittens sollte man als Journalist bei Anschuldigungen Objektivität bewahren und in diesem Zusammenhang sorgfältig nachrecherchieren weshalb solche Dinge passieren. Konflikte beruhen zumeist auf Gegenseitigkeit. Ansonsten entsprach alles den Tatsachen, die Herr Follath diesbezüglich behauptete.

Zusammengefasst könnte das Rezept für einen wertlosen Artikel so aussehen: Man nehme eine banale Theorie und eine Stadt dazu. Man befrage vier Menschen von den 1.7 Millionen Einwohnern der Stadt, möglichst diejenigen, die extremistisch denken. Man bekäme zum einen die erwartete Antwort, deren Wahrheit ziemlich fraglich ist und schon ist die Theorie bestätigt. Man suche sich eine Zeitung aus, die ums Überleben kämpft und veröffentlicht alles, was ein bisschen Aufregung erzeugen kann und verkaufe solche Geschichte an diese.

Antiseminismus gibt es überall. In Ungarn, in Deutschland, auf jedem Ort der Welt, genauso wie Rassismus. In einer der Toiletten der Universität Trier steht zum Beispiel: „Ausländer raus!” Soll ich auch ein Artikel darüber veröffentlichen, dass an der Universität Trier Rassismus herrscht? Das tue ich nicht, denn es wäre genauso Inkompetent wie Herr Follaths Artikel im Spiegel.

http://www.spiegel.de/international/europe/0,1518,722880,00.html

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