Schlichtspruch zu Stuttgart 21: Wer hat gewonnen?

Am 30. November trat Heiner Geißler ein letztes Mal als Schlichter vor die Kamera. Er hat seine Entscheidung gefällt: Pro Stuttgart 21, ab jetzt Stuttgart 21 plus. Nach wochenlangen Protesten und Diskussionen ist eine Lösung gefunden.  Die Bahn muss nachbessern, der Bau wird jedoch fortgesetzt. Unter anderem sollen zwei weitere Gleise gebaut werden und der Bahnhof wird einem Stresstest unterzogen.  Es werden erhebliche Mehrkosten für die Deutsche Bahn entstehen, das Thema Baustopp ist dafür vom Tisch. Wer kann jetzt eigentlich als Sieger gesehen werden? Die Bahn? Die Regierung unter Stefan Mappus? Die Bevölkerung?

Einer der Gewinner ist Heiner Geißler, oder sollte man Heiner Geißler Superstar sagen? In einer Stuttgarter Lokalzeitung wurde er als globaler Schlichter karikiert: Erst Stuttgart, dann der nahe Osten, Korea und dann zwischen Gott und dem Teufel. Er trat als fairer Mittler auf, sorgte bei den Live-Diskussionen auf Phönix für die zweithöchste Einschaltquote in der Phönix Geschichte und konnte mit seinem Witz und seinen Moderationskünsten bestechen.

Wie sieht es mit der Bahn aus? Ihr sowieso schon ramponiertes Image hat nur weiter gelitten und sie haben noch höhere Kosten, daher kann die Fortführung des Projekts nur als kleiner Sieg gewertet werden.

Der geheime Gewinner ist für mich die Demokratie. Endlich setzen Bürgerproteste auch etwas in Gang. Protest ist nicht weiter nur eine Begleiterscheinung, sondern für die Politik ernst zu nehmen. Zwar wurde das Ziel „Stoppt Stuttgart 21“ nicht erreicht, jedoch wurde eine Schlichterrunde und damit eine objektive und rationale Diskussion über das Projekt ermöglicht. Die Gegenbewegung ist daher nicht gescheitert, im Gegenteil: Sie hat gezeigt, wie Demokratie unter Einbindung der Bürger funktionieren kann.

Der eigentliche Gewinner ist meiner Meinung nach Stefan Mappus. Vor dem Schlichtungsprozess hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Druck von allen Seiten erleiden müssen. Der von den Grünen geforderte Heiner Geißler war sein vielleicht letzter Strohhalm und er hat ihn genutzt. Mappus hat Geißler als Schlichter befürwortet und die Schlichtung mitdurchgesetzt. Nach dem Schlichtspruch steht Mappus glänzend da. Er hat einer Diskussion mit offenem Ausgang zugestimmt, er war für mehr Demokratie, er kam den Protestlern entgegen. Manchmal kann man eben nur durch Risiko gewinnen.

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4 Gedanken zu „Schlichtspruch zu Stuttgart 21: Wer hat gewonnen?

  1. Der teuerste Bahnhof Deutschlands für das geizigste Volk der Welt, wie es in einem Beitrag der Heute-Show so schön hieß, wird nun noch ein bisschen kostspieliger, Stuttgart 21 bleibt umstritten.
    Das Grundvertrauen in politische und wirtschaftliche Akteure ist in erschreckendem Maße verloren gegangen. Trotz Schlichtung. Am 27. März ist Landtagswahl in Baden-Württemberg. Wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlieren gehört, wird sich zeigen.

  2. S21… alles Quatsch! Gewonnen hat keiner! Die Demonstranten nicht, weil das Projekt trotzdem durchgezogen wird. Die Bahn nicht, weil ihr Imageverlust noch größer geworden ist. Stefan Mappus nicht, weil es einen „Heiner Geißler Superstar“ benötigte um überhaupt eine Diskussion zuzulassen.

    Einzig Heiner Geißler hat gewonnen, weil sein Name nun bekannter als vorher ist. Und auch er hat nichts davon, weil sofort nach dem Schiedsspruch ja von Anti-S21 Seite verkündet wurde, dass weiter Demonstriert wird.

    Und in Haiti verrecken se weiter, ohne dass es jemanden interessiert. Verrückte Welt…

  3. Es ist wirklich ein Jammer, dass erst nach solchen heftigen Protesten, bei denen einige Protestanten verletzt oder sogar ihre Augen von Wasserwerfern „weggepustet“ wurden, ein „Schlichter“ wie Heiner Geißler zu einer „Lösung“ kommt. Die Bahn scheint nach all dem auf jedenfall den kürzeren gezogen zu haben. Aber man merkt schon seit langem, dass dieses immernoch „private“ Unternehmen nunmal die komplette Kontrolle über den Zugverkehr Deutschlands hat und somit sogut wie alles tun und lassen kann (wenigstens bezüglich des Bahnverkehrs) was sie will. Allerdings gilt auch großes Lob an die Protestanten, die anscheinend wirklich etwas bewegt zu haben scheinen.

  4. Am runden Tisch erfolgte zwar sachlicher Meinungsaustausch, doch demokratische Konfliktlösung sollte anders aussehen. Dass bis zum Abschluss des Stresstests kein Baustopp verhängt wurde, ist im Übrigen unbegreiflich und ein gravierender Fehler.

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