STOPP!! – Ein rotes Schild soll von nun an den Zugang zu Kinderpornografie verhindern, jedenfalls wenn es u.a. nach Familienministerin Ursula von der Leyen und Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg geht. In Kooperation mit mehreren deutschen Providern soll der Zugriff auf Webseiten mit kinderpornografischem Inhalt auf eine Stoppschildseite umgeleitet und so der Zugang zu illegalem Material verhindert werden. Soweit der moralisch-wertvolle Teil, gäbe es nicht bedenkliche Haken bei diesem wahlkampfwirksamen Aktionismus.
Kritiker bemängeln zum einen die Inkonsequenz der Vorgehensweise. So werden die Seiten lediglich „verdeckt“, eine tatsächliche Stilllegung der Anbieterseiten bzw. Strafverfolgung der Betreiber findet nicht statt, meist aufgrund deren Ansässigkeit im Ausland. Die Inhalte existieren defacto also weiter, allerdings verdeckt durch die Stoppschildumleitung. Zum anderen scheint die Wahl der Mittel fragwürdig: Die Umsetzung durch sogenannte DNS-Sperren bietet keinen undurchlässigen Wall. Wer gesperrte Seiten erreichen will, kann dies mit wenig technischem Sachverstand ohne weiteres tun.
Auch werden Bedenken laut, die an den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung zweifeln lassen. Welche Seiten gesperrt werden bestimmt laut Gesetzentwurf allein das BKA, womit quasi willkürlicher Zensur unliebsamer Inhalte jedweder Art Tür und Tor geöffnet werden könnten. Diese sogenannte Blacklist ist für Parteien außerhalb des BKA nicht zugänglich und somit nicht kontrollierbar.
Beängstigend ist aber vor allem die geplante Strafverfolgung von Usern, die auf eine Stoppschildseite gelangen. Dabei ist es unerheblich ob tatsächlich mit kriminellen Hintergedanken nach illegalem Material gesucht wurde oder durch Unwissen, etwa einem böswillig zugespielten und verschleierten Link, auf gesperrte Seiten zugegriffen wurde. Dies hebelt effektiv die Unschuldsvermutung aus. Der Nutzer müsste also nachweisen das es nicht seine Absicht war, etwas Unrechtes zu tun.
Zugespitzt bringt es Bettina Winsemann auf den Punkt:“Zu vergleichen wäre dies mit einem Menschen, der in einer fremden Stadt ausgesetzt wird und der bei jedem Halt vor einem Stoppschild, obgleich er sofort umdreht, festgenommen wird, da er sich offensichtlich in ein verbotenes Gebiet hin bewegen wollte.“
Mittlerweile haben Gegner des Gesetzesentwurfs eine Petition ins Leben gerufen, um dessen Umsetzung zu verhindern. Diese wurde innerhalb weniger Tage von mehr als 80.000 Bürgern unterzeichnet. Der aktuelle Stand findet sich hier.
Es ist kaum möglich, die Diskussion des umstrittenen Gesetzesentwurfs hier in vollem Umfang wiederzugeben. Jeder sollte sich selbst ein Bild der Vorgänge machen und dann entscheiden, ob hier Wahlkampf auf dem Rücken missbrauchter Kinder betrieben wird, webaffine Paranoiker zum x-ten Mal das Jahr 1984 proklamieren oder tatsächlich umfassender Internetzensur der Weg bereitet wird.