Quo vadis, RealityTV?

Vor allem bei den Privaten scheinen Reality-Formate schon seit geraumer Zeit das absolute Non Plus Ultra zu sein. Die Produktionskosten sind niedrig und die Einschaltquoten zufriedenstellend. Jedenfalls so zufriedenstellend, dass bislang keiner der Sender sich gezwungen fühlt, neue Wege zu beschreiten. Minimale Variationeninnerhalb des Altbekannten reichen (noch) völlig aus. Doch betrachtet man das Ganze genauer, tretet verstärkt Ermüdungserscheinungen auf. Dazu zählt unter anderem die gebetsmühlenartige Themenwiederholung. Jeden Nachmittag unter der Woche verfolgt man auf RTL und Pro7 entweder das Schicksal einer jungen Mutter, die sich nichts sehnlicher als eine Brust-OP wünscht, oder das einer ins soziale Abseits gerutschten Familie, wo (oh, Überraschung!) unklar ist, wer wen gezeugt hat und am Ende es zur tränenreichen Auflösung des ganzen Schlamassels kommt. Da fällt schnell der Begriff des Unterschichtenfernsehens. Ob zu Recht oder nicht, bleibt fraglich. Verdient es die Bezeichnung, weil größtenteils Mitglieder dieser „Schicht“ porträtiert werden und/oder diese Menschen die überwiegende Mehrheit der Rezipienten dieser Sendungen ausmachen? Was bewegt Menschen diese Sendungen anzuschauen? Ist es Voyeurismus, der einem hilft, sich besser zu fühlen, wenn man sieht in welchen Situationen sich die dort Gezeigten befinden? Ist es das Gefühl, in der eigenen Situation nicht ganz verloren und vergessen zu sein, wenn man sieht, dass über ähnlich schwierige Lebenslagen im Fernsehen berichtet wird? Schwer zu beantworten.
RealityTV bietet eigentlich eine VIelzahl an Möglichkeiten, die bei weitem noch nicht ausgeschöpft wurden. Nur müssten sich die Sender mal was trauen. Experimenteller werden, sowohl in Bezug auf die Themen als auch in Bezug auf die Darstellung. Nur ist dies natürlich mit einem Mehr an Arbeit und somit einem Mehr an Kosten verbunden. Und momentan besteht ja von Senderseite aus kein Bedarf, das Altbewährte zu modifizieren.
Zudem wäre es an der Zeit, das ewige Rumreiten auf Klischees und Vorurteilen aufzugeben und zu beenden. Die standardisierten Formulierungen des Sprechers aus dem Off, die schon sämtliche Redewendungen der deutschen Sprache ihrer eigentlichen Aussagekraft beraubt haben, tun ihr Übriges um das perfekte Schwarz-Weiß-Bild zu malen. You are either with us or against us. Ein wenig mehr Grauschattierungen wären wünschenswert. Und einfach realitätsnäher.

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Ein Gedanke zu „Quo vadis, RealityTV?

  1. Ich glaube, dass es auch im Bereich RealityTv gute und weniger gute Angebote gibt. Wenn man den Begriff etwas weiter fasst, könnte man beispielsweise eine Phoenix-Doku über das Leben eines kriminellen Jugendlichen mit den angesprochenen Angeboten der privaten Sender kontrastieren. Man wird feststellen, dass zwar in beiden Situationen eine ähnliche Gefühlslage beim Rezipienten vorzufinden ist (Froh zu sein nicht in dieser Situation zu sein.), dass aber andererseits die Art und Weise der Darstellung höchst unterschiedlich ist. Vielleicht ist vor diesem Hintergrund bereits eine leichte Grauschattierung erkennbar.

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