Tatort „Tatort“

Ein medienkritisches Spektakel hat in der Weihnachtspause für Gesprächsstoff gesorgt. Die alevitische Glaubensgemeinschaft fühlt sich durch den „Weihnachts“-Tatort des NDR „Wem Ehre gebührt“ verunglimpft, reicht Beschwerde und Klage ein, demonstriert zu Tausenden.

Die Macher, sowohl Regisseurin, als auch NDR-Verantwortliche, beteuern, keinesfalls auf eine Verunglimpfung aus gewesen zu sein, lediglich einen fiktiven Fall geschildert zu haben.  In einem Vorspann hatten sie im Film bereits darauf hingewiesen.

Trotzdem zeigen sich die Aleviten empört: Sie empfinden die Thematik des Fernseh-Krimis, in dem es um Inzest ging, als Bestätigung des Vorturteils, aufgrund dessen sie von anderen islamischen Glaubensrichtungen seit langem verunglimpft und verfolgt werden. Auf einigen Protest-Plakaten der Aleviten bei der Großdemonstration in Köln stand gar geschrieben: „Islamisten in der ARD raus!“

Die Berichterstattung in den Medien erklärt derweil die grundsätzliche Problematik des Falls: Während die Einen auf die künstlerische Freiheit, die Freiheit der Presse (Medien) und der Meinung pochen, verweisen die Anderen auf die Gefahr des Überschreitens von Grenzen, das Verletzen von religiösen Gefühlen. 

Wenn mediale Erzeugnisse kritische Themen aufgreifen, erregen sie ihrerseits Kritik. Das zeigt der Fall um den Tatort „Tatort“.

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2 Gedanken zu „Tatort „Tatort“

  1. Besteht eine Funktion der Medien nicht darin, öffentliche Diskurse aufzugreifen? Auf diese Weise können Problematiken, auch auf Religion basierende, an Gesellschaften herangetragen werden. Natürlich bleibt es schwer, die Linie zwischen kritischer Informationserstattung und eigener Stellungnahme zu finden. Doch ohne diese Gradwanderung könnten Medien nicht den Anspruch erheben, die öffentliche Meinung wiederzuspiegeln. Fiktive Filme haben eine Sonderstellung, da die emotionslose Berichterstattung in den Hintergrund tritt. Mittels Überspritzung können die Macher bewusst Kritik heraufbeschwören und so den Diskurs weiter antreiben.

  2. Die Frage ist und bleibt für mich: tragen solche Medienerzeugnisse wie die besprochene Tatortfolge, die sich ihrer thematischen Brisanz durchaus bewußt war (siehe Tenor des Vorspanns: keineswegs Diskrimierung der Aleviten beabsichtigt), dazu bei, gesellschaftliche Integration zu befördern (das sollte der normative Anspruch medialer Erzeugnisse der öffentlich-rechtlichen Anstalten sein) oder bleibt man in Klischees verharren.

    Die Frage, die sich daran anschliesst – jenseits des normativen Horizonts von künstlerischer Freiheit und freier Meinungsäußerung – ist doch, wie borniert werden hier Klischees bedient. Man stelle sich eine Tatortfolge vor, in der ein Bürger jüdischen Glaubens einen Raubmord begeht. Der berechtigte Aufschrei wäre denkbar groß.

    Ebenso scheint es mir kontraproduktiv, ausgerechnet die eher weltlich orientierten Aleviten mit dem Inzest-Klischee im Vergleich zu den weitaus religiöser motivierten Sunniten derart zu diskreditieren. Hier sollte die Selbstregulierung seitens der Medien selbst greifen.

    Hat sich da eigentlich mal ein Programmverwortlicher ernsthaft Gedanken gemacht, welche bornierten Klischees er da über die Mattscheibe senden lässt?

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