Der Traum von einer Jamaika-Koalition ist geplatzt. Mit den Worten: „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“, beendete Christian Lindner, Parteivorsitzender der FDP, die Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU, der FDP und den Grünen. Die Nachricht über den Abbruch der Verhandlungen verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Vorangegangen waren wochenlange Gespräche, die als Dauerthema die deutsche Medienlandschaft dominierten.
Gefühlt endlos begleiteten die Medienvertreter die Verhandlungsführer nicht nur bei ihrer Ankunft, sondern auch bei der Abfahrt vom Verhandlungsort, dem Reichstagspräsidentenpalais, und nicht zu vergessen die Stellungnahmen vor einem Wald von Mikrofonen. Der, mehr oder weniger interssierten und aufmerksamen, Öffentlichkeit werden vorallem die Bilder von „Balkonien“ im Gedächtnis bleiben.

Den nach Neugikeiten und Ergebnissen lechzenden Medienvertretern lieferten die Verhandlungsteilnehmer in unterschiedlicher Zusammensetzung stimmungsvolle Bilder vom Balkon des Reichstagspräsidentenpalais, gelegentlich garantiert mit royalen Winken. Auf Grund von Mangel an Ergebnissen und substanziellen Aussagen über den Stand der Gespräche, blieb den Berichterstattern nur die Interpretation von Blicken, Gesten und verschiedenen Interviews, die sich eher mit der allgemeinen Stimmung als mit wichtigen Inhalten beschäftigen. Die Sondierungsverhandlungen waren für die Medien eine große Herausforderung, galt es doch das „große Nichts“ von Tag zu Tag neu zu bewerten, „neu aufzuziehen“, zu interpretieren und vielleicht daraus doch noch konkrete Ergebnisse herauszufiltern.
Zermürbt von den wochenlangen Verhandlungen ohne Ergebnis, griffen die Journalisten dankbar jeden noch so kleinen Hinweis auf Einigung, bei den „Knackpunkten“ wie beispielsweise Migration, Klima und Digitalisierung, auf. So hielten sie die Spannungskurve aufrecht und erhielten mediale Aufmerksamkeit. Immer kurz vor der Einigung, gelingt jetzt der große Durchbruch? Der geübte Serienfan würde diese Methode wohl als Cliffhanger bezeichnen.
Der Verlauf der Sondierungsgespräche zeigt deutlich, dass die Medien sich bei solchen Verhandlungen in der Zwickmühle befinden, einerseits sind sie zur Informationsvermittlung gegenüber der Öffentlichkeit verpflichtet, anderseits können sie aber auch gezwungen werden durch die Informationspolitik der Parteien, jede Kleinigkeit als ein großes Ereignis darzustellen. Die Eigendarstellung in den Medien wird durch die ständige Berichterstattung wieder an den Verhandlungstisch zurückgespielt und beeinflusst so auch die Verhandlungspartner und deren Positionen. So ähneln die Gespräche eher einer politische Simulation und Inszenierung der handelnden Akteure als konstruktive Koalitionsverhandlungen.
Nun da die Jamaika-Sondierungsgespräche gescheitert sind, ergeben sich verschiedene Optionen einer zukünftige Regierung für Deutschland. Zu den Optionen wie Neuwahl oder Minderheitsregierung gesellt sich inzwischen auch eine Möglichkeit einer GroKo von CDU/CSU und SPD. Auch diese Gespräche werden wohl unter großer medialer Beobachtung stehen. In diesem Zusammenhang ergibt sich durchaus die Frage für Medienvertreter, ob sich etwas mehr mediale Zurückhaltung nicht förderlicher ist und dazu beitragen könnte, dass sich die Verhandlungsführer mehr auf die Inhalte konzentrieren, als denn auf deren Selbstinszenierung.
Auch das Fernsehmagazin ZAPP sieht die Schwierigkeit der Berichterstattung über die Sondierungsgespräche.
Quellen:
http:// www.svz.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/die-reise-nach-jamaika-id17925866.html
http://www.sueddeutsche.de/politik/sondierungsgespraeche-mutlos-in-europa-1.3751825
Ein Gedanke zu „Jamaika-Sondierungsgespräche – eine Politiksimulation für Medien“
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