Ein Bambi für Cruise – merkwürdig

Ob es sich bei der Bambi-Verleihung – immerhin der traditionsreichste deutsche Medienpreis – wirklich um Medienkritik handelt, gerät angesichts einiger aktueller Preisträger doch zunehmend in Frage. Vielmehr wurden am Donnerstagabend in Düsseldorf Personen aus Film und Fernsehen aus teilweise merkwürdigen Gründen geehrt. Johannes Heesters, weil er einfach alt ist? Henry Maske, weil er sich einen Comeback-Kampf zugetraut hat? Und vor allem Tom Cruise, weil er so mutig ist?! Tatsächlich wurde der Hollywood-Scientologe in einer hochtrabenden Laudatio von Frank Schirrmacher – Mitherausgeber der FAZ – für seinen Mut, den deutschen Widerstandskämpfer Claus Schenk von Stauffenberg zu spielen, übern grünen Klee gelobt. Cruise hielt eine ebenso hochtrabende Dankesrede über Mut und Tapferkeit und Leistungsbereitschaft. Und nahm den Bambi für „Courage“ mit nach Hause.

Cruise’s Preisträgerschaft erregt Kritik. Spiegel und taz bezeichnen die Ehrung des Stars als „bizzarr“. Skepsis an der Art der Ehrung war auch – so berichtet die Saarbrücker Zeitung – am Ort des Geschehens in Düsseldorf zu hören. Der Schauspieler Heiner Lauterbach stellte in Frage, ob es wirklich mutig sei, einen Film zu drehen, für den man 50 Millionen Dollar erhalte.

Die betreffenden Artikel aus Spiegel und taz:

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,520558,00.html

http://www.taz.de/1/leben/medien/artikel/1/ein-medienfuerst-haelt-hof/?src=SE&cHash=9a82bf697e

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8 Gedanken zu „Ein Bambi für Cruise – merkwürdig

  1. Ich finde daran eigentlich nicht viel merkwürdig. Mir fällt bei allen deutschen Verleihungen (vor allem Musikpreisen) immer wieder auf das speziell die internationalen Stars geehrt werden, die bereits vorher ihre Anwesenheit zugesichert haben. Es soll ja nach außen ordentlich Eindruck machen. Und wenn man eben schon mal die Chance hat Tom Cruise zu da zu haben, muss man ihm natürlich auch irgend einen Preis geben. Das Bild ist dann nämlich sicherlich in der Zeitung (wie auch in diesem Fall).

  2. Aber warum ausgerechnet Tom Cruise und dann ausgerechnet für die Rolle als Claus Schenk von Stauffenberg, wo doch vorher noch viele Diskusionen statt fanden, ob Tom Cruise diese Rolle überhaupt spielen dürfte.
    Schon seltsam, dass wir uns erst darüber aufregen, dass er einen Mann wie Schauffenberg spielen soll und ihn dann dafür mit einen Bambi belohnen.
    Da hätten sie mal besser einen anderen Hollywood Star eingeladen.

  3. Ich kann mich der Skepsis nur anschließen. Zuerst wird Cruise dafür kritisiert, dass er diese Rolle spielen soll, dann kriegt er auf einmal einen Preis. Und dann noch für seinen Mut? Mut hatte der wirkliche von Stauffenberg, aber Cruise? Was ist denn an diesen Dreharbeiten mutig??? Da hätte man meiner Meinung nach besser auf das Hollywood-Gesicht verzichtet und einen wirklich Mutigen geehrt.

  4. tom cruise spaltet, das ist klar. geschmacks- und einstellungssache wie man zu ihm steht. ich persönlich mag cruise. das nur zum hintergrund. unnötig, immer wieder über seine zugehörigkeit zu scientology zu lesen. dieser preis jedoch ist wirklich seltsam. frage eins: ist das ein regelmäßiger …der bambi für courage? egal ob ja oder nein: komisch ist das schon. courage ist nicht seinen job zu machen, was ja in diesem falle nur heißt, eine person in einem film darzustellen. evtl dafür, dass er trotz der ganzen angriffe und infragestellungen trotzdem das ding durchzog und – auch wenn es ein hollywood-streifen ist – somit einen teil weltgeschichte aufbereitet. würde man dies so erklären, könnte ich das noch nachvollziehen. auch wenn es dann sicher trotzdem würdigere preisträger gäbe. zwischen laudatio und presiübergabe einen minutenlangen zusammenschnitt aus seinem filmischen schaffen zu zeigen, mutet äußerst deplatziert an, sah mehr nach oscar für das lebenswerk aus. denn wie gesagt: alles nur rollen, die mit der courage eines menschen und speziell dann der aktuellen, nichts zu tun haben. dies alles im vorfeld der filmpremiere sieht ganz nach promotion aus. man spricht darüber. hat also funktioniert.

  5. Ich bin nicht häufig einer Meinung mit Heiner Lauterbach, aber in diesem Fall hat er eindeutig recht. Warum erhält Tom Cruise den Mut-Bambi, wenn er bloß eine mutige Person spielt? Er musste das Attentat auf Hitler ja nicht persönlich ausüben, sondern hat es lediglich für 50 Millionen Dollar nachgestellt. Wieviele Menschen tun wirklich mutige Dinge und bekommen dafür weder Geld noch einen Preis???

  6. Im neusten „stern“ findet sich ein guter Artikel zum Thema. Grundaussage: Cruise bzw. der Film sollen Deutschland vom dunklen Image erlösen, wie Stauffenberg es einst von den Nazis erlösen wollte. Der stern-Journalist (Stephan Maus) steht dem allerdings recht kritisch gegenüber.

    Besonders interessant fand ich, dass eine Verbindung hergestellt wird zwischen Frank Schirrmacher, der bei der Bambi-Verleihung der Laudator war, und der Stauffenberg-Verfilmung: „Stauffenberg und Cruise, das ist die Geschichte von der Macht der Männerbünde, vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute. Hauptkraft ist in diesem Fall ‚FAZ‘-Herausgeber Frank Schirrmacher.“ Dieser habe in der FAZ schon vor Beginn der Verfilmung schon kräftig Werbung für den Film gemacht und dafür plädiert, Cruise die Titelrolle spielen zu lassen. Angeblicher Hintergrund laut Stern ist der Wunsch, Deutschland wieder als Kulturnation darzustellen.

  7. Eine durchaus nachvollziehbare Kritik wie ich finde, so fehlt in Deutschland bis heute eine kritische Auseinandersetzung mit der Figur Stauffenberg in der breiten Öffentlichkeit. Stattdessen wird Stauffenberg idealisiert und zur Ikone innerdeutschen Widerstands erhoben – was sich allerdings bei einer näheren Betrachtung Stauffenbergs in meinen Augen nicht aufrecht erhalten lässt. Und ich bezweifele, dass sich der Film mit Cruise kritisch mit Stauffenberg auseinandersetzen wird.

  8. Der Stern hat in seiner neusten Ausgabe (3. Januar 2008) erneut das Thema Mut-Bambi aufbereitet. Diesmal in einer wunderbar sartirischen Form. Der Artikel von Hans-Ulrich Jörges heißt: „Das Jahr der Bambis“. Er gibt uns einen Ausblick ins Jahr 2008 und schildert, wer hier für was einen Bambi bekommen sollte. Auch Tom Cruise geht nicht leer aus. „Tom Cruise enthüllt die Umtriebe der Scientology-Sekte und rechtfertigt seinen Bambi für Mut.“ Aber auch andere, wie Nicolas Sarkozy, Günther Grass, die Bundeswehr und viele andere sollen in diesem Jahr außergewöhnliche Leistungen erbringen, die mit einem Bambi belohnt werden sollen. Mein persönlicher Lieblingsbambi: „Angela Merkel steigt von Jacketts auf Kleider um und kriegt den Bambi für Übermut.“

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