Attentate – Gerüchte, voreilige Schlüsse und ihr Einfluss auf die Menschen

Seit geraumer Zeit, insbesondere seit den rezenten Ereignissen in Paris, sind wir beinahe täglich mit neuen Berichten von Attentaten, Verdächtigen, verstärkten Sicherheitsmaßnahmen und, sieht man sich auf sozialen Netzwerken um, einer scheinbar wachsenden Angst konfrontiert.

Durch die eigentliche Wahrheitspflicht der Medien werden diese Meldungen von der Bevölkerung oft nicht hinterfragt – doch inwiefern kann man sich auf die Richtigkeit jener Meldungen verlassen? Wie oft handelt es sich um tatächliche Fakten und wann fangen Gerüchte und voreilige Schlüsse an in den Vordergrund zu treten?

Der folgende Artikel listet einige Beispiele auf, die die Wichtigkeit seriöser Recherche verdeutlichen.

  1. Der Sprengstoff-Rettungswagen von Hannover

Am Abend vom Dienstag, den 17. November 2015 machte die Schlagzeile die Runde, dass in Hannover bezüglich einer Bombe innerhalb eines vor dem Stadium parkenden Rettungswagens ermittelt werde.

Ursprünglich wurde diese Information von der Kreiszeitung sowie der Hamburger Morgenpost verbreitet, die sich auf „eine seriöse Quelle‘ bezogen, ohne dabei weiter ins Detail zu gehen.

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(Quelle: Focus Online via bildblog.de)

Die Nachricht wurde sogleich übernommen und weiterverbreitet, ohne dass konkrete Fakten und Beweise vorhanden waren, und während einer Pressekonferenz der Polizei wurde sie später am Abend von letzteren abgestritten.

Am Tag nach den Geschehnissen veröffentlichte die Kreiszeitung einen weiteren Artikel mit dem Titel „Viele Fragen, wenig Antworten“ um dort ihre Meldung zu verteidigen. Liest man diesen Artikel, so findet man jedoch hauptsächlich Gerüchte, Spekulationen und Eventualitäten anstelle von eindeutigen Fakten.

                                                                                                                                                                                                            

  1. Die PS4 als Terrorutensil

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Quelle: bild.de

In einem Onlineartikel der BILD wurde anhand einer Veröffentlichung von „Forbes“ berichtet, dass nach den Pariser Terrorattentaten eine von Terroristen genutzte PS4 sichergestellt wurde, anhand derer die IS-Mitglieder untereinander kommuniziert haben sollen. Basiert wurde diese Aussage auf eine Äußerung des belgischen Innenministers Jean Jambon.

Was dabei übersehen wurde ist, dass diese Äußerung von Herrn Jambon bereits 3 Tage vor den Pariser Attentaten gemacht wurde und mit den Geschehnissen in Paris nichts zu tun hatte. Nachdem der Fehler von „Forbes“ entdeckt und korrigiert wurde, wurde auch der Artikel umgeschrieben. Auch die BILD änderte nachträglich ihren Beitrag.

Der Autor, Paul Tassi, gab auf Nachfrage folgenden Kommentar dazu ab:

„This was actually a mistake that I’ve had to edit and correct. I misread the minister’s statement (…) It’s my fault, as I misinterpreted his statement.“ (Quelle: kotaku.com)

„Das war eigentlich ein Fehler, den ich bearbeiten und korrigieren musste. Ich habe die Aussage des Ministers fehlgedeutet (…) Es ist meine Schuld, weil ich seine Aussage falsch interpretiert habe. 

  1. Der Fund von Pässen in Paris

Während der Ermittlungen an den Pariser Tatorten vom 13. November 2015 wurden sowohl ein syrischer als auch ein ägyptischer Pass gefunden. Beide Pässe lagen scheinbar neben toten Terroristen.

Trotz mehrerer Artikel darüber, dass es zu dem Zeitpunkt noch keine Klarheit über die Identität des Besitzers des Passes gab und man somit auch darauf achten sollte, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, setzte die BILD folgendes bezüglich des syrischen Passes online:

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Quelle: bild.de via bildblog.de

Auch bezüglich des Besitzers des ägyptischen Passes wurde voreilig behauptet, dass es sich bei dieser Person um einen Attentäter handelt.

Die Ergebnisse der Ermittlungen ergaben in diesen Fällen einerseits, dass der syrische Pass tatsächlich einem Terroristen gehörte, andererseits aber auch, dass es sich bei dem Besitzer des ägyptischen Passes um ein schwer verletztes Opfer handelte. Der 27-jährige war 2 Wochen zuvor zusammen mit seiner Mutter und seinem krebskranken Bruder nach Paris gereist, um dort medizinische Hilfe zu erhalten.

 

„The Egyptian Ambassador also said that the media incorrectly portrayed Abdel-Razzak as a suspect in the bombings that struck Paris.“ (Quelle:  english.ahram.org.eg)

„Der ägyptische Botschafter sagte auch, dass die Medien Abdel-Razzak fälschlich als Verdächtigen in den Bombenanschlägen, die Paris getroffen haben, darstellten.“

 

Welche Konsequenzen können solche irreführenden oder gar Falschmeldungen also für die Bevölkerung haben?

In der momentanen Situation kommt es immer öfter vor, dass sich viele Menschen verängstigt und verunsichert fühlen, da sie nicht wissen wann und wo das nächste Attentat begangen wird, was sie auf öffentlichen Plätzen und Veranstaltungen erwartet, und die Medien fast täglich von Alarmstufen, Evakuierungen u.ä. berichten.

Ist es da wirklich gut, die ohnehin schon hohe Zahl dieser Meldungen anhand von solchen Fehlern zusätzlich in die Höhe zu treiben und den Menschen somit vielleicht mehr und mehr das Gefühl zu geben, dass die Gefahr jederzeit um die Ecke lauern kann und dass jedes Medium zu Terrorzwecken genutzt wird? Dies riskiert sowohl die bereits vorhandene Angst zu schüren, wie auch den Hass der Menschen, was auf den sozialen Netzwerken oft deutlich zu erkennen ist.

Zur Verdeutlichung der Aussage über die Reaktionen von Social Network Nutzern, hier ein paar Beispiele von Facebook, die sich auf Artikel über rezente Terroranschläge beziehen und die Verschiedenheit der Reaktionen ansatzweise wiederspiegeln:

(Anmerkung: Die Beispiele sind von luxemburgischen Facebook Accounts und wurden dementsprechend ins deutsche übersetzt)

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„Immer die ganze Familie töten, eine andere Lösung gibt es nicht.“

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„Lieber 50 Mal zu vorsichtig als alles auf die leichte Schulter zu nehmen und dann auf einmal BOOM und genau so eine Katastrophe wie in Paris ? KEIN BOCK DARAUF“

 

 

 

 

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„LOL paranoid werden unsere Leute. Danke Medien und menschliche Dummheit“

 

Als Abschluss kann man an dieser Stelle den aus Star Wars bekannten Charakter Yoda zitieren und diesen doch sehr zur Aktualität passenden Satz vielleicht als kleinen Denkanstoß sehen:

„Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“



Quellen:

  • bild.de
  • kreiszeitung.de
  • Facebook-Seiten von: L’essentiel DE, L’essentiel FR, RTL Lëtzebuerg
  • kotaku.com
  • english.ahram.org.eg
  • bildblog.de
  • Wikipedia
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