VICE.COM eine andere Perspektive auf das Flüchtlingsthema

13. November‘ 15, Nacht der Terroranschläge in Paris – Facebook Post, Matthias Matussek, Journalist bei der Welt:

„Paris: Eine erneute Kriegshandlung der Islamisten gegen den Westen, und mit wird schlecht bei den Gedanken, dass wir rund 250 000 unregistrierte Personen im Lande haben…aber die Kanzlerin hat versprochen, diesen illegalen Zustand bald zu beenden und zur Legalität zurückzukehren!“

Kurz darauf veröffentlicht er ein weiteres Statement:

„Ich schätze mal, der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen.“

„Die Attentate von Paris dürfen nicht für eine flüchtlingsfeindliche Agenda missbraucht werden“ ist ein Online- Artikel des Webportals „Vice“ der auf Matusseks Kommentaren aufbaut.

Dieser sagt aus, dass, abgesehen von dem Bekenntnis der IS und der frühen Festnahme eines vermutlich eingeweihten Mannes aus Montenegro in Deutschland, sowie der Bestätigung dass mindestens einer der Mörder Franzose war, noch nichts Genaueres bekannt sei. Aber es wird davon ausgegangen, dass die Attentäter Paris gekannt haben mussten und demnach über einen längeren Zeitraum die Attentate geplant haben.

Nur diese wenigen Fakten sprechen schon gegen die Schuld der Flüchtlinge die ja erst seit wenigen Wochen oder Monaten in den Flüchtlingslagern leben. Außerdem werde es immer wieder vergessen, dass die Flüchtlinge die über Wochen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak nach Europa fliehen, vor eben diesem Terror der IS versuchen zu entkommen.

Laut „Vice“ dürfen Flüchtlinge nicht als Terroristen unter Generalverdacht stehen. Denn das würde den eigentlichen Attentätern, nur zugute kommen. Die Angst- und Hassverbreitung, wie sie von Leuten wie Matussek betrieben werde, gegen all diejenigen, die nach einem anderen Weltbild leben, sei zu einer angstgesteuerten Weltanschauung mutiert, die nicht im Sinne einer demokratischen Gesellschaft wäre.

 

„Eine ganz normale Woche in Deutschland: Hakenkreuze, Böller und Gewalt gegen Flüchtlinge“ ist ein weiterer Artikel in welchem „Vice“ über die zunehmenden Gewalttaten an Flüchtlingen in Deutschland berichtet. Gestützt wird die Aussage durch den Bericht der BKA über 461 Taten gegen Flüchtlinge allein in den ersten drei Quartalen dieses Jahres. Laut des BKA Präsidenten wird angenommen, dass diese Zahl im Laufe des letzten Quartals noch drastisch steigen soll.

„Vice“ ist der Meinung, dass die Häufigkeit der Gewalttaten dafür gesorgt habe, dass kaum einer den Berichten neuer Ereignisse noch Beachtung schenke. Vor allem nach den Ereignissen in Paris müssten sich selbst Politiker bemühen die Asylbewerber nicht als Bedrohung darzustellen.

Aus diesen Gründen möchte „Vice“ mit einer wöchentlichen Auflistung der Gewalttaten an Flüchtlingen wieder dafür sorgen, dass die gefährliche und angsterfüllte Lage der Asylbewerber wieder besser nachempfunden und nachvollzogen werden kann.

 

Worauf läuft dieser Webblogeintrag hinaus?

Die Betrachtung dieser beiden Artikel, sowie alle anderen Aktionen die „Vice“ unternimmt soll eine andere, „neue“ Perspektive  zum Flüchtlingsthema aufzeigen. Seit Monaten lesen, sehen und hören wir in Zeitungen, Online- Magazinen, Fernsehnachrichten und Radiobeiträgen alles mögliche zum Flüchtlingsthema, zur Flüchtlingsproblematik und zur Flüchtlingspolitik. Dabei vergessen wir allerdings immer wieder, dass nicht nur wir eine Sicht der Dinge haben, sondern auch die Flüchtlinge selbst.

In Thomas Strothjohanns Artikel „Wie „Vice“ das Flüchtlingsthema covert – und damit Erfolg bei Jungen hat.“ bezieht Tom Littlewood (Chefredakteur von „Vice“) dazu Stellung, wie sein Portal mit dem Thema „Flüchtlinge“ umgeht und wie es damit so großen Erfolg erzielt. Littlewood bestätigt, dass überraschenderweise die Flüchtlingskrise das Thema seines Portals ist, an dem am meisten Interesse besteht. Seiner Meinung nach liegt das daran, dass sein Publikum den Diskurs über die Flüchtlinge besser verstehen will. D.h. Es frägt sich z.B. wie Bilder von Willkommensfeiern zu brennenden Flüchtlingsheimen zusammenpassen. Oder wie es sich anfühlt zu fliehen und wie man über die Grenze kommt? Das seien alles Fragen auf Situationen, die nicht einfach so beschrieben werden könnten. Sie müssten selbst miterlebt werden. Und genau das macht der kanadischstämmige Berliner Marlon Roseberry Bünck im Auftrag der „Vice“. Zusammen mit einem Team der internationalen „Vice News“ reist er mit einem Flüchtlingszug von Serbien bis nach Österreich, wodurch eine siebenteilige Film- Serie namens „breaking- borders“ zustande kommt. Diese Serie vermittelt die Zustände an der Grenze und zeigt Flüchtlinge, die diese überwinden.

Hierbei sind die Reporter keine anerkannten Nahostexperten, sondern einfach nur ihrer Zielgruppe sehr ähnlich, d.h. sie sind ungefähr gleich alt, sprechen deren Sprache und beschränken sich keineswegs auf parteipolitische Erklärungen. Nein, sie liefern einen Einblick aus einer globalen Perspektive. Genau diese Art des Denkens, sei typisch für Littlewood Mitarbeiter.

„Wir wollen nicht pauschalisieren, sondern „dem Flüchtling“ ein Gesicht geben und fragen, was hinter den ganzen angeblichen Fakten steckt, die in den Medien, von Politikern und auf Pegida- Demonstrationen verbreitet werden.“ (Tom Littlewood)

Laut Littlewood müssen wir über die Ankunft und Duldung hinausschauen, und uns vielmehr auf die Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft fokussieren. So berichtete Vice Ende Oktober beispielsweise über eine illegal in Deutschland lebende Mittelamerikanerin.

Im Gegensatz zu anderen Onlinern, die beim veröffentlichen solcher Themen oft Angst vor der Reaktion der Gesellschaft haben, soll „Vice“ nicht so schlimm mit negativen Reaktionen bedacht werden. Außerdem setzt Littlewood darauf, dass umkommentierte und ungekonterte rechtsradikale Kommentare einfach von Kollegen aus den Threads von „Vice“ gelöscht werden.

Gerade jetzt, nach den Terroranschlägen in Paris ist es wichtig, dass wir keine vorschnellen Schlüsse ziehen und mit einer subjektiven Perspektive nach den Tätern suchen. Indem wir ohne feste Beweise die Schwachen beschuldigen, die sich nicht wehren können, helfen wir niemandem. Wir lösen nur eine weitere Massenpanik aus. Der Perspektivenwechsel den uns „Vice“ aufzeigt, macht es uns möglich die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Genauer, sie nicht nur zu betrachten, sondern sie auch real mitzuerleben. Dadurch können wir uns besser ineinander hineinversetzen und somit unsere Gesellschaft zusammenhalten.

Denn im Grunde genommen verfolgen wir alle doch nur das gleiche Ziel:

In Sicherheit und ohne Angst zu leben.

 

Quellenangabe:

„Wie „Vice“ das Flüchtlingsthema covert – und damit Erfolg bei Jungen hat.“, Thomas Strothjohann, „magazin für journalisten: medium“(www.mediummagazin.de), Ausgabe #11/2015, S.24

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