„Was passiert, wenn du einen Jungen einem Mädchen gegenüberstellst und ihn bittest, es zu ohrfeigen?“
„Slap Her!“ – Der Spot wirbt gegen häusliche Gewalt gegenüber Frauen
Die herzerweichende Antwort auf diese eher ungewöhnliche Frage geben Pietro, Fulvio, Domenico und Co. Seit Anfangs des Jahres rührt der drei-minütige Werbespot „Slap Her!“ die Nutzer sämtlicher sozialen Netzwerke weltweit. Mithilfe des Experiments mit vermeintlich versteckter Kamera spricht die italienische Nachrichten-Website „fanpage.it“ ein immer noch heikles Thema an: Häusliche Gewalt, speziell gegenüber Frauen. Insbesondere im eher patriarchisch ausgerichteten Südstaat stellt heimische Brutalität ein großes Problem für Private und Staat dar. Das negative Ideal des männlichen Machos setzt sich bis heute leider in vielen südländischen Familien durch – und dies muss sich ändern.
Die Message der Website ist klar: Gewalt, ebenso wie Pazifismus, sind Charaktereigenschaften, die bereits in Kindertagen geprägt werden. Deshalb haben die Macher von „Slap Her!“ genau diese Zielgruppe in den Mittelpunkt der Kampagne gestellt: Kinder. Die Protagonisten des Videos sind zwischen sieben und elf Jahre alt, ein Alter der Verspieltheit und Sorglosigkeit. Nacheinander werden die freundlich aufgeschlossenen Jungs durch persönliche Fragen vorgestellt: Aussagen wie „Ich will Feuerwehrmann werden, um Leute zu retten!“ und „Ich werde Pizzaiolo, weil ich Pizzas liebe!“ machen die Kids sympatisch und sollen ein gezieltes Beziehungsempfinden beim Zuschauer wecken.
Dann kommt Martina ins Spiel: blond, schlank, große Augen – Ein Bild eines Mädchens. Die Jungs mögen sie auf Anhieb, schüchterne Verliebtheit macht sich breit. Den Aufforderungen, Martina zu streicheln und ihr eine Grimasse zu schneiden, folgen Domenico und die anderen gerne. Auf einmal der Schock: Der Sprecher fordert sie auf, das unbekannte Mädchen zu ohrfeigen. Auf den Gesichtern der Italiener spiegeln sich Verwirrung und Unsicherheit. Meint der Mann das ernst? Darf ich mich dieser älteren Autoritätsperson widersetzen? Nach kurzem Zögern ist die Reaktion jedoch eindeutig: Allesamt verweigern die Aufgabe. Wieso? „Mädchen soll man nicht schlagen, nicht einmal mit einer Blume!“, „Ich bin gegen Gewalt“ – oder, am wohl ausdrucksstärksten:
„Wieso? Weil ich ein Mann bin!“
Ganz gezielt wirft der Spot mit der naiven Weltsicht aus Kinderaugen die Frage auf, ab wann diese Einstellung kippt und welche Umstände dazu führen, dass genau solche Jungs in Erwachsenentagen möglicherweise zu Gewalttaten bereit werden. Auf Facebook wurde das Video des Regisseurs Luca Iavarone seit der Veröffentlichung im Dezember bereits über 40 Millionen Mal geklickt, 7 Millionen Plays waren es nach nur drei Tagen bei Youtube. Doch obwohl die Resonanz beim Publikum größtenteils positiv ist, gibt es Stimmen, die den Viral-Hit im Netz arg anprangern:
Martina würde nur auf ihre Äußerlichkeit reduziert, außer ihrem Namen erfahre der Zuschauer nichts über das Mädchen, welches noch dazu das Klischee-Bild einer „perfekten“ Frau wiedergibt. Auch ihr freier Wille würde nicht respektiert, die Jungs dürfen ihren Körper ohne jegliche Zustimmung ihrerseits anfassen, dies schüre – kontraproduktiv zur eigentlichen Message des Spots – noch das Macho-Empfinden der Männer, die sich alles erlauben können. Ebenfalls der letzte Grund gegen die Verletzung des Mädchens löst bei einigen Online-Usern heftige Reaktionen aus: Ist es diese Definition eines „Mannes“, welche insbesondere Kindern vermittelt werden soll? Macht die Entscheidung für oder gegen Gewalt den Unterschied zwischen einem „richtigen Kerl“und einem… ja was denn eigentlich? Sollte diese Einstellung nicht für jeden als selbstverständlich empfunden werden, egal welchen Geschlechts? Als letzter kritischer Gedanke wird der „Missbrauch“ von Kindern für Werbezwecke formuliert: Natürlich löst der unschuldige Blick eines Kindes beim Zuschauer eine Woge der Empathie aus, dies sei jedoch ein abzulehnender Marketing-Trick, welcher weder die eigentliche Aussage des Spots zum Ausdruck bringe, noch Rücksicht auf die Menschenwürde nehme.
Gewiss, bei genauerer Analyse des Videos findet man ohne weiteres Aspekte, welche sich für Kritik regelrecht anbieten. Ob es jedoch wirklich gerechtfertigt ist, eine Sache schlecht zu reden, die eigentlich für ein positives Umdenken in der Gesellschaft wirbt und sich eben gewisser Strategien bedient, die sich bereits in der Vergangenheit beim Publikum als wirkungsvoll bewährt haben, ist jedoch fraglich. Ob und wann gezielte Manipulation sich als empfehlenswert herausstellt liegt wohl im Auge des Betrachters. Wie heißt es so schön: Der Zweck heiligt bekanntlicherweise die Mittel…
Ein Gedanke zu „Ein Schlag ins Gesicht? Nicht für Martina!“
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