Wie kann es sein, dass in dem Zeitalter der Schnelllebigkeit der „langsame“ Brief immer noch existiert? Müsste er nicht schon längst von den „neuen schnellen“ Medien verdrängt worden sein? Schließlich wurde sein Untergang ja schon zur Anfangsphasen des Telefaxes und der Postkarte angekündigt oder zumindest gegen Ende des 20. Jahrhunderts.
Doch der Brief hat mehr als das überlebt, wenn man einmal seine Vergangenheit betrachtet.
Wurde er zur Zeit der Antike in seinen Anfängen noch mündlich übermittelt, so entwickelte er sich nach und nach zu einem wichtigen Bestandteil der Schrift- und Schreibkultur. Von Informationsübermittlungen, über Appelle und Selbstäußerungen, war eine große Anzahl an verschiedenen Briefformen vertreten. Die strengen Richtlinien, wie ein Brief auszusehen hatte, wurden in sogenannten Briefstellern festgehalten. Diese Muster- und Lehrbücher verbreiteten sich nach dem Buchdruck wie ein Lauffeuer und trugen dazu bei, dass die deutsche Sprache immer mehr Einfluss in die Briefkultur gewann und das Lateinische verdrängte.
Das Jahrhundert der Aufklärung wurde zum Zeitalter des Briefes. Das einfache Volk strebte nach Einfachheit, Natürlichkeit, Freiheit und äußerte sein Gefühlsleben in den Briefen. Durch die Briefkultur wollte es sich bewusst vom Adel abgrenzen.
So wurde der Brief zum Medium für die Gedanken und Bekenntnisse des Menschen. Noch heute werden in Deutschland 64 Millionen Briefe pro Tag verschickt. Im Jahr 2003 waren es noch 72 Millionen Briefe pro Tag, doch wenn man bedenkt, welch große Anzahl an neuen Vermittlungskulturen in den letzten Jahren hinzugekommen sind, hat der Brief sich gut gehalten.
Wie kommt es also, dass der Brief trotz E-Mail und Social Network in dieser schnelllebigen Zeit weiter bestehen bleibt?
Vielleicht ist es die Faszination, die von diesem Medium ausgeht oder der Hauch an Nostalgie, der an ihm haftet. Vielleicht die bewusste Entscheidung sich ein Blatt und einen Stift zu nehmen und aufzuschreiben, was einem in den Sinn kommt. Nicht zu vergessen die Briefmarke, die für viele Sammler zu einem Hobby geworden ist. Vielleicht auch der Gang zum Briefkasten und die Spannung, was der Empfänger antwortet.
Eins ist auf jeden Fall klar: Zwischen den neuen schnellen Medien, bleibt der Brief das langsamste Medium und das wird sein Vorteil sein. Er bringt Entschleunigung im Zeitalter der Schnelllebigkeit. Weiterhin wird der Brief ein wichtiges Kulturgut sein. Man darf gespannt sein, wie lange der Brief uns in Zukunft Entschleunigung geben darf.
Quellenangaben:
UKA, W. (1994): Brief In: Faulsich, W. (Hrsg.): Grundwissen Medien. München. S. 108-125.
NICKISCH, R. M. G. (1991): Brief. Stuttgart
HÖFLICH, J. R./Gebhardt, J.(Hrsg.) (2003): Vermittlungskulturen im Wandel: Brief – E-Mail – SMS. Frankfurt a. M. u. a. S. 39-52
Ein Gedanke zu „„Und ich bin immer noch da“, sagt der Brief.“
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