Ich kündige dir die Freundschaft, Herr Lehrer!

Seit gestern dürfen Lehrer in Rheinland-Pfalz nicht mehr mit Schülern „befreundet“ sein. So hat das jedenfalls das Bildungsministerium entschieden.

Die Diskussion erneut angestoßen hatte das Bundesland Baden-Württemberg, wo es seit kurzem strenge Richtlinien gibt. Die „Verwendung von sozialen Netzwerken für die dienstliche Verarbeitung personenbezogener Daten“ ist „generell verboten“, schreibt das Kultusministerium. Das bedeutet, dass Lehrer sich beispielsweise nicht über Zeugnisnoten per Facebook austauschen oder sich die Telefonnummer eines Schülers schicken lassen dürfen – dieses würde den Datenschutz gefährden. Die Haltung von Facebook zur Datenspeicherung, -sammlung und -auswertung und der hohe Anspruch der Schulen in Bezug auf Datensicherheit, sei nicht zu vereinbaren.

Auch andere Bundesländer wollen den Kontakt von Lehrern und Schülern strenger regeln. Bayern beispielsweise hat schon vor längerer Zeit seinen Lehrern ein dienstliches Facebook-Verbot erteilt.

In Schleswig-Holstein wurde Lehrern und Lehrerinnen dringend abgeraten, Facebook als Kommunikationsmedium „dienstlich“ zu nutzen. Und auch Nordrhein-Westfalen mahnte schon vor einigen Monaten eine „pädagogische Distanz zu den Schülern“ an. Einige andere Bundesländern haben mehr Vertrauen in ihr Lehrpersonal und zählen auf deren persönliche Sensibilität und vorhandenes Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Medien.

Geht es um den Datenschutz oder die Vermeidung der Vermischung von Dienstlichem und Privatem?

Generell bringt die Freundschaftsanfrage eines Schülers in dem sozialen Netzwerk Lehrer oft in die Bredouille: Möchte man, außerhalb der Schule, am Privatleben der Schüler teilnehmen? Urlaubsbilder, Fotos der letzten Party und den Beziehungsstatus tagesaktuell mitgeteilt bekommen? Gleichzeitig findet man den Schüler vielleicht sympathisch und sieht vor allem die Vorzüge der schnellen Informationsübermittlung.

Lehrpersonen nehmen eine sogenannte Garantenstellung ein und sind im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit dafür verantwortlich, dass die ihnen anvertrauten Schüler und Schülerinnen körperlich und psychisch unversehrt sind und bleiben. Gleichzeitig haben Lehrpersonen aber auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass ihre Schützlinge selbst keinen Schaden anrichten.

So sieht es das Gesetz vor, und auch wenn die Sorgfaltspflicht des Lehrers nach dem Unterricht endet, wann endet sie für den Menschen im Lehrer?

Kann er oder sie es stillschweigend hinnehmen, wenn ungewollt veröffentlichte Bilder eines Schülers oder einer Schülerin auf Facebook auftauchen oder ein Mitglied der Klasse im Netz gemobbt wird?

Auf der anderen Seite darf man auch den Stellenwert, den Facebook nun mal in der medialen Gesellschaft eingenommen hat, nicht vergessen: Über 25 Millionen Deutsche sind „aktive Nutzer“ bei Facebook und so lanciert das soziale Netzwerk auch im Schulbetrieb zum Informationslieferanten Nummer 1: Lehrer nutzen es, um Exkursionen, Klassenfahrten und Projekte mit den Schülern zu planen. Arbeitsblätter werden in der  jeweiligen Facebook-Gruppe hochgeladen und können dort diskutiert und kommentiert werden.

Facebook stellt so auf der einen Seite ein Portal zum gemeinsamen Arbeiten und Austauschen dar, grenzt gleichzeitig aber auch rigoros Nicht-Mitglieder aus („Was? Deutsch fällt heute aus?“ – „Ja, stand doch auf Facebook!“).

Ob nun Lehrpersonen mit Schülern befreundet sein wollen, sollte jeder – Lehrer genauso wie Schüler – selbst entscheiden sollen und können. Im wahren wie im virtuellen Leben.           (Den Rheinland-Pfälzern wurde diese Entscheidung nun durch das Bildungsministerium abgenommen).

Dabei sollte der Lehrende sich fragen, ob er sich genug von dem Privatleben, den privaten Problemen und Konflikten der Schüler abgrenzen kann, die er möglicherweise auf Facebook mitbekommt oder auch im realen Leben eine freundschaftliche Beziehung mit den Schülern führt und führen möchte.

Und die Schüler – und jeder Facebooknutzer – sollte sich vor dem posten sowieso immer fragen – möchte ich wirklich, dass alle meine „Freunde“ das sehen? Selbst wenn zu den Freunden die eigenen Eltern, der Nachbar und eben der Lehrer zählt?

 

Auf diese Thematik wurde ich übrigens über Facebook aufmerksam. Eine Lehrerin hatte den Zeit-Artikel verlinkt…

 

 

Quellen:

Datenschutz: Rheinland-Pfalz verbietet Lehrern Facebook-Kontakt zu Schülern.  URL:  http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2013-10/facebook-lehrer-schueler [Stand:21.10.2013, entnommen am:22.10.2013]

Timtschenko, Maria: Lehrer und Facebook: Mehrere Länder planen Regelungen. URL: http://www.spiegel.de/schulspiegel/lehrer-und-facebook-mehrere-laender-planen-regelungen-a-912794.html [Stand:24.07.2013, entnommen am: 22.10.2013]

Obhutspflicht und Verantwortlichkeit von Lehrpersonen. URL: http://www.bfu.ch/German/politik/Seiten/ObhutspflichtundVerantwortlichkeitvonLehrpersonen.aspx. [Stand: 2007, entnommen am: 22.10.2013]

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2 Gedanken zu „Ich kündige dir die Freundschaft, Herr Lehrer!

  1. Darüber ob eine solche Entscheidung richtig oder falsch war, lässt sich diskutieren. Generell besteht bei einer auf Facebook basierten Kommunikation nicht nur das Problem des Datenschutzes, sondern auch, wie du bereits erwähnst, das Problem der Privatsphäre.
    Lehrkräfte sollten sich lediglich im schulischen Rahmen ein Urteil über ihre Schüler bilden, das heißt im Klassenraum, Schulgebäude und auf schulischen Veranstaltungen.
    Hat ein Lehrer Zugang zu den Facebook-Fotoalben seiner Schüler geht die Urteilsbildung über den schulischen Rahmen hinaus.
    Auch wenn eine Lehrperson ohne böse Absichten das Profil eines Schülers besucht, nicht „schnüffeln“ will, sondern bloß interessiert ist, so hat doch jedes Foto (ob mit Bierflasche oder nicht, im Bikini am Strand oder im Schneeanzug in den Bergen) das Potenzial, das Bild, welches ein Lehrer von seinem Schüler hat, beeinflussen; negativ aber auch positiv.
    Dadurch kann vor allem das Etablieren von Lieblingsschülern unterstützt werden.
    Auf der anderen Seite können Befürworter der Facebook-Kommunikation argumentieren, dass die „pädagogische Distanz“ nicht zwangsläufig gut und effektiv ist, sondern eher die Schwierigkeiten introvertierter Schüler, sich am Unterricht zu beteiligen, verstärken, weshalb eine freundschaftlichere Beziehung- auch auf Facebook- den Jugendlichen die Partizipation erleichtern könnte.
    Natürlich ist hier die Grenze zwischen freundschaftlichem oder kumpelhaften Miteinander und Respektlosigkeit hauchdünn.
    Ich stimme vor allem dem Aspekt zu, dass sich der Lehrer in einer Zwickmühle befindet, da er einerseits seinen Schülern nicht zu nahe treten will bzw. nicht über jedes Detail informiert werden möchte, aber andererseits Interesse am Leben der Jugendlichen hat und seine Schüler gerne besser kennenlernen möchte.
    Auch der von dir aufgeführten Aspekt der Verantwortung spielt eine große Rolle.
    Ganz nach dem Motto „Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiß“ ist es von Vorteil, auf das Kommunizieren via Facebook zu verzichten,um nicht Zeuge von Cyber-Mobbing oder Schlimmerem zu werden.
    Fazit: Nach dem Abitur oder anderen Abschlüssen, die ein Wiedersehen im schulischen Rahmen hundertprozentig ausschließen, ist das Versenden einer Freundschaftsanfrage vollkommen legitim.
    Doch als unterrichtsbegleitende Plattform taugt das „social network“ nicht. Wer dennoch mithilfe des Internet den Unterricht vertiefen möchte, dem bietet das Netz zahlreiche andere Angebote, u.a. Google Docs, die sich für diese Zwecke bestens eignen.

  2. Ich kann dem vorherigen Kommentar nur zustimmen! Trotzdem wird es in der Zukunft immer unausweichlicher sein, dem Fortschritt des „Vernetztseins“ zu entgehen. Hier ist es wichtig, eine gute Alternative, ein gutes Maß zu finden. Ich stimme zu, dass es nicht der beste Weg ist, neben der Schule als Lehrer alles von seinen Schülern mitzubekommen. Auch wenn man bemüht ist, neutral zu sein, so fließt doch alles, was man mitbekommt unterbewusst in das Bild des Schülers ein. Wenn dieser nachmittags postet, dass er gerade mit seinen Freunden auf Tour ist, so kommt natürlich der Gedanke auf, dass er eigentlich mit Hausaufgaben beschäftigt sein sollte… Ich denke, ob der Kontakt über soziale Netzwerke sinnvoll ist, hängt hier auch von der Altersgruppe ab. Für junge Schüler wäre es sicher sehr hilfreich, wenn es ein Netzwerk gäbe, in dem sie auch privat ihre Lehrer anschreiben können, wissend, dass dort jemand ist, den sie ansprechen können. Facebook ist da nicht unbedingt die richtige Plattform, aber es gibt sicher andere Möglichkeiten, die eher schulisch orientiert sind. Oft ist die Hemmschwelle über das Internet geringer und wenn beispielsweise ein Schüler Anfänge von Mobbing erlebt, würde er sich hier eventuell an seinen Lehrer wenden und so schlimmeres verhindert werden. Auch in einem gewissen, schon reiferen Alter kann der Kontakt durch soziale Netzwerke sinnvoll sein – diese Erfahrung habe ich in der Ausbildung selbst schon gemacht und es hat den Alltag um vieles erleichtert. Auch gibt es normalerweise in sozialen Netzwerken durchaus die Möglichkeit, einzuschränken, wer welche Beiträge sehen darf, und wer nicht. Somit finde ich, dass bei diesem Thema Vorteile und Risiken realistisch abgewägt werden muss und einfach Alternativen geschaffen werden sollten. Viele davon gibt es sicher schon und man muss sie nur nutzen. Außerhalb von Facebook gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, um hier ein gutes Maß zu finden.

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