Wer im Glashaus sitzt…

sollte nicht mit Steinen werfen. So oder so ähnlich sollte der Leitspruch der Süddeutschen Zeitung lauten, wenn der nächste Politiker beim Kopieren seiner Doktorarbeit erwischt wird und man sich zum Richter über ihn aufschwingen möchte.

Mir ist da nämlich bei meiner letzten Google-Suche etwas Interessantes ins Auge gefallen. Ein Artikel des Focus vom 8.9.2007, der auf wundersame Weise nur knapp zwei Wochen später am 21.09.2007 bei der Süddeutschen erschienen ist. Und zwar Wort für Wort.

Seht selbst:

http://www.focus.de/finanzen/karriere/perspektiven/fachkraefte/tid-7359/migranten_aid_132144.html

http://www.sueddeutsche.de/karriere/hochqualifizierte-auslaender-putzfrau-mit-doktortitel-1.789764

Natürlich sind diese Artikel nicht brandneu, aber eine Kopie bleibt eine Kopie. Allein die Tatsache, dass die Süddeutsche Zeitung einen Artikel vom Focus kopiert und dabei nur im Titel den Numerus ändert und hier und dort ein Wort wie beispielsweise „Professor“ hinzufügt oder „sagt“ statt „erklärt“ schreibt, ist erwähnenswert. Schließlich wird dem Focus meistens nicht der beste Journalismus bescheinigt, während die Süddeutsche Zeitung zu auserkorenen Lektüre der Akademikerelite gehört und das nicht nur in München. Da fragt man sich doch, ob die beiden Zeitungen einfach nur exakt dasselbe Interview geführt haben oder alles einfach ein und dieselbe Brühe ist, die dem Leser Tag für Tag präsentiert wird.

Ich weiß nicht, ob damals 2007, irgendjemandem aufgefallen ist, dass hier zwei große Medien einfach das gleiche Schreiben oder ob man es wohlwissentlich ignoriert hat. Eine Unverschämtheit ist es auf jeden Fall.
Und bei der aktuellen Diskussion, um Tarifbezahlungen und Dumping Löhne im Journalismus, werden uns solche kreativen Recherchelösungen vielleicht noch sehr viel öfters begegnen.

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2 Gedanken zu „Wer im Glashaus sitzt…

  1. Deine Empörung ehrt dich. Aber:

    1. handelt es sich bei dme Artikel vermutlich um ein Agenturstück der DPA. Und diese werden nunmal von mehreren Medien verwendet (gerade online medien).

    2. Das die Süddeutsche eine Leitmedium ist stimmt (auserkorene Lektüre der Akademikerelite find ich ein wenig übertrieben) und der Focus ist meiner Meinung auch eine Gurkenzeitschrift. Aber davon kann man leider nicht auf den Onlineauftritt schließen. Spon und Bild haben große eigene Redaktionen, aber viele andere Onlineableger großer Medien arbieten mit sehr wenigen redakteuren, so dass das Verwenden von Agenturmaterial, sehr verbreitet ist.

    Ich glaube der Niggemeier hat letztens auch eine Analyse zu stern.de in seinem blog.

  2. zu 1: Wahrscheinlich hast du Recht, dennoch ist das Arbeiten mit Agenturmaterial auch nur eine Folge der schlechten Bezahlung und des Überhandnehmens von Zeitdruck in den Redaktionen. Und vor allem ist es keine Entschuldigung, sondern nur Ausdruck der vorherrschenden Meinungsmache und Abhängikeit der Redaktion von Agenturen.
    Vor allem ist der Artikel jetzt nicht so wichtig, dass man nicht auch darauf hätte verzichten können bzw. mal vorher die Suchmaschine hätte anschmeißen können. Schließlich liegen die Veröffentlichungen zwei Wochen auseinander. Und wenn ich schon altes Agenturmaterial nehme, dann doch bitte vorher nachprüfen. Aber anscheinend ist mein Anspruch an die Medien zu hoch.

    zu 2: Die Kunst der Übertreibung

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