Was in einem europäischen Land eigentlich zum Grundbestand einer demokratischen Politik gehören sollte, steht in Ungarn zur Zeit auf der Kippe.
Am gestrigen Montag (20.12.2010) wurde von der rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz mit einer Zweidrittelmehrheit ein neues Mediengesetz verabschiedet, das die Pressefreiheit Ungarns ins Wanken bringt.
Zwar bezeichnet der ungarische Premierminister Viktor Orbán das Gesetz als „ein völlig europäisches Mediengesetz“, aber allein die Höhe der Geldstrafe von bis zu 90.000 € und die Tatsache, dass eine Abgeordnete des Premierministers, Annamária Szalai, auf neun Jahre den Vorsitz der Medienaufsichtsbehörde NMHH übernimmt, macht deutlich, dass sich die Journalisten der Kontrolle der Behörde und indirekt der Kontrolle des Premierministers unterwerfen müssen, um nicht in den finanziellen Ruin zu kommen und weiter publizieren zu dürfen.
Die NMHH soll ab Januar 2011 nicht nur staatliche, sondern auch private Medien, wie Fernseh- und Radiosender , sowie Nachrichtenportale im Internet und Zeitungen auf Verstöße gegen das allgemeine Interesse und öffentliche Sitten hin kontrollieren und gegebenenfalls mit Geldbußen bestrafen.
Somit besteht also die Gefahr, dass die Medien ihre Aufgabe als vierte Macht im Staat verlieren und womöglich nur noch von der Regierung inszenierte und abgesegnete Informationen publizieren.
Außerdem verliert das Volk durch den Verlust der freien Meinungsäußerung die Mitsprache in der Politik, was ein wesentlicher Bestandteil einer demokratischen Regierung ist.
Dass nun Journalisten, Bürger und Zeitungen demonstrieren und gegen das Mediengesetz vorgehen, ist dem zufolge mehr als richtig.
So veröffentlichte beispielsweise die Tageszeitung „Népszava“ und die Wochenzeitungen „Elet es irodalom“ und „Magyar Narancs“ zum Ausdruck ihres Protests leere Titelseiten und Protestanten demonstrierten mit zugeklebten Mündern für die Aufhebung des Mediengesetzes.
Quellen :
http://www.n-tv.de/panorama/Leere-Titelseiten-in-Ungarn-article2067566.html
http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-12/ungarn-mediengesetz-europa?page=1?
In meinen Augen ist es auch mehr als recht, dass die Menschen in Ungarn nun auf die Barrikaden gehen. Fokus berichtete gestern, dass sich am Montag Abend vor dem ungarischen Parlament 1500 Menschen versammelten um gegen das neue Gesetz zu demonstrieren. Als Anspielung auf das neue Gesetz hielten sich die Demonstranten gegenseitig den Mund zu. Facebook hatte die Menschen dazu aufgerufen, was wieder einmal ein gutes Beispiel dafür ist, wie Social Networks in kurzer Zeit viele Menschen erreichen können.
Der Stern berichtete heute zudem, dass die EU das neue Gesetz zur Kontrolle über die Berichterstattung in Ungarn stark kritisiert. Im Europa-Parlament formiert sich massiver Widerstand, denn schließlich soll Ungarn bald das Amt des EU-Ratspräsidenten übernehmen.
Grünen-Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin dazu:
„Wenn Ungarn die Ratspräsidentschaft übernehmen will, muss diese fatale Entscheidung sofort zurückgenommen werden.“
Zahlreiche EU-Parlamentarier forderten nun Ungarn auf, das Gesetz noch einmal zu überdenken.
Der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Martin Schulz, äußerte sich gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ dazu folgendermaßen:
„Wir werden Ungarn sehr genau an den europäischen Standards zur Pressefreiheit messen.“ Sollten diese nicht erfüllt werden, werde Budapest „große Probleme bekommen“.
Die ungarische Journalistin Edit Inotai beklagt in einem “ Zeit – Online“ Interview die fehlende Reaktion der ungarischen Bevölkerung auf das Mediengesetz. Unter den Demonstranten befanden sich dieser Tage fast ausschließlich Journalisten und Studenten. Die Pressefreiheit scheint für den gemeinen Ungarn nicht sonderlich wichtig zu sein, hält er doch sowieso nicht viel von den Medien, die – seiner Meinung nach – ohnehin überwiegend parteiisch berichten.
Auch wenn das Thema die ungarische Bevölkerung kalt lässt (wenn es denn so ist), bleibt es spannend – kann der Widerstand innerhalb des EU-Parlmaments bewirken, dass das Gesetz doch noch zurückgenommen wird? Wird Ungarn schließlich dazu gezwungen werden (falls sich das Mediengesetz nicht mit EU-Grundsätzen vereinbaren lässt)?
http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-12/ungarn-interview-inotai?page=2
Das neue ungarische Mediengesetz ist schon seit Monaten in der Mache gewesen, nur hat es in der EU niemanden wirklich interessiert. Und plötzlich, wenige Tage bevor Ungarns Ministerpräsident Orban stellvertretend für sein Land die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, kommt es nun zum Aufschrei. Es sei ein Unding, wie lange sich die offiziellen EU-Instanzen nicht gerührt haben, meint auch Europa-Abgeordnete Rebecca Harms.
Doch es handelt sich keineswegs um einen Zufall. Die EU ist zwar im Vorfeld und während der Beitrittsverhandlungen für mögliche EU-Kandidaten stark daran interessiert, dass ein Land im demokratischen Sinne mit Zeitungen, Radio und Fernsehen umgeht. Ist ein Land jedoch erst einmal Aufgenommen gelten die dortigen Medien als nationale Angelegenheit.
Doch nicht nur in Ungarn ist diese Tatsache ein Problem für die proklamierte europäische Wertegemeinschaft. In den Jungmitgliedern Rümänien und Bulgarien sind ähnliche Dinge geschehen und Italien steht in dieser Hinsicht ebenfalls nicht sehr viel besser da. Es ist allgemein bekannt, dass Premierminister Berlusconi der Besitzer sämtlicher Fernsehsender ist.